7 Fakten zur deutsch-französischen Freundschaft
21. Januar 20231. Bei der Nähe musste ein wenig nachgeholfen werden
Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauermusste 1963 ein wenig geschubst werden, bevor er dem französischen Präsidenten Charles de Gaulle Küsse auf die Wangen drückte. Dafür gibt es einen Videobeweis, den die deutsch-französische Erklärsendung Karambolage des ebenfalls deutsch-französischen Senders ARTE aufdeckte: Es war wahrscheinlich der deutsche Protokollchef, der den etwas steif wirkenden Bundeskanzler Adenauer in die geöffneten Arme de Gaulles schob. Die Küsschen der beiden Männer schrieben Geschichte und besiegelten, was sie soeben unterschrieben hatten: Der Élysée-Vertrag vom 22 Januar 1963 wurde zum entscheidenden Grundstein der deutsch-französischen Freundschaft. Angesichts vieler Konflikte und zweier Weltkriege, in denen man sich als Feind gegenüber gestanden hatte, absolut keine Selbstverständlichkeit.
Seitdem gibt es eine ganze Reihe ikonischer Bilder von deutschen und französischen Regierungschefs, die ihre Nähe betonten: Das händchenhaltende Duo François Mitterand und Helmut Kohl oder die sich immer wieder in den Armen liegenden Jacques Chirac und Gerhard Schröder. Sogar die stets beherrschte Angela Merkel lehnte sich vertrauensvoll an die Schulter des amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron. Davon sind Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident heute weit entfernt.
2. Schimpfwörter gegen Deutsche hielten sich lange
Beim Abschluss des Freundschaftsvertrags war der Zweite Weltkrieg noch nicht einmal 18 Jahre vorbei. Deutsche wurden noch lange als "Boche", "Chleu" oder "Fritz" geschimpft. Im Gegenzug gibt es im Deutschen kein Schimpfwort, das nur für Franzosen reserviert ist. "Boche" war um die Jahrhundertwende in Frankreich weit verbreitet: "Boche steht für Menschenfresser und Possenreißer [...] Solange sie nicht mit den anderen Menschen Frieden geschlossen haben werden, gibt es in Europa keine Deutschen mehr: Es gibt nur noch Boches", schrieb 1915 ein Franzose - als die beiden Völker sich im Ersten Weltkrieg bekämpften. Abgeleitet ist das Schimpfwort von "caboche", also Dickschädel. Oder Holzkopf.
Ein deutscher Elektrohersteller machte die Beleidigung zum Qualitätsmerkmal - und warb mit dem Slogan "C'est bien, c'est beau, c'est Bosch" ("Das ist gut, das ist schön, das ist Bosch").
3. Mehr Zusammenarbeit macht keiner
Keine zwei Staaten auf der Welt unterhalten mehr Kooperationen, Vereine und Organisationen als die beiden europäischen Nachbarn. Mit dem Vertrag von Aachen, der seit 2019 den Elysée-Vertrag ergänzt, wurde die zivilgesellschaftliche Verankerung der Zusammenarbeit weiter ausgebaut: etwa durch den 2020 ins Leben gerufenen deutsch-französischen Bürgerfonds, mit dem ohne viel Bürokratie deutsch-französische Projekte finanziert werden können.
Auch hat niemand mehr (Städte-) Freundschaften als Deutschland und Frankreich. Mit 2355 sind es in Frankreich mehr als doppelt so viele kommunale oder Städtepartnerschaften als etwa mit Großbritannien oder Italien. Die Bewegung deutsch-französischer Städtepartnerschaften wurde von einem Überlebenden des KZ Buchenwald gegründet: Lucien Tharradin machte 1950 als Bürgermeister von Montbéliard mit Ludwigsburg den Anfang.
4. Die Liebe kommt beim Sprachelernen
Es ist überliefert, dass im ersten Jahr des Élysée-Vertrages über 2000 deutsch-französische Ehen geschlossen wurden. Unzählige weitere Liebesgeschichten sind seither dazu gekommen. Im grenznahen Bundesland Saarland widmet sich eine Wanderausstellung diesen Liebesgeschichten. Zusammengestellt wurde sie von den Jungen Europäischen Föderalisten Saarland, die sich für mehr Zusammenhalt in Europa einsetzen.
