90 Jahre Bauhaus
24. März 2009Wer eine Nachbildung der berühmten Tischleuchte von Bauhauskünstler Wilhelm Wagenfeld erwerben möchte, der muss tief in die Tasche greifen. Rund 350 Euro kostet das gute Stück. Im Sinne der ursprünglichen Bauhausidee ist das nicht, denn die Produkte, die am Bauhaus entworfen wurden, sollten funktionell und kostengünstig sein. Doch dieser gute Vorsatz wurde bereits in den 20er Jahren nicht immer eingehalten. Die avantgardistischen Formen und Modelle entwickelten sich zu teuren Designerobjekten und der Architektur fehlte die "soziale Verankerung". So bemängelte der Maler Paul Klee damals: "Uns trägt kein Volk."
Walter Gropius wurde vorgeworfen, er habe einen "Bauhausstil" geprägt. Dagegen hat sich Gropius verwehrt. "Er hat immer gesagt, das Bauhaus ist eine lebendige Methode, die sich weiterentwickelt", betont Wolfgang Thöner von der Stiftung Bauhaus.
Das geistige Erbe zählt
So sehen es auch die "Erben", die Bauhaus-Universität in Weimar und die Stiftung Bauhaus in Dessau. Nicht die Produkte werden weiterentwickelt, sondern die Ideen. Das Bauhaus "nachspielen" will Rektor Gerd Zimmermann auf keinen Fall. Bauhauserbe bedeutet für ihn, die Qualitäten einer Kunsthochschule und einer technischen Universität zusammenzuführen: "Das ist die alte Bauhaus Idee, die wir jetzt zu einer neuen Idee an unserer Universität gemacht haben, die Idee Kunst und Technik zusammenzuführen." Die Studenten der Bauhaus-Universität lernen deshalb fakultätsübergreifend. Kunststudenten arbeiten zum Beispiel mit dem Werkstoff Beton, weil sie durch die Bauingenieure ganz neue Anregungen bekommen. Die Medienfakultät eröffnet Ingenieuren und Architekten digitale Möglichkeiten der Raumgestaltung.
Energiespar-Bauhaus
Für neue Technologien, wie etwa die Solartechnik, sollen an der Universität ästhetische Konzepte gefunden werden. "Die ästhetischen Voraussetzungen sind zum Teil die Bedingungen dafür, dass solche Technologien Akzeptanz finden können", meint Gerd Zimmermann. Architektonisch konnten die Bauhäusler in Weimar nur das "Haus am Horn", einen quadratischen weißen Bungalow, realisieren. Zur Expo 2000 ließ die Universität eine ganz Siedlung kubischer Bauten entstehen, allerdings nach neuesten umweltverträglichen Erkenntnissen energiesparend gebaut.
"Die Universität ist kein Museum!"
Das historische Bauhaus-Erbe ist im Universitätsgebäude selbst durchaus noch sichtbar. Wandgemälde von Herbert Bayer, einem Schüler Kandinskys, zieren die Flure. Im Archiv gibt es noch seltene Schriften von Johannes Itten sowie die original Alben, die Aufnahmen von Objekten zeigen, die am Bauhaus in Weimar gefertigt wurden. "Die Universität ist aber kein Museum", betont Archivarin Christiane Wolf. Wenn Studenten der "Eva"-Statue von Auguste Rodin, die im Eingangsbereich steht, für ein Projekt ein Bauhaus-Röckchen anziehen, dann drückt die Archivarin ein Auge zu: Auch solche "künstlerischen Freiheiten" gehören zum geistigen Erbe des Bauhauses.
"Jede Bauhaus-Interpretation ist eine streitbare Position"
Wer bereits ein abgeschlossenes Hochschulstudium hat, der kann an der Stiftung Bauhaus in Dessau ein Jahr zu einem bestimmten, meist städtebaulichen, Thema forschen. Auch in Dessau geht es nicht darum, das Bauhaus in seiner ursprünglichen Ausrichtung fortzuführen. Zur Zeit der Industrialisierung setzten sich die Bauhäusler mit der serienmäßigen Fertigung ihrer Produkte auseinander. Heute will der neue Leiter der Stiftung, Philipp Oswalt, sich den Fragen der nach-industriellen Entwicklung widmen. "Natürlich ist jeder Form der Aktualisierung des Bauhauses eine Interpretation und damit auch eine streitbare Position", räumt er ein.
