Abriss Ostmoderne
2. August 2009Dieses Jahr ist Deutschland in heftiger Feierlaune. Erst waren es 60 Jahre Grundgesetz, jetzt feiert das 1919 in Weimar gegründete Bauhaus 90. Geburtstag.
Während man das Bauhaus in Sektlaune feiert, dürfte den Wenigsten bewusst sein, das nach 1945 ein ehemaliger Bauhaus-Schüler wie Selman Selmanagić in der DDR eine unverkennbare architektonische Moderne geschaffen hat - die man nach der Wende häufig dem Erdboden gleichgemacht hat.
Bis Mitte der 1960er Jahre wurde die DDR von Bauten geprägt, die auch im internationalen Kontext Beachtung fanden - und die natürlich hervorragende Zeitzeugnisse waren.
An den Bauten kann man die Lebensräume und Umstände der Menschen in der DDR verstehen. Stumme Zeitzeugen, die viel über das Leben im anderen Deutschland erzählen würden - wenn sie denn noch stünden.
Das Stadion der Weltjugend wurde nach Plänen der Architekten Reinhard Lingner und Selman Selmanagić in Berlin-Mitte gebaut. Bereits nach 120 Tagen Bauzeit war am 20. Mai 1950 Eröffnung. Ironischerweise wurde dabei viel Schutt des gesprengten Berliner Stadtschlosses verbaut. Das Schloss soll wieder aufgebaut werden, dass Stadion wurde in den 1990er Jahren abgerissen – im Rahmen der Olympiabewerbung für die Spiele 2000. Diese fanden dann aber in Sydney statt.
Auf dem Gelände entsteht momentan ein Neubau – für den Bundesnachrichtendienst.
Die Gaststätte Ahornblatt auf der Berliner Fischerinsel darf man zu den experimentellsten Bauten der DDR zählen. Ein expressionistischer Bau von Ulrich Müther, der an ein sechseckiges Blatt erinnert. Eine Perle der DDR-Architektur und bis dato weltweit einzigartig. Trotz zahlreicher Proteste wurde es 1999 abgerissen - um an dieser Stelle einen Büro- und Hotelbau hinzustellen, wie es ihn in jeder Kleinstadt gibt. Der Abriss stellt in den Augen von Experten einen nicht wieder gutzumachenden Frevel dar.
Das Kino International in der Karl Marx Allee war das größte Premierenkino in der DDR. Fast schwerelos thront das Kino auf einem grazilen Sockel. Rechts davon befindet sich das berühmte Café Moskau. Das 1961-63 entstandene Ensemble wirkt wie ein Gruß aus einer Weltstadt - gesellschaftliche Bauten die, als Antwort auf die Internationale Bauausstellung im Westberliner Hansaviertel, zwischen 1959 und 1967 entstanden.
Hinter dem Kino stand das Hotel Berolina - bereits abgerissen. In dem Neubau befindet sich das Rathaus von Berlin-Mitte.
Ein Bau-Ensemble fast mit utopischem Charakter: Das Versorgungszentrum der Waldsiedlung in Hermsdorf. Es zeigt ein wabenförmig angeordnetes Dienstleistungszentrum, das den Eindruck von Wohlstand vermittelt. So als wolle man der Welt beweisen, dass der Sozialismus ein freies und demokratisches Gemeinwesen sei. Typisch sind auch die im Plattenbaustil erbauten Hochhäuser im Hintergrund. So, als wolle man Monotonie und Gleichförmigkeit vermeiden, werden die Häuser in verschiedenen Grundformen angeordnet.
Das Filmtheater Odeum mit der Milchbar Esplanade steht im Ostberliner Bezirk Pankow. Klare Linien, leichte Konstruktion, großflächige Fensterfronten geben dem Bau ein großstädtisches Flair. Ein Bau, der dem Betrachter von dem Ende der Nachkriegsnot berichtet und Weltoffenheit präsentiert, jahrzehntelang fast im direkten Schatten der Berliner Mauer. Heute ist das Filmtheater kaum noch zu erkennen.
Heute ist vom Palast der Republik nicht ein Stein mehr zu sehen. Mit dem Vorzeige-Bau auf dem Schlossplatz in Berlin musste auch vielleicht das Symbol der DDR schlechthin daran glauben.
Er beherbergte seit 1976 mit der Volkskammer das Parlament der DDR, wurde aber auch als Kulturhaus genutzt. 2003 beschloss der Bundestag den Abriss – nach erfolgter Asbestsanierung. Proteste aus dem In- und Ausland blieben ohne Erfolg. Der Petitionsausschuss des Bundestages behandelte 880 Einwände gegen den Abriss, die allesamt abgelehnt wurden. Immerhin: Die Kellergeschosse bleiben vollständig erhalten - und sollen bei einer Neubebauung genutzt werden.
Autor: Christoph Richter
Redaktion: Oliver Samson