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Im Abschiebungsgefängnis

Karin Jäger23. März 2013

Sie sind nicht straffällig geworden und sitzen doch eingesperrt hinter Mauern, Zäunen und Stacheldraht: Menschen, deren Asylgesuch in Deutschland abgelehnt wurde und die in ein anderes Land abgeschoben werden sollen.

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Verkehrsschild auf dem Parkplatz vor der JVA für Abschiebungshäftlinge Büren, 15.03.2013; Copyright: DW/K. Jäger
Bild: DW/K. Jäger

"Keine Fotos und keine Interviews von Gefangenen." Das waren die Auflagen des nordrhein-westfälischen Innenministeriums zu meinem Besuch des größten Gefängnisses für Abschiebungshäftlinge in Europa. Zu viele Kamerateams hätten in der Vergangenheit ungefragt die oft eingeschüchterten Häftlinge gefilmt, um möglichst sensationslüsterne Aufnahmen nach draußen zu transportieren, ist die Ansage. Nahe der Autobahn zwischen Dortmund und Kassel liegt die Justizvollzugsanstalt (JVA) Büren, in einer ehemaligen NATO-Kaserne, mitten im Wald.

Von links: Marc Husemann, Verwaltungsleiter der JVA für Abschiebehäftlinge Büren, Hubert Stenzel, Bereichsleiter Hafthaus für weibl. Gefangene, Thomas Bongartz, Betreuungs-Koordinator eines Hafthauses, 15.03.2013; Copyright: DW/K. Jäger
Marc Husemann (li.) Hubert Stenzel und Thomas Bongartz (re.)Bild: DW/K. Jäger

Die Hafträume, die für 535 Insassen Platz bieten, sind in den ehemaligen Soldatenstuben eingerichtet und daher größer als gewöhnliche Zellen, erfahre ich von Marc Husemann, dem Vollzugsabteilungsleiter und den Beamten Thomas Bongartz und Hubert Stenzel. Justizvollzugsbeamter Stenzel schließt die erste Tür auf und hinter uns wieder ab. Dieses Ritual wird sich an dem Tag noch x-mal wiederholen.

Sinn der Abschiebehaft

Draußen im Hof, in einiger Entfernung, bewegen sich Menschen durch einen abgezäunten Gang, im Kreis. Es ist später Vormittag, da dürfen die Insassen raus, 101 Männer und sieben Frauen - streng getrennt voneinander. "Es würde nichts bringen, wenn sich hier Menschen aneinander binden, die dann getrennt in ihr jeweiliges Herkunftsland abgeschoben werden", erzählt Thomas Bongartz.

Dann erfahre ich, dass einige im grenznahen Bereich ohne Dokumente aufgefangen wurden. Manche haben einen Asylantrag in einem EU-Staat gestellt, dort hätten sie sich auch aufhalten müssen. Die anderen landeten hinter Gittern, nachdem ihr Asylverfahren abgeschlossen, ihr Antrag abgelehnt wurde, sie aber nicht freiwillig ausreisen wollten. Bis zu 18 Monate dürfen Asylbewerber, deren Antrag auf Verbleib in Deutschland abgelehnt wurde, hier festgehalten werden. Die meisten bleiben weniger als 40 Tage. Bis dahin wird ihre Identität geklärt. Dann können sie abgeschoben werden.

Die Menschen, deren Asylbegehren abgelehnt wurde, werden in ihr Heimatland geschickt oder in einen sicheren Drittstaat meist innerhalb Europas, dort, wo sie zuletzt nachvollziehbare Spuren hinterlassen haben. "Sinn der Abschiebehaft ist, dass die Gefangenen nicht in Deutschland untertauchen können", erklärt Marc Husemann.

"Es ist nicht so, dass hier Leute sind, die absolut nicht nach Hause wollen und die mit Gewalt nach Hause gebracht werden müssen. Die meisten gehen, nachdem sie alle Verfahren abgeschlossen haben, problemlos nach Hause." Dass sind in der Regel Wirtschaftsflüchtlinge, die eingesehen haben, dass sie hier keine Chance haben als politischer Flüchtling anerkannt zu werden, sagt sein Kollege Bongartz.

Flucht ist kein Verbrechen

Inzwischen sind wir im Sanitätsbereich angelangt. Hier herrscht große Aktivität: Alle Gefangenen werden nach der Einlieferung und vor der Abschiebung eingehend medizinisch untersucht. "Viele kommen aus Ländern mit schlechter Gesundheitsversorgung, sie haben aufgrund der Reisestrapazen, dem Leben auf der Flucht ohne Obdach oder im Untergrund in Deutschland ein geschwächtes Immunsystem", erzählt Pflegedienstleiter Michael Cencyk.