Schrumpfende Städte
Zur nach-industriellen Entwicklung gehört auch die "Schrumpfung der Städte", mit der sich Philipp Oswalt seit einigen Jahren beschäftigt. In den "Werkstätten" der Stiftung wird zurzeit die internationale Bauausstellung "IBA Stadtumbau 2010" vorbereitet. Gerade in Ostdeutschland, wo viele Fabriken nach der Wiedervereinigung stillgelegt wurden, wandert Bevölkerung ab. Hier will die Stiftung neue Lebensräume gestalten. 19 Städte sind am IBA-Projekt beteiligt. "Wir haben eigentlich keine ostdeutsche Kommune, die in den letzten Jahren nicht zeitweilig über 10 bis 20 Prozent ihrer Bevölkerung verloren hat", betont Philipp Oswalt. Ein Beispiel ist die Stadt Aschersleben, die die Fassaden leerstehende Häuser an einer Umgehungsstraße von Künstlern gestalten ließ und so die erste "Drive Through Gallery" Deutschlands schuf.
Lebensräume gestalten
Auch Dessau, Sitz der Stiftung Bauhaus, nimmt am IBA Projekt teil. Hier entstand die Idee, Stadtinseln zu schaffen, die durch ein grünes Parkband verbunden werden. Wo heute leerstehende, öde Plattenbausiedlungen das Bild prägen, sollen in den nächsten 20 Jahren Grünflächen entstehen. Jeweils 400 Quadratmeter große Parzellen verwandeln sich in Wiesenstücke, teils mit Eichen bepflanzt. Die sogenannten "Claims" können aber auch individuell von Bürgern gestaltet werden.
Geschichte aufarbeiten
Neben der "Akademie" und den "Werkstätten" gibt es in der Stiftung Bauhaus Dessau noch die "Sammlung", deren Mitarbeiter sich um die Geschichte und die Rezeption des Bauhauses kümmern. Das dunkle Kapitel der nationalsozialistischen Vergangenheit bleibt dabei nicht außen vor. Obwohl das Bauhaus in Dessau in vorauseilendem Gehorsam 1932 als "undeutsche Schule" geschlossen wurde, haben einige der Bauhäusler in der Anfangszeit noch versucht, sich mit den Nationalsozialisten zu arrangieren, erläutert Wolfgang Thöner, Leiter der Sammlung: "Ich will nicht sagen, dass sich Walter Gropius dem Nationalsozialismus angenähert hat, aber er hatte keine Probleme, bis 1935 an eindeutig nationalsozialistisch ausgerichteten Wettbewerben teilzunehmen. So hat er etwa ein 'Haus der Arbeit' mit jeder Menge wehenden Hakenkreuzfahnen entworfen."
Bauhaus für das Volk
Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr das Bauhaus eine recht widersprüchliche Rezeption. In Zeiten des Kalten Krieges war es der DDR Regierung zu "kosmopolitisch imperialistisch". So wurden viele der Bauhausgebäude in Dessau erst ab Mitte der 70er Jahre restauriert. Philipp Oswalt will diese Bauhausbauten, die mittlerweile unter dem Schutz der UNESCO stehen, Besuchern in Zukunft verstärkt zugänglich machen: "Der Architektur- und Bildungstourismus ist für die Stiftung ein wichtiger Faktor. Es gibt bereits jetzt schon über 100 000 Besucher im Jahr, da sehe ich die Chance, Inhalte über das Bauhaus zu vermitteln."
Auf diese Weise trägt die Stiftung Bauhaus dazu bei, das Bauhaus 90 Jahre nach seiner Gründung doch noch ganz "volksnah" zu gestalten.
Autorin: Gaby Reucher
Redaktion: Cornelia Rabitz/ CP