2016 - Was Deutschland bewegte
Der Tod kam in der Weihnachtszeit. Seitdem ist endgültig klar: Der Terror hat Deutschland erreicht. Und auch sonst war das Jahr nichts für schwache Nerven. Dramatisch wurde es schon in der Silvesternacht in Köln.
Der gute Flüchtling und die anderen
Es war nicht nur für Frauen schlimm. Die Kölner Silvesternacht war auch gesellschaftspolitisch hoch explosiv und wirkt bis heute nach. Hunderte Frauen werden vor dem Kölner Dom beleidigt, sexuell belästigt und bestohlen. Das Täter-Profil ist eindeutig: junge Männer vornehmlich aus nordafrikanischen Ländern, viele davon erst seit Monaten in Deutschland. Die Flüchtlingsdiskussion bekommt Schärfe.
Bärenstarke Handballer und ein bissiger Wolff
Damit hatten die wenigsten gerechnet: Deutschlands junge Handball-Nationalmannschaft ist die Nummer eins in Europa. Möglich machte das auch der isländische Trainer Dagur Sigurdsson, ein Taktikfuchs und Motivator. Den Rest erledigten seine Spieler. Allen voran Andreas Wolff, der Mann zwischen den Pfosten. Vor allem seine akrobatischen Fußabwehren über dem Kopf begeisterten.
... weil einer "daddelte"
"Dungeon Hunter 5" kostete zwölf Menschen das Leben, fast 90 wurden teils schwer verletzt. Warum? Weil sich ein 40-jähriger Fahrdienstleiter mehr auf das Fantasy-Rollenspiel und das Töten von Dämonen auf seinem Handy konzentrierte, als die richtigen Signale zu setzen. So rasten bei Bad Aibling in Bayern am 9. Februar zwei Nahverkehrszüge frontal ineinander.
"Kretsche" sieht schwarz
Winfried Kretschmann war schon vor dem 13. März Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Doch seit dieser Landtagswahl sind die Grünen auch noch stärkste politische Kraft im Land der Großkonzerne und des Mittelstandes. Abgehängt die CDU. Er ist so etwas wie Merkel in männlich - vertrauenswürdig und über die Parteigrenzen hinaus wählbar. Ginge es nach ihm, würde er Schwarz-Grün in Berlin wagen.
Abschied von einem Stück liberaler Geschichte
Sie gingen innerhalb von wenigen Monaten aus dem Leben. Das, wofür sie fast ihr ganzes Leben lang standen - die liberale FDP - hat gerade das Schlimmste hinter sich und holt wieder erste Wahlerfolge. Alle drei standen an der Spitze der Liberalen, als die Partei mächtig war und amtierten als Außenminister. Guido Westerwelle und Hans-Dietrich Genscher starben im März, Walter Scheel im August.
Denn sie wussten, was sie taten!
VW manipuliert Dieselmotoren. Das war schon ein Aufreger aus dem vergangenen Jahr. Doch im Mai 2016 muss sich eine andere urdeutsche Automarke erklären: Opel hatte sich beim Zafira die Abgaswerte schön gerechnet und staatliche Kontrolleure hinters Licht geführt. Jetzt sind praktisch alle Autohersteller auf dem Prüfstand. Schwerer als die Milliardenstrafen wiegt hingegen der Imageschaden.
Ein guter Mensch, kein Gutmensch
Rupert Neudeck rettete allein mit seinem Rettungsschiff "Cap Anamur" tausende Menschenleben im chinesischen Meer Ende der 1970er-Jahre. Der "Flüchtlingsprofi" war vor allem mutig. Meist war er als erster bei Menschen in Not, noch bevor sich die behäbige Politik-Bürokratie in Bewegung setzte. Es gelang ihm über Jahrzehnte, die Öffentlichkeit für seine Projekte zu mobilisieren. Er starb am 31. Mai.
Es war "högschde Zeit" gegen Italien
Sie liegen uns nicht. Ihre Defensivkünste haben uns in entscheidenden Spielen meist um den Lohn von 90 oder 120 Minuten gebracht. Bevor Italien für die deutsche Nationalmannschaft fußballerisch endgültig zum Dauertrauma wurde, glückte bei der Euro 2016 eine Selbsttherapie per lucky Punch. Jonas Hektor verwandelt zum Siegtreffer gegen Luigi Buffon im Viertelfinale - zu mehr reichte es dann nicht.