All diese Paare haben sich bei Sprachkursen, Auslandsaufenthalten oder einem Schüleraustausch kennengelernt - also beim Kerngeschäft des deutsch-französischen Freundschaftsabkommens. "Der Spracherwerb ist zentral", sagt Tobias Bütow, einer von zwei Generalsekretären des internationalen Deutsch-Französischen Jugendhilfswerks (DFJW), der zentralen Organisation des Jugendaustausches: "Je mehr Austausch, umso besser der Spracherwerb. Gerade jetzt nach der Pandemie müssen wir uns wieder treffen."
Sowohl Deutschland als auch Frankreich kämpfen in den letzten Jahren allerdings mit rückläufigen Zahlen beim Erlernen der jeweils anderen Sprache. Die französische Regierung hat deswegen eine Vorgabe gesetzt: Das Ziel, so Bütow: "Bis 2030 plus 10 Prozent Lernende!" Um das zu schaffen, hat der DFJW im Herbst 2022 neue Strategien verabschiedet. So sollen zum Beispiel die ostdeutschen Bundesländer, die nie einen engen Frankreichbezug hatten, mehr eingebunden werden.
5: Muss es wirklich Liebe sein?
Die Deutschen lieben Frankreich... die Hauptstadt Paris, das Savoir vivre (deutsch: Kunst, gut zu leben), das Baguette, die Mode, die Kunst, das Essen, den Wein, das Mondäne, den Scharfsinn (und die Scharfzüngigkeit) französischer Intellektueller, die Literatur.
Die Franzosen sind laut einer repräsentativen Umfrage allerdings weniger euphorisch, wenn es um die Deutschen geht: "Respekt" ist das Wort, mit dem Franzosen ihr Verhältnis zu Deutschland zumeist beschreiben. Also eine leichte Asymmetrie in Sachen Leidenschaft. Immerhin: Auch Paarbeziehungen sind dann am langlebigsten, wenn sie im Kern wahre Freundschaft pflegen.
6. Pragmatismus und gemischte Gefühle zur Zukunft
Laut einer vom DFJW beauftragten Jugendstudie sehen die jungen Menschen in Frankreich und Deutschland die gesellschaftliche Zukunft eher düster: Zwei Drittel sind deutlich pessimistisch. Doch sie wollen sich engagieren, vor allem im Klimaschutz. Das Verhältnis von Frankreich und Deutschland sehen sie pragmatisch, aber zwei Drittel betonen, dass es für Europa ein besonders wichtiges Verhältnis ist.
7. Zu einer guten Partnerschaft gehören... drei
Sprach- und Kulturaustausch ist nicht nur eine Frage zwischen Deutschland und Frankreich, er muss internationaler gedacht werden. Zum einen sind beide Länder Einwanderungsgesellschaften, zum anderen leben die meisten Frankophonen heute nicht in Frankreich, sondern auf dem afrikanischen Kontinent. Zeit, dass aus dem Tandem ein Trio wird?
"Diversität und Partizipation hat bei uns seit 2015 höchste Priorität", betont Bütow. Das Ziel, dass jedes Jahr mindestens 20 Prozent junge Menschen mit besonderem Bedarf - also aus den unterprivilegierten Schichten - an den Programmen teilnehmen, hat das DFJW bisher immer übertroffen. Sie pflegen Diversitätsnetzwerke, die auch Jugendliche aus schwierigen Verhältnissen erreichen wollen. Sei es in den als Ghettos verschrienen "quartiers nord" in Marseille, der "Ile de France" rund um Paris oder Berlin-Marzahn. Das Wichtigste sei, zu Engagement zu befähigen, betont Bütow. Mitsprache, Mitmachen. Dann klappe es auch mit der Sprache und dem gegenseitigen Verständnis.