Vogelhäuschen, die von Abschiebungshäftlingen in der JVA Büren bemalt werden, 15.03.2013; Copyright: DW/K. Jäger
Die Zeit totschlagen - mit Bemalen von VogelhäusernBild: DW/K. Jäger

Es gibt auch Insassen, die suizidgefährdet sind, "dann werden Sicherungsmaßnahmen ergriffen", fährt Cencyk fort, "zum Wohle des Gefangenen, damit er ohne Probleme die Zeit hinter Gittern überstehen kann." Dazu zählt die Arbeitstherapie - verharmlosend Workshop genannt. In einem Gruppenraum bemalen Häftlinge von Hand bunte Vogelhäuschen, die dann im "Knastladen" verkauft werden. "Alles einfache Tätigkeiten, weil wir wegen der kurzen Verweildauer keine komplizierten Anlernkurse veranstalten können", erklärt Josef Dohle in der Werkstatt. Die Insassen sind zur Arbeit nicht verpflichtet - im Gegensatz zu Strafgefangenen. 15 Euro bekommen sie pro Tag für ihre Tätigkeiten. Daher sei die Akzeptanz zur Arbeit sehr hoch, aber auch, weil es mehr Abwechslung bringe als "beim Fernsehgucken in der Zelle."

Viel Freizeit im Abschiebeknast

Abschiebehäftlinge können täglich von 8 bis 18 Uhr, außer samstags, Besuch empfangen - im Gegensatz zu Strafgefangenen, deren Besuch auf zwei Stunden pro Monat beschränkt ist. 16 Euro dürfen die Inhaftierten pro Besuch erhalten für Zusatznahrung, Pflegeprodukte oder eine Telefonkarte. Denn über die Fernsprecher in den Fluren dürfen sie frei telefonieren.

"Wir sind nicht gegen die Menschen, sagt Thomas Bongartz, "das würde man ja sonst gar nicht aushalten." Wichtig sei es, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, zum eigenen Schutz, aber auch um den Menschen eine Perspektive zu geben - und sei es nur für den nächsten Tag, fügt Hubert Stenzel hinzu.

Freizeitprogramm zur Ablenkung

Die Verpflegung wird von außen angeliefert. Muslimische schweinefleischlose Kost ist Standard. Aber die Anstaltsleitung stellt sich auf Wünsche und Gewohnheiten ein. In einem Raum wird Deutsch gelehrt - auf Wunsch der Insassen, erzählt der Freizeitkoordinator der JVA, Andreas Göddecke. "Wir haben von 8 bis 18 Uhr Programm." In der Bibliothek füllen Kochbücher, Reiseführer und Erotikliteratur die Regale - 3500 Medien in 20 Sprachen. Eine Sporthalle soll demnächst gebaut werden. So lange stehen Kicker, Billardtisch, Tischtennisplatte und Kraftgeräte verteilt in mehreren Räumen. Ein einzelner Mann mit kurz geschorenem Schopf stemmt Gewichte. "Aggressionen sind aufgrund der schwierigen Haftsituation verständlich und deshalb haben wir das Angebot im Kraftsport ausgebaut. Die Leute können ihre Muskeln spielen lassen, so dass der soziale Frieden in der Anstalt sichergestellt ist", sagt Göddecke.

Hafthäuser und Sportplatz der JVA für Abschiebehäftlinge Büren, 15.03.2013; Copyright: DW/K. Jäger
Sportplatz und Hafthäuser in der JVA BürenBild: DW/K. Jäger

Inzwischen sind wir in der Frauenabteilung angekommen. Viele weibliche Gefangene wurden ohne Papiere nach Deutschland gebracht und zur Prostitution gezwungen. Vollzugs-Abteilungsleiter Marc Husemann hat beobachtet, dass Häftlinge, die einmal in ihren Länden in Haft waren, sich bevorzugt mit anderen eine Zelle teilen. "Sie fühlen sich sicherer, als wenn sie alleine eingeschlossen sind", so Husemann.

Wandgemälde eines Insassen in der JVA für Abschiebehäftlinge Büren, 15.03.2013; Copyright: DW/K. Jäger
Wandmalerei - das Werk eines GefangenenBild: DW/K. Jäger

Bollywood in der Zelle

Bei Fortbildungskursen haben die Beamten sich ihre interkulturelle Kompetenz erworben: "Wir feiern hier zwei, drei Mal Neujahr, verschiedene Gottesdienste finden hier statt. All das ist aber im Laufe der Jahre erst gewachsen", sagt Hubert Stenzel. Man sei anfangs davon ausgegangen, dass die Leute nach zwei Wochen wieder weg seien. Dann habe man gemerkt, die Verfahren seien nicht so schnell beendet. So entstand über die Jahre ein Angebot für Freizeit und Religionsausübung. Von Beginn an dabei hatten die Beamten die großen Schlüssel, mit denen sie die Zellen um 21 Uhr verriegeln. Danach können sich die Häftlinge drinnen weiter übers Fernsehen berieseln lassen mit 30 internationalen Programmen. Sie sollen doch den Bezug zu ihrem Heimatland nicht verlieren.