"3 Tage in Quiberon": Romy Schneider hautnah
11. April 2018Wie nähert man sich einer Ikone? Zumal einer des Kinos, die tausendmal abgelichtet wurde, auf unzähligen Fotografien und auf Zelluloid? Und wie besetzt man eine Schauspielerin, die wie kaum eine andere für das europäische Kino der 1960er- und 1970er-Jahre steht, die ungemein attraktiv und charismatisch war auf der Leinwand? Eigentlich ein unmögliches Unterfangen - und doch ist es gelungen.
"3 Tage in Quiberon" hat die seit 2001 in Deutschland lebende französische Regisseurin Emily Atef ihren Film genannt. Atef hat neben deutschen und französischen auch iranische Wurzeln, und möglicherweise hat diese Internationalität ihrer Biografie dabei geholfen, einen unverbrauchten Blick auf den Star zu werfen. Uraufgeführt wurde "3 Tage in Quiberon" während der Berlinale im Februar. Jetzt kommt er in die deutschen Kinos, im Juni startet Atefs Werk in Frankreich.
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Kein Film über Romy Schneiders Karriere
In der Bretagne spielt der Film. Auf drei Tage im Leben des Filmstars hat sich die Regisseurin konzentriert, drei Tage aus Romy Schneiders vorletztem Lebensjahr. Ein Biopic, also eine ausführliche, chronologisch erzählte Biografie auf der Leinwand, hatte Atef nicht im Sinn: "Der Film ist bewusst kein Biopic, will nicht ihr Leben erzählen, sondern konzentriert sich auf drei Tage im Leben Romys", sagt die Regisseurin über ihr filmisches Konzept.
Dabei ist der Hintergrund höchst real. 1981 lud Romy Schneider während eines Aufenthalts in einer Diätklinik in Quiberon in der Bretagne den "Stern"-Reporter Michael Jürgs und den mit ihr befreundeten Fotografen Robert Lebeck für ein Interview der bekannten deutschen Illustrierten ein. Mit dabei war auch eine Freundin von Romy Schneider, deren Name und Charakter für den aktuellen Film allerdings verändert wurden. "3 Tage in Quiberon" schildert die Begegnung dieser Vier, zeigt Interviewsituationen und Fotosessions, Gespräche zu zweit oder in der Gruppe, Szenen am Strand und bei abendlichen Besuchen in Restaurants und an der Hotelbar.
Emily Atef: "Die Realität hat mir als Inspiration gedient"
Ist das nun alles so gewesen, wie im Film dargestellt? "Es geht nicht darum, die Erlebnisse der Beteiligten an diesen drei Tagen in Quiberon realitätsgenau nachzuerzählen", sagt Emily Atef, sie habe vielmehr "einen Zustand erlebbar machen" wollen. Die Realität habe ihr als Inspiration gedient, um eine eigene Geschichte daraus zu machen. Sehr nah an der Realität ist der Film dabei aber geblieben. Das hat zwei Gründe.
Zum einen steht das Hotel, in dem sich Romy Schneider mit dem Journalisten und dem Fotografen traf, noch heute. Es hat sich wenig verändert, auch in der Umgebung nicht. Das Filmteam von "3 Tage in Quiberon" konnte also an einem Set arbeiten, an dem nicht allzu viel verändert werden musste. Zum anderen ist das Treffen gut dokumentiert - durch die Fotos von Robert Lebeck. 20 Bilder wurden damals im "Stern" veröffentlicht. Emily Atef hat bei der Vorbereitung für ihren Film aber Zugriff auf Lebecks Archiv mit nahezu 600 Bildern gehabt. Gedreht wurde in Schwarz-Weiß, Zeit und Atmosphäre sollten möglichst realistisch eingefangen werden.
Romy Schneider: Zwischen Freiheit und Selbstzerstörung
Und so kommt der Zuschauer, der im Jahre 2018 nun den Film über drei Tage im Leben einer außergewöhnlichen Schauspielerin im Jahre 1981 sieht, ganz nah heran: an einen Menschen im Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit und Privatleben, zwischen Boulevard und Intimität. Denn darum geht es in dem Film: Um die Frage, wie man sich als berühmte Persönlichkeit in der Öffentlichkeit geben darf und kann. "Romy war einerseits ganz frei und gleichzeitig abhängig von Öffentlichkeit und Anerkennung", erzählt Atef. Sie habe einen Hang zur Selbstzerstörung gehabt und sich in jenen Jahren "den großen Fragen ihres Lebens gestellt: Bin ich eine gute Mutter? Wie schaffe ich es, alles unter einen Hut zu bringen? Wie kann ich funktionieren?"
Als Hommage auf Romy Schneider will die Regisseurin ihren Film nicht verstanden wissen, eher "als Momentaufnahme einer Zeit ihres Lebens, in der es ihr gelingt, sich für einen kurzen Moment aus einer massiven Krise zu befreien". Und doch darf man "3 Tage in Quiberon" als Hommage bezeichnen, im ausschließlich positiven Sinne, als Film über einen Menschen, dem von den Filmemachern Respekt, Liebe und Achtung entgegengebracht wird.
All das hätte sicher auch schief gehen können - wenn die Hauptrolle nicht mit Marie Bäumer besetzt worden wäre. Schon lange hatte man die 1969 in Düsseldorf geborene Darstellerin gedrängt, einmal in die Rolle der berühmten Romy Schneider zu schlüpfen - allein aufgrund der äußerlichen Ähnlichkeit der beiden. Bäumer hatte dies stets abgelehnt.
Marie Bäumer: "Keine Interpretation der Schauspielerin oder des Mythos"
Erst das Konzept des französischen Produzenten Denis Poncet, der während des Entstehungsprozesses des Films verstarb, konnte Bäumer überzeugen. "'3 Tage in Quiberon' ist keine Interpretation der Schauspielerin oder des Mythos' Romy Schneider, sondern die Zustandsbeschreibung einer Frau am Ende ihres Lebens, verdichtet auf drei Tage - 'Zufälligerweise' handelt es sich bei der Dargestellten um einen Weltstar", beschreibt Marie Bäumer den Film.
Das mag ein wenig nach Haarspalterei klingen, ist im Grunde aber auch nicht wichtig. Entscheidend ist, dass "3 Tage in Quiberon" ein sehr gelungener Film ist, großartig gespielt und bestechend fotografiert. Und er erzählt eine Geschichte, die sowohl Bewunderer und Fans der Schauspielerin Romy Schneider zufriedenstellen dürfte, als auch diejenigen, die lediglich "die Zustandsbeschreibung einer Frau" in der Krise auf der Leinwand sehen wollen.