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Ablenkung auf Amerikanisch

Frank Sieren2. Juni 2014

Die USA haben fünf chinesische Offiziere auf ihre Fahndungsliste zur Cyberspionage gesetzt. Doch dieses Manöver ging nach hinten los, meint DW-Kolumnist Frank Sieren.

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USA NBC Nightly News Interview mit Edward Snowden in Moskau (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Edward Snowden gab vergangene Woche sein erstes Interview im US-Fernsehen. Und was der Whistleblower dem Sender NBC da anvertraute, dürfte ihm in der Heimat viel Sympathie eingebracht haben. Snowden gab den Patrioten und sagte, er habe mit seinen Enthüllungen dem Land einen Dienst erweisen wollen. Er attestierte den Mitarbeitern der amerikanischen Geheimdienste, sie würden ausgezeichnete Arbeit machen. Nur die Führungsebene der Dienste sei das Problem. Es gebe dort Menschen, die sich immer wieder über das Gesetz hinwegsetzten und Überwachungsprogramme gestartet hätten, die nicht der Verfassung entsprächen. Er, Snowden, habe in den vergangenen Monaten die Welt mit Geheiminformationen gefüttert, weil er wolle, dass Amerika ein freies Land bleibt.

In Washington dürfte man schon vor der Ausstrahlung geahnt haben, dass das Snowden-Interview kein gutes Licht auf die Regierung werfen würde. Und im Nachhinein wird wohl auch die Regierung einsehen, dass das Ablenkungsmanöver allenfalls in Amerika funktioniert hat, international aber nach hinten losgegangen ist.

Durchsichtiges Ablenkungsmanöver

Denn es wird kein Zufall gewesen sein, dass nur drei Tage bevor Staatsfeind Snowden im Interview über die weltweite Cyberspionage seines Landes spricht, die USA einen handfesten Streit mit China anzetteln und gegen gleich fünf chinesische Offiziere Haftbefehl erlassen. Der Vorwurf: Cyberspionage. Die fünf Hacker sollen der mittlerweile bekannten Einheit 61398 der Volksbefreiungsarmee angehören. Schon vor einem Jahr wurde enthüllt, dass diese Hackertruppe aus einem Hochhaus in Pudong, dem Wirtschafts- und High-Tech Stadtteil Shanghais, über 140 Angriffe auf US-Unternehmen gestartet haben soll.

Frank Sieren (Foto: privat)
Sieren: US-Anklage gegen Chinas Cyber-Truppe ging nach hinten losBild: Frank Sieren

Abgesehen hatten die Chinesen es auf Geschäftspläne, Kontaktlisten und gesamte E-Mail-Konten der obersten Etagen. Und eins wurde dann auch noch klar: Bei den Datenmengen, die China sammelte, müssten hinter den fünf Angeklagten hunderte Mitarbeiter stehen, um die Arbeitsschritte von der Technik bis zur Übersetzung bewältigen zu können. Natürlich werden sich die nun angeklagten Offiziere, solange sie nicht in die USA einreisen, niemals für diese Vorwürfe vor einem Gericht verantworten müssen.

Doch die Intonation dieser Aktion könnte unmissverständlicher nicht sein: Egal was dieser College-Abbrecher Snowden noch so alles ausplappert, die wahren Cyberkriminellen sind nicht wir, sondern sitzen noch immer in China! In Peking weiß man natürlich, dass die USA längst über keinen Verbündeten mehr verfügen, der Washington diese simple Teilung der Welt in Gut und Böse noch abkaufen würde. Wenig verwunderlich, dass selbst die US-Presse sich bei diesem Thema mit Kritik an China zurückhält. Zu frisch sind die Enthüllungen Snowdens und die damit losgetretene Welle der Empörung weltweit darüber, dass die USA bei ihren Spähaktionen unter anderem auch das Mobiltelefon der deutschen Kanzlerin angezapft hatten. Von den Computernetzwerken der chinesischen Regierung und des größten chinesischen Netzwerkanbieters Huawei mal ganz zu schweigen.

Pekings Reaktion bekommt auch Microsoft zu spüren

Dementsprechend selbstbewusst reagierten nun die Chinesen auch auf die Anklage ihrer Offiziere und gingen zumindest bei diesem Schlagabtausch klar als Sieger vom Platz. Dass Peking den US-Botschafter einbestellte, ist ein diplomatischer Routineakt. Schon seit einiger Zeit dürfen staatliche Firmen in China nicht mehr mit US-Beraterfirmen wie McKinsey und Boston Consulting zusammenarbeiten. Und als Antwort auf die jüngste Provokation zeigte Peking zwei weiteren US-Firmen die rote Karte. Chinesische Banken sollen künftig keine IBM-Server mehr nutzen, weil diese zu unsicher seien. Noch folgenschwerer dürfte die Ankündigung sein, dass die Regierung künftig in keiner Behörde des Landes mehr das Betriebssystem Windows 8 benutzen will, weil es zu viele Sicherheitslücken habe.

Nicht nur für Washington, sondern auch für die Microsoft-Manager in Redmond war es also eine äußerst schwarze Woche. Denn mit der chinesischen Regierung dürfte sich nun einer der wenigen Kunden von Microsoft in China verabschiedet haben, der den Konzern tatsächlich für seine Software bezahlt hat. Schließlich greift man dort noch lieber auf Raubkopien des Betriebssystems zurück, die an jeder Straßenecke verkauft werden.

Unser Korrespondent Frank Sieren gilt als einer der führenden deutschen China Spezialisten. Er lebt seit 20 Jahren in Peking.