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Ändert Putin seine Taktik in der Ostukraine?

Mikhail Bushuev / Markian Ostaptschuk25. Juni 2014

Der Föderationsrat Russlands hat seine Erlaubnis zur Entsendung von Truppen in die Ukraine zurückgezogen. Beobachter sehen mehrere Gründe, die Präsident Wladimir Putin zu diesem Schritt bewegt haben.

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Wladimir Putin und Petro Poroschenko (Foto: Aleksey Nikolskyi/RIA Novosti)
Wladimir Putin und Petro PoroschenkoBild: picture-alliance/dpa

Nur ein Senator stimmte dagegen: Der Föderationsrat der Russischen Föderation hat am Mittwoch (25.06.2014) auf Antrag des russischen Präsidenten Wladimir Putin fast einstimmig die Erlaubnis zum Einsatz russischer Streitkräfte in der Ukraine zurückgezogen. Putin hatte diese beim Oberhaus des russischen Parlaments am 1. März beantragt.

Lilia Schewzowa Expertin für Innenpolitik beim Moskauer Carnegie Zentrum
Lilia Schewzowa: Der Beschluss war überfälligBild: privat

Der jetzige Beschluss komme viel zu spät, meint Lilia Schewzowa vom Moskauer Carnegie-Zentrum. "Putin hätte dies viel früher, gleich nach der Annexion der Krim tun sollen", so die Expertin. Denn schon zwei bis drei Wochen nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Russland sei klar gewesen, dass eine Annexion weiterer Gebiete im Süden und Osten der Ukraine unmöglich sei. Die jetzige Entscheidung zeige aber, dass Moskau seine Taktik ändere: "Noch vor einigen Monaten ging der Kreml anders vor. Er destabilisierte die Lage im Osten und Süden der Ukraine", sagte Schewzowa der Deutschen Welle. Nun wolle Putin über Verhandlungen zwischen Kiew und den Separatisten in der Ostukraine eine Lösung des Konflikts in seinem Sinne durchsetzen, die auch der Westen akzeptieren solle.

"Russland muss jetzt reagieren"

Mehrere Faktoren könnten die Entscheidung, die Zustimmung zur Entsendung von Truppen in die Ukraine zurückzuziehen, beeinflusst haben, meint Cornelius Ochmann von der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit. "Einerseits die Androhung weiterer Sanktionen und vor allem die Geschlossenheit westlicher Staaten", sagte der Osteuropa-Experte im Gespräch mit der DW. Ein weiterer Grund sei die klare und pragmatische Haltung des neuen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko, der mit einem Friedensplan für die Ostukraine die Initiative übernommen habe. "Das heißt, dass Russland jetzt reagieren muss. Bisher hat Russland quasi die Entwicklung gesteuert", so Ochmann.

Portrait von Cornelius Ochmann (Foto: DW)
Cornelius Ochmann: Ostukraine ist nicht mit der Krim vergleichbarBild: DW/B.Cöllen

Ihm zufolge hat Putin nun auch klar gemacht, dass er Partner des Westens sein will. Vor dem Hintergrund der sich verschlechternden Wirtschaftslage und des Kapitalabflusses würde eine volle Konfrontation mit dem Westen keinen Sinn machen. Ferner, so Ochmann, hätten die prorussischen Kräfte in der Ostukraine erkannt, dass ohne Zufluss von Söldnern aus Russland die ganze Geschichte keinen Sinn habe. "Das war keine Bewegung von unten, wie auf der Krim, wo große Teile der Bevölkerung den Anschluss an Russland unterstützt haben", so der Experte der Warschauer Stiftung.

Einfluss in der Ostukraine

Der Beschluss des russischen Föderationsrates könnte ein Schritt in Richtung Deeskalation sein, meint Eberhard Schneider vom EU-Russland-Zentrum in Brüssel. Putin wolle, dass die Gespräche zwischen Kiew und den Separatisten zu einer konstruktiven Lösung führen. "Wenn das nicht der Fall ist, wird Poroschenko, wie er angekündigt hat, Plan B umsetzen. Er wird dann militärisch stärker gegen die Separatisten vorgehen, und die haben eigentlich keine Chance, diesen Konflikt zu überstehen", sagte Schneider der DW.

Eberhard Schneider, Zentrum EU Russland, Brüssel (Foto: Eberhard Schneider)
Eberhard Schneider: Separatisten haben keine ChanceBild: privat

Poroschenko habe vorgeschlagen, dass die regionalen Vertreter in den Gebieten Donezk und Luhansk ihr Schicksal weitgehend selbst bestimmen. "Dass sie selbst den Gouverneur vorschlagen können, dass sie in vielen Bereichen Autonomie bekommen ", so der Brüsseler Experte. Offensichtlich sei Moskau damit zufrieden, denn mehr könne es im Moment nicht erreichen. "Man will vielleicht mittelfristig seinen Einfluss gelten lassen über Personen, die aufgestellt werden von den Vertretern der beiden Gebiete."

Moskaus Ansprüche bleiben

Der Kreml habe mit dem Beschluss des Föderationsrates keinesfalls die Option einer Destabilisierung des Ostens und Südens der Ukraine völlig aufgegeben, warnt Lilia Schewzowa. Leider müssten sich die Ukrainer damit abfinden, dass sie noch lange im Schatten Russlands stehen würden. "Russland wird ein Einflussfaktor in diesem Land bleiben wollen", so die Expertin des Carnegie-Zentrums.

Moskau werde es aber nicht gelingen, die europäische Ausrichtung der Ukraine zu ändern, glaubt Cornelius Ochmann. "Wenn das ukrainische Volk sich dafür entschieden hat, wird es auch der russische Präsident nicht schaffen, mit militärischen Mitteln die Ukraine von der EU abzuhalten", so der Experte. Was einen Beitritt der Ukraine zur NATO angehe, so sei das eine andere Frage. "Ich glaube nicht, dass die ukrainische Bevölkerung daran Interesse hat", sagte Ochmann.

Eberhard Schneider weist darauf hin, dass bereits am kommenden Freitag (27.06.2014) Kiew den wirtschaftlichen Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU unterzeichnen wird. Doch eine weitere Annäherung an die NATO sieht auch er nicht: "Die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine steht nicht zur Debatte." Bisher sei die Stationierung fremder Truppen, der russischen Schwarzmeerflotte in Sewastopol auf der Krim das Hindernis gewesen. Jetzt sei es nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel die ungeregelte Grenzfrage.