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Lösungen gesucht

12. März 2012

Fast zwei Milliarden Menschen haben keinen Zugang zu Trink- und Abwasserversorgung. DW hat mit dem Vize-Präsidenten des Weltwasserrates, Benedito Braga, über Lösungsideen und die Themen des Forums gesprochen.

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Girls fill plastic basins at a free water tap operated by a charity organization, in a neighborhood where houses with indoor plumbing rarely receive water, in Bissau, Guinea-Bissau, Friday, March 6, 2009. Electricity and water supplies are insufficient to meet even the capital city's needs, and contaminated drinking water leads to yearly cholera epidemics, particularly in remote rural regions. (AP Photo/Rebecca Blackwell)
Bild: AP

Vom 12. bis 17. März findet in Marseille das 6. UN-Weltwasserforum statt. Delegationen aus 180 Ländern nehmen an der weltweit größten Veranstaltung zum Thema Wasser teil, die seit 1997 alle drei Jahre vom Weltwasserrat organisiert wird. Ihm gehören Wissenschaftler, Organisationen und internationale Wasserkonzerne an. Der Vizepräsident des Weltwasserrates, der Brasilianer Benedito Braga, ist Vorsitzender des Internationalen Komittes des Weltwasserforums. Im DW-Interview äußert es sich zur Idee eines globalen Fonds zu Wasserversorgung.

Deutsche Welle: Was ist das Hauptthema dieses Weltwasserforums?

Benedito Braga, Vorsitzender des Internationalen Komitees des 6. Weltwasserforums
Benedito Braga, Vorsitzender des Internationalen Komitees des 6. WeltwasserforumsBild: World Water Forum

Benedito Braga: Beim diesjährigen Forum konzentrieren wir uns darauf, Lösungen für die Wasserprobleme zu finden. Der Slogan lautet "Time for Solutions" (Zeit für Lösungen). Im Hinblick auf die Prioritäten gibt es zwölf Themen. Ich hebe hier den Zugang zu sauberem Trinkwasser und zu sanitären Anlagen als ein Menschenrecht hervor. Außerdem befassen wir uns mit den Katastrophen, die mit Wasser im Zusammenhang stehen, besonders Überschwemmungen und Dürren. Die potenziellen Klimaveränderungen können zu häufigeren und gravierenderen Überschwemmungen und längeren Dürreperioden führen. Außerdem hebe ich die Frage der Wassersicherheit hervor, besonders bei Flüssen, deren Wasser sich zwei oder mehr Länder teilen. Sehr wichtig wird auch die Diskussion über die Finanzierungsmechanismen sein, die notwendig sind, um die Ziele zu erreichen.

Inwiefern ist Zugang zu Wasser in den letzten Jahren schwieriger geworden?

Allgemein gab es beim Zugang zum Wasser in den letzten zehn Jahren Fortschritte. Aber in Afrika, in Südostasien und in Lateinamerika ist der Zugang noch sehr begrenzt. Hinsichtlich der sanitären Anlagen sind wir weit entfernt von den Milleniumszielen, die im Jahr 2000 von den Vereinten Nationen festgelegt wurden und denen zufolge die Anzahl der Menschen ohne Zugang zu Wasser und sanitären Anlagen bis 2015 um die Hälfte reduziert werden soll. Heute haben fast zwei Milliarden Menschen keinen Zugang zu sanitären Anlagen und zwischen 800 Millionen und 900 Millionen haben keinen Zugang zu Trinkwasser.

Grundlage für die Verbesserung der Versorgung mit sanitären Anlagen ist zunächst einmal der Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Behörden geben stets der Versorgung mit Trinkwasser Vorrang vor dem Ausbau von Sanitäranlagen, das ist logisch. Außerdem ist es eine Frage der Finanzierung. Die Systeme für sanitäre Anlagen sind kostspielig, und in Ländern mit finanziellen Schwierigkeiten müssen die Regierungen Entscheidungen treffen.

Ein Frau in einem Slum in Afrika kniet neben einem offenen Abwasserkanal hinter ihrer Hütter - Zwei Millionen Menschen haben keinen Zugang zu Sanitäranlagen (Foto: dpa)
Zwei Millionen Menschen haben keinen Zugang zu SanitäranlagenBild: picture-alliance/dpa

Eines der Themen des Forums ist es, die Vorteile von Investitionen in sanitäre Anlagen aufzuzeigen, denn diese Investitionen schaffen Arbeitsplätze und reduzieren Armut. Sanitäre Anlagen sind ein Sektor, der in den weniger entwickelten Ländern am meisten Arbeitsplätze für gering qualifizierte Arbeitskräfte schafft. Und er bringt Vorteile für die öffentliche Gesundheit. Krankheiten, die über das Wasser übertragen werden, verursachen am häufigsten den Tod von Kindern. Die Kindersterblichkeit sinkt erheblich, wenn in den Städten Kanalisation vorhanden ist. Ein anderer Vorteil wäre die Reinigung von städtischen Flüssen.

Hat das Forum auch zum Ziel, in diesen Punkten mehr Verantwortung von den Regierungen zu fordern?