Angreifende Wikinger, die einfach jeder gern hatte
Apropos Fußball: Der heimliche Gewinner der Euro 2016 in Frankreich war eindeutig Team Island. Inklusive Fans. Der berechenbare Fußball bekam wieder Überraschungsmomente dank der Wikinger. Auf dem Rasen überzeugten sie als Kämpfer und Taktiker, auf den Rängen begeisterten sie mit ihrem Schlachtruf und rhythmischem Klatschen. "Huh" ist längst der Exportartikel Islands.
Pokémon Go: Hauptsache Sie haben Spaß!
Es ist ein Spiel für Smartphones und Tablets. Virtuelle Fantasiewesen (Pokémons) werden gefangen, trainiert oder werden in virtuelle Kämpfe gegen andere Pokémons geschickt. Es funktioniert im Empfangsbereich des GPS-Signals, also in der Regel im Freien. Die Pokémon-Jagd hatte 2016 mitunter Züge eines kollektiven Fiebers, das auch vor erwachsenen Menschen nicht halt machte. Homo ludens eben.
Angst in Deutschland: Zwei Wochen im Juli
Neun Tote, 16 Verletzte und am Ende richtet sich der Attentäter selbst. München am 23. Juli. Der zweite und folgenschwerste von insgesamt drei Anschlägen im Juli in Deutschland. Am 18. Juli greift ein 17-jähriger Afghane Reisende in einem Zug bei Würzburg mit der Axt an. Vier werden verletzt. Am 24. Juli zündet ein 27-jähriger Syrer eine Bombe in Ansbach. Er stirbt, es gibt 15 Verletzte.
Kann Satire Sünde sein?
Jan Böhmermann, oberster Satiriker des Zweiten Deutschen Fernsehens, rezitiert Verse über Erdogan. Der türkische Staatschef kommt dabei nicht nur schlecht weg, er wird regelrecht beleidigt. Allerdings - und das ist der Kunstgriff der Schmähkritik: Sie wird als Satire gekennzeichnet und steht somit unter dem Schutz der Freiheit der Kunst. Dennoch: Erdogan mobilisiert Politik und Justiz.
Der Ton wird rauer
Angela Merkel kennt das inzwischen. Teile der Bevölkerung schlucken ihren Frust nicht mehr nur runter, sie werden laut und deutlich. So auch ausgerechnet am Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober. In Dresden wollten nicht alle mitfeiern. Die Kanzlerin musste sich wütende Proteste aus dem Pegida-Lager anhören. Vor allem wegen ihres Kurses in der Flüchtlingspolitik.
Trotz allem: Sie will noch einmal ran
Es bleibt offen, ob sie sich bei ihrem Vorhaben Vorbilder anderswo ausgesucht hat. Jedenfalls ist seit Ende November klar, dass Angela Merkel ihre vierte Amtszeit als Bundeskanzlerin anstrebt. Ihre Autorität ist nicht mehr die, die sie zur Königin von Deutschland und Europa hat aufsteigen lassen, doch Demoskopen halten sie auch im elften Regierungsjahr für nahezu unschlagbar.
Er kann es nicht lassen
Wer geglaubt hatte, Uli Hoeneß werde nach verbüßter Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung leiser daherkommen, sieht sich getäuscht. Den Präsidentenstuhl bei seinem FC Bayern München haben sie ihm frei gehalten, nun ist er wieder, was er war: der personifizierte FCB - inklusive "Abteilung Attacke". Eine Kostprobe gab er schon bei seiner Wiederwahl, als er RB Leipzig als "neuen Feind" ausmachte.
Großer Auftritt und dann der Abtritt
"Schneller Mann, was nun?", wird sich Nico Rosberg gedacht haben, als er im dritten Anlauf mit äußerster Kraft- und Konzentrationsanstrengung den Titel in der Formel 1 nach Hause fuhr. So, wie einst sein Vater Keke. Zur Ruhe setzen will er sich zwar nicht, aber noch einmal angreifen auch nicht. Aufhören, wenn es am schönsten ist, nennt man solche Entscheidungen. Respekt!
Tod unterm Weihnachtsbaum
Das Jahr endet wie es begonnen hatte: entsetzlich. Am 19. Dezember sterben zwölf Besucher eines Weihnachtsmarktes neben der Berliner Gedächtniskirche. Sie werden von einem LKW überrollt, der gezielt in die Marktstände und Menschentrauben hinein rast. Fast 50 Verletzte werden gezählt. Der Terror ist in Deutschland angekommen.