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"Völkerrechtswidrige Überwachung"

Carla Bleiker3. April 2014

Die Bundestags-Grünen sind überzeugt: Großbritannien hat mit dem Abhörprogramm "Tempora" EU-Recht gebrochen. Im DW-Interview fordert Fraktionsvize Konstantin von Notz ein Eingreifen der EU-Kommission.

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Konstantin von Notz - Foto: Büro von Notz
Bild: Büro Konstantin von Notz

Deutsche Welle: Herr von Notz, was erhoffen Sie sich von ihrem Brief an Kommissionspräsident José Manuel Barroso?

Konstantin von Notz: Wir fordern, dass die EU ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien einleitet, weil der britische Geheimdienst GCHQ erwiesenermaßen die Kommunikation ohne Anlass und massenhaft überwacht. Das widerspricht dem Völkerrecht und dem europäischen Grundgedanken freiheitlicher Demokratien. Deswegen ist es etwas, das durch ein Vertragsverletzungsverfahren gerügt werden kann.

Sind deutsche Bürger direkt von den massiven Abhörvorgängen durch "Tempora" betroffen?

Ja, weil ein erheblicher Teil unserer Kommunikation über die Server in Amerika läuft. Eine E-Mail oder ein Facebook-Eintrag sucht sich nicht immer den kürzesten Weg, sondern den günstigsten. Deswegen geht ein erheblicher Teil der innerdeutschen Kommunikation auch über Glasfaserkabel außerhalb Deutschlands, zum Beispiel auch über England und die USA.

Warum kommt diese Beschwerde genau jetzt?

Weil wir den parlamentarischen Untersuchungsausschuss jetzt starten. Diese Woche Donnerstag (03.04.2014) ist die konstituierende Sitzung und uns als Grünen ist auch wichtig, dass das eben nicht so eine pauschale "Blame-Game" Geschichte wird, à la "die böse NSA, die armen Europäer". Wir wollen durch diesen Brief zeigen, dass wir nicht nur in die USA gucken, sondern durchaus sehen, dass dies auch ein innereuropäisches Problem ist.

Was wollen Sie außerdem mit Ihrer Beschwerde erreichen?

Wir wollen, dass diese völkerrechtswidrigen Praktiken zukünftig unterbleiben. Natürlich tun Geheimdienste geheime Dinge; und da sie präventiv arbeiten, unterwerfen sie sich auch nicht zwingend strafrechtlichen und strafprozessualen Kriterien. Aber sie sind eben auch an Recht und Verfassung gebunden. Und wenn ein Mitgliedsland wie Großbritannien solche Überwachungsprogramme laufen hat, verstößt das gegen den Geist und das Verständnis der EU und muss abgestellt werden.

Wie bewerten Sie das Verhalten der Bundesregierung in der Angelegenheit?

Wir fordern die Bundesregierung seit Monaten auf, da klar Stellung zu beziehen. Frau Merkel hat sich aber - bis auf die Kommentierung der Abhörung ihres eigenen Handys - zu dieser ganzen Frage überhaupt nicht geäußert. Die deutsche Bundeskanzlerin hat sich in der ganzen Geschichte weggeduckt. Während des Wahlkampfes hieß es, man macht ein No-Spy-Abkommen und eine Datenschutzverordnung. Beides ist gescheitert.

Man akzeptiert den Status quo, aber wir glauben, dass dieser Status quo einfach nicht zu akzeptieren ist, weil schwerwiegende verfassungswidrige Bedenken gegen diese Geheimdienstpraktiken stehen. Deswegen verlangen wir von der Bundesregierung zu handeln. Wenn die Bundesregierung diese Handlungen verweigert, dann müssen wir eben gucken, dass die EU agiert.

Kann denn die EU in die Tätigkeiten der Geheimdienste eingreifen? Verletzt das nicht die nationale Souveränität?

Das ist genau die Frage beim GCHQ. Wenn er nur die Engländer abhören würde, dann wäre das vielleicht eher ein Problem, das in Großbritannien diskutiert gehört. Aber der Auslandsgeheimdienst Großbritanniens hört eben auch die Kommunikation aller möglichen anderen Länder ab und sammelt diese Daten zusammen. Insofern ist das eine Frage, die auf die europäische Tagesordnung gehört. Genauso widerspricht die massenhafte Überwachung der Kommunikation aller Europäerinnen und Europäer dem Geist der EU. Deswegen muss da auf europäischer Ebene etwas passieren.

Konstantin von Notz ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen und Sprecher für Netzpolitik.

Das Gespräch führte Carla Bleiker.