Das Forum versammelt Vertreter aus Politik, Technik, Wissenschaft und anderen Berufen. Es ist eine Möglichkeit für die Entscheidungsträger einige Optionen zu prüfen und Lösungen für unterschiedliche Problemen zu finden. Es ist nicht die Absicht des Forums, den Zeigefinger zu erheben. Jeder weiß selbst am besten, wo der Schuh drückt.

Wir wollen hier Ingenieure und Techniker mit Politikern zusammen bringen. Oft ist es doch so, dass Politiker etwas unternehmen wollen, aber nicht wissen, wie sie an die Probleme herangehen sollen. Manchmal ist ein Ausweg bekannt, aber er ist aus Gründen des Umweltschutzes oder aus gesellschaftlichen Gründen kompliziert. So bringen wir eine große Auswahl von Fachkräften zusammen, die an diesen Themen arbeiten und innovative Ideen mitbringen.

Die politische Klasse ihrerseits kann aber auch auf Erfolge verweisen. Es werden Regierungsvertreter, lokale Akteure, Bürgermeister und Gouverneure anwesend sein. Es wird auch eine Parlamentarier-Konferenz geben, denn ohne Gesetze und Vorschriften können wir keine öffentliche Politik durchsetzen.

Hütten aus Wellblech und Müll auf Stelzen über verschmutztem Gewässer in Manila - Unkontrolliertes Städtewachstum entlang von Flussufern erhöht die Überschwemmungsgefahr (Foto: dpa)
Unkontrolliertes Städtewachstum entlang von Flussufern erhöht die ÜberschwemmungsgefahrBild: picture-alliance/dpa

In welchem Maße ist der aktuelle Prozess der Urbanisierung in der Welt besorgniserregend?

Eines unserer wichtigsten Themen ist die Veränderung in der urbanen Umwelt. Wir sind extrem besorgt über das rasante Städtewachstum in der Welt. In Lateinamerika leben heute 85 Prozent der Bevölkerung in urbanen Gebieten. Ähnlich ist die Entwicklung in Asien. 2050 wird bereits die Hälfte der Bevölkerung in Städten leben, heute sind es in Asien erst 30 Prozent.

Diese Entwicklung wird weitere Probleme nach sich ziehen. Viele Überschwemmungen heutzutage haben damit zu tun, dass Wohngebiete in gefährdeten Gebieten liegen. Ein Beispiel ist das Ballungsgebiet São Paulo. Dort gibt es an den Ufern der Flüsse Tietê, Pinheiros und Aricanduva kein bisschen Platz mehr. So verhält es sich auch in Bangladesch, in Mumbai, in allen großen Städten der weniger entwickelten Welt und der Schwellenländer, wie Indien und Brasilien.

In São Paulo gibt es riesige Favelas am Flussufer. Die Stadt arbeitet daran, die Menschen umzusiedeln, aber es ist nicht einfach, es ist eine extrem komplexe soziale Angelegenheit. Die Verstädterung ist ein Problem, das in Zukunft noch komplizierter werden wird, wegen der Überschwemmungen, die durch die potenziellen Klimaveränderungen ausgelöst werden.

Fehlt es in diesen Fällen an notwendigen Investitionen in Infrastruktur?

Es gibt die Idee, dass die reichen Länder einen Fonds gründen, einen Fonds für Wasser und Gesundheit. Die Unternehmen der reicheren Länder hätten die Möglichkeit, diesen Fonds zu nutzen, um in den ärmeren Ländern die nötige Infrastruktur aufzubauen. Damit hätte man eine Win-win-Situation, mit Vorteilen für beide Seiten: Die Industrie der Geberländer würde profitieren, weil sie über die Mittel verfügen kann. Und auch die armen Länder würden profitieren, weil sie Infrastruktur bekommen und auch das notwendige Know-how für die anschließende Instandhaltung und den Betrieb der Infrastruktur.

Das hilft, die Situation der reichen Länder zu verbessern, die heute finanziell nicht so gut dastehen, und es verbessert die Lebensqualität der Menschen in den ärmeren Ländern. Heute ist die Entwicklungshilfe eine Einbahnstraße: Die Gebeländer stellen Finanzmittel zur Verfügung und haben anschließend keine Kontrolle über die Verwendung der Gelder in den Empfängerstaaten. Deswegen ist dieser Prozess heute auf Abwegen.

Die reichen Länder in Europa, die USA und Japan stehen vor großen finanziellen Problemen und stellen diese Art der einseitigen Entwicklungshilfe zunehmend in Frage. Spanien zum Beispiel hat bereits beschlossen, seinen Entwicklungsetat um mehrere Milliarden Euro zu kürzen. So ein Fonds könnte vielleicht ein Weg sein, die Industrie der reichen Länder anzukurbeln und gleichzeitig den armen Ländern zu helfen, anstatt einfach die internationale Hilfe zu kürzen. Die Gründung eines solchen Fonds wird hier auf dem Forum zum ersten Mal besprochen werden.

Interview: Mariana Santos
Redaktion: Alexandre Schossler / Mirjam Gehrke