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Abschiebung trotz Aids

Nadine Wojcik18. Juli 2007

Aids schützt bislang nicht vor Abschiebung: Da die Behandlungsmöglichkeiten in ihren Heimatländern oft schlecht sind, droht HIV-infizierten Migranten dort der schnelle Tod. Ob sie hier bleiben dürfen, wird diskutiert.

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Frau verdeckt ihr Gesicht mit der rechten Hand, Quelle: AP
Die drohende Abschiebung lässt manche Migranten verzweifelnBild: AP

Für Maureen beginnt das Leben alle drei Monate neu – mit einem Gang zur Ausländerbehörde. Denn in Deutschland ist die Kenianerin nur geduldet, das heißt ihre Abschiebung wird immer wieder aufs Neue verschoben. Und das obwohl sie schwerkrank ist: Maureen hat AIDS und ist seit mehreren Jahren in Therapie.

Iris Hufnagel von der AIDS-Hilfe in Frankfurt am Main begleitet die Kenianerin schon einige Jahre. "Wenn ich mit ