400 Millionen neue Sterne
14. September 2016Die Verlautbarung der Europäischen Weltraumagentur ESA liest sich für Laien nicht besonders verständlich aber sie hat es in sich: Am 14. September wurde das erste Datenpaket der Raumsonde Gaia veröffentlicht. Es ist zwar nur ein kleiner Teil der riesigen Datenmenge, die Gaia bis zum Auslaufen der Mission im Jahr 2022 liefern soll. Aber schon jetzt ist klar, dass es viel mehr Sterne gibt, als die ESA Astronomen erwartet hatten. ESA Experten stellten den Katalog am Mittwoch in Villanueva de la Canada in der Nähe der spanischen Hauptstadt Madrid vor.
Bisher waren etwa zwei Millionen Sterne bekannt. Die letzten Daten waren durch eine Vorgängersonde, namens Hipparcos zwischen 1989 und 1993 gesammelt worden. Jetzt ist die Zahl regelrecht explodiert: In der kurzen Zeit seiner Mission konnte Gaia bisher etwa 400 Millionen neue Sterne ausfindig machen. Alleine in der Milchstraße schätzen die Experten nun die Zahl auf etwa 100 Milliarden.
"Es ist der größte Sternenkatalog unserer Milchstraße, den es je gab," sagte Fred Jansen, Manager der Gaia-Mission im Interview mit der Deutschen Welle. Bis 2017 soll Gaia mehr als eine Milliarde Sterne vermessen haben.
Tausendmal mehr als wir wissen - aber ein winziger Teil des Universums
Damit wäre das Wissen über unser Universum um etwa um das tausendfache präziser als es gestern noch war - obgleich es sich immer noch um nur etwa einen Prozent aller Sterne in der Milchstrasse handelt. Die Sterne, die Gaia jetzt identifiziert hat, liegen in einem Bereich mit einer Größe von etwa 500 Lichtjahren. Die Milchstraße ist indes viel größer: Sie hat einen Durchmesser von etwa 100.000 Lichtjahren. Die Gaia-Daten bilden eine dreidimensionale Kartierung eines Teils unserer Milchstrasse. Das ganze Universum ist nochmal deutlich größer. Der für uns sichtbare Teil liegt im mittleren zweistelligen Milliardenbereich von Lichtjahren.
Am 19. Dezember 2013 war die Sonde von der Erde gestartet und hat am 8. Januar ihren Standort am Langrange-Punkt L2 erreicht. Das ist ein Punkt tief im Weltall - etwa viermal so weit von der Erde entfernt wie der Mond. Benannt ist der Ort nach dem italienischen Astronomen Joseph-Louis Lagrange, der ihn im 18. Jahrhundert theoretisch errechnet hatte.
Am Lagrange Punkt L2 verhalten sich die Gravitationskräfte von Erde und Sonne so, dass ein Satellit, der auf einer Umlaufbahn um die Sonne kreist, immer in einer festen Position zur Erde steht. Betrachtet man von diesem Ort die Erde, wirkt es also so, als ob völlige Schwerelosigkeit herrsche.
Teleskope und Detektoren
Ausgestattet ist die Sonde mit einem klassischen optischen Spiegelteleskop, das an eine Vielzahl von Pixeldetektoren angeschlossen ist - vergleichbar einer riesigen Digitalkamera mit über einer Milliarde Pixel. Das Objektiv ist so gut, dass es noch aus 1000 Kilometern Entfernung ein menschliches Haar wahrnehmen könnte.
Aber die Detektoren der Kamera können viel mehr als die Chips in einem digitalen Fotoapparat. Es gibt drei Detektorentypen und jeder Typ hat verschiedene Aufgaben: 62 Astrometrische Detektoren vermessen die Objekte am Sternenhimmel und bestimmen ihre genaue Position und Geschwindigkeit. 14 photometrische Detektoren erkennen die Helligkeit und Wellenlänge des Lichts, das von den Sternen reflektiert wird. Sie können das Farbspektrum der einzelnen Sterne genau aufschlüsseln.
Und das sogenannte Radialgeschwindigkeitsspektrometer vermisst mit zwölf Pixeldetektoren die Linienspektren der Objekte. Das heißt, jeder Spektralbereich des Lichtes, den ein Stern absondert, kann damit einzeln dargestellt werden. Das hilft bei der Identifizierung der dort vorkommenden Elemente.
Alle Detektoren werden im Laufe der Mission über eine Million Gigabyte an Daten liefern - das entspricht eintausend handelsüblichen Festplatten.
Wie ist das Universum entstanden?
Ziel der Mission ist es, die Entstehung der Milchstraße und unserer Galaxie besser zu verstehen. GAIA soll in der Lage sein, nicht nur die Lage und Bewegung der Sterne und Himmelskörper zu bestimmen, sondern über die chemische Zusammensetzung der einzelnen Objekte eine Art Stammbaum zu erzeugen. Dann könnten die Forscher die Geschichte des Universums fast bis zum Urknall zurückberechnen.
Auch braune Zwerge haben es ihnen angetan. Das sind besonders lichtschwache, sogenannte gescheiterte Sterne, die fast unsichtbar durchs Weltall driften. Auch die Explosion von Sternen am Ende ihres Lebenszyklus fasziniert Wissenschaftler. Etwa zehntausend dieser als Supernova bezeichneten Himmelskörper in fernen Galaxien könnte GAIA aufspüren. Eine Idee: Die Daten von GAIA sollen Astronomen Hinweise geben, wann und wo solche Explosionen von der Erde aus gut zu sehen sind.
Aber nicht nur Astronomen und Geophysiker, auch ganz bodenständige Erdbewohner könnten praktisch von den Beobachtungen der Sonde profitieren. So hält GAIA auch nach Asteroiden und Kometen Ausschau. Einige könnten sicherlich auch einmal der Erde gefährlich werden.