300 Jahre Freimaurer
1. September 2017Am 24. Juni 1717 schlossen sich in London vier englische Freimaurerlogen zu einer Großloge zusammen. Ein Tag, der heute als Beginn der organisierten Freimaurerei gilt. England ist damit so etwas wie das Mutterland der Freimaurerei. 20 Jahre später entstand in Hamburg die erste Freimaurerloge Deutschlands. Heute gibt es rund 500 von ihnen, die Mitgliederzahl hierzulande wird auf rund 15.000 geschätzt.
Vieles in der Geschichte dieser heute international verzweigten Organisation blieb im Verborgenen. Anlässlich der zentralen Jubiläumsveranstaltung zum 300-jährigen Bestehen der Freimaurer am 1. September haben wir mit Matthias Pöhlmann, Experte für Weltanschauungsfragen, gesprochen. Er beobachtet: Die Freimaurer vermitteln ihre Anliegen in der Gesellschaft mittlerweile stärker.
DW: Herr Pöhlmann, was ist das Wesen der Freimaurer, worauf berufen sie sich?
Matthias Pöhlmann: Freimaurer berufen sich immer wieder auf die Aspekte Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Humanität und Toleranz. Hinzu könnte man noch die Wohltätigkeit nehmen, die aber eher stillschweigend geleistet wird. Es sind letztendlich Ideale der Aufklärung, die vertreten werden. Ziel in der Freimauerei ist es auch, die Arbeit an der eigenen Persönlichkeit voranzutreiben. Manche Freimaurer lassen sich zu der Bemerkung hinreißen, es würde sich da um eine Art Persönlichkeitstraining handeln.
Die Mitglieder organisieren sich in sogenannten Logen. Was ist das genau?
Eine Loge, englisch "lodge", meint wörtlich "Bauhütte". In der Freimaurerei ist die Loge ein Versammlungsort von Männern, die an der eigenen Persönlichkeit arbeiten möchten. Es handelt sich um einen ethischen Bruderbund. Sein Vorbild hat er in den mittelalterlichen Steinmetz-Bruderschaften. Die waren meistens so organisiert, dass sie im Gegensatz zu den städtischen Zünften besondere Privilegien hatten, wie etwa die Reisefreiheit. Um das eigene Berufsgeheimnis zu bewahren, waren eben bestimmte Passwörter und Griffe vonnöten, damit eben das Berufsgeheimnis nicht verraten wird. Das wurde zum Vorbild der heutigen Freimaurer. Es ist ein symbolischer Werkbund, wenn man so möchte. Man greift auf die Symbolik und die Ritualistik dieser mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften zurück.
Die zentralen Symbole, Winkelmaß und Zirkel, stammen die auch daher?
Genau. Winkelmaß und Zirkel bilden das typische Logo der Freimaurer. Der Zirkel soll den Kreis der Brüderlichkeit darstellen, das Winkelmaß das rechte Verhalten des einzelnen Freimaurers. Hinzu kommen noch weitere Symbole wie die Setzwaage. Sie steht dafür, dass man sich auf gleicher Ebene begegnet. In der Mitte eines Freimaurertempels gibt es die drei Säulen, die Schönheit, Stärke und Weisheit repräsentieren sollen. Letztendlich - so der Anspruch der Freimaurer - möchte man am Tempel der Humanität bauen. Und dazu dient die Loge als Ort der Einübung, also letztendlich der Arbeit an der eigenen Persönlichkeit.
Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Humanität, Toleranz haben Sie als Werte der Freimaurer genannt. Wie passt es da, Frauen kategorisch auszuschließen?
In seiner klassischen Form ist der Freimaurerbund ein Männerbund. Wir können jetzt beobachten, dass es auch Frauenlogen gibt. Es gibt eine Frauengroßloge von Deutschland, in der sich Frauen zu rituellen Arbeiten im Tempel zusammenfinden. Die Begründung für diese Trennung in Männer- und Frauenlogen lautet herkömmlich, dass gemeinsame Tempelarbeiten das Innenleben einer Loge verändern würden. Deshalb sei es gut, geschlechterspezifisch zu arbeiten.
Rituale spielen bei den Freimaurern eine große Rolle. Wie muss man sich ein Treffen konkret vorstellen?
Die Rituale sind in gewisser Weise festliche Anlässe. Es handelt sich dabei um ein Wechselgespräch zwischen verschiedenen Funktionsträgern in einer Loge, herkömmlich zwischen dem sogenannten "Meister vom Stuhl", das ist der Vorsitzende der örtlichen Loge, und den sogenannten Aufsehern. Es kommt dann darauf an, welcher Grad gerade bearbeitet wird. Herkömmlich umfasst das Ritualsystem in der sogenannten Johannes-Freimaurerei drei Grade: Lehrling, Geselle und Meister. Und wenn man in eine Loge aufgenommen wird, handelt es sich um eine Initiation. Die Vorstellung ist, dass aus einem Blinden ein Sehender werden soll. Und so unterscheiden die Freimauer auch immer wieder zwischen Profanen und Brüdern. Insofern handelt es sich bei der Freimaurerei und bei der Zugehörigkeit zu einer Loge um einen lebenslangen Bund, wobei ein Austritt jederzeit möglich ist.
Wie kann denn jemand Freimaurer werden?
Die Rekrutierungsform der Freimaurer hat sich im Vergleich zu früheren Jahrzehnten verändert. Früher war es so, dass man einen Bürgen an die Seite gestellt bekam, das heißt, einen Freimaurer, der jemanden angesprochen hat und für die Loge geworben hat. Wie der Name Bürge schon sagt, sollte er sich für die Integrität des Kandidaten verbürgen gegenüber der Loge.
Heute stellt sich das ganz anders da. Es gibt sogenannte Gästeabende, wo Interessierte eingeladen werden, es finden öffentliche Vorträge statt. In der Schweiz wird manchmal sogar über Zeitungsanzeigen geworben. In Deutschland ist es vor allem so, dass man über Gästeabende aufmerksam wird, dass man dort regelmäßig teilnimmt und dann auch um eine Aufnahme nachsuchen kann. Man bewirbt sich bei einer örtlichen Loge und die entscheidet dann in einer Abstimmung über die Aufnahme. Es soll sich um einen freien Mann von gutem Ruf handeln. Es sollte ein Mann sein, der einen guten Leumund hat und eben auch frei ist in finanzieller Hinsicht, und - so sagen es die Freimaurer auch - "frei von Süchten und Abhängigkeiten".
Braucht im digitalen Zeitalter auch ein Geheimbund wie die Freimaurer Öffentlichkeitsarbeit?
Ich denke, dass die Freimaurer bis heute eine Spannung umgibt zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit. Auf der einen Seite gibt es den diskreten Raum, wo man Vertrauen einüben möchte. Man spricht dann vom sogenannten Arcanum. Es gibt bestimmte Dinge, die nicht nach außen dringen oder verraten werden sollen. Dazu zählt zum Beispiel, dass man einen Bruder nicht verrät oder ihn nicht outet. Die Freimaurer sagen: Das eigentliche Geheimnis besteht im Erleben der Rituale. Das ist letztendlich ein Geheimnis, das nicht verraten werden kann.
Dennoch habe ich das Gefühl, dass inzwischen mehr Transparenz zugelassen wird.
Sie haben recht. In den letzten Jahren beobachte ich, dass man stärker über das eigene Anliegen in der Öffentlichkeit informiert. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Entwicklung. Hinzu kommt auch eine Beteiligung von Logen etwa beim "Tag des offenen Denkmals" oder bei der "Langen Nacht der Museen" in Berlin, wo die Logenhäuser ihre Türen öffnen. Und das Interesse der Menschen zeigt: Viele strömen dorthin und wollen mehr erfahren. Es gibt hier nach meiner Beobachtung ein Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit, denn in unserer Populärkultur spielen die Freimaurer natürlich in Verbindung mit kruden Verschwörungstheorien leider eine große Rolle. Insofern ist es zu begrüßen, wenn die Freimaurer daran arbeiten, ihr Image in der Öffentlichkeit klarer, transparenter darzustellen. Die Freimaurer verstehen sich weder als Religion noch als Kirche. Die Frage, die sich für mich stellt, ist: Gibt es so was wie ein freimaurerisches Profil im weltanschaulich-religiösen Pluralismus? Und diese Diskussion, so denke ich, muss in der Freimaurerei geführt werden, und ich bin gespannt, zu welchem Ergebnis man kommt.
Das Gespräch führte Julia Hitz.
Dr. Matthias Pöhlmann ist Kirchenrat und Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, München. Er befasst sich seit vielen Jahren mit der Thematik und hat dazu auch eine Studie vorgelegt: "Verschwiegene Männer. Freimaurer in Deutschland", EZW-Texte 182, Berlin 5. Auflage 2011. Erhältlich gegen eine Spende über www.ezw-berlin.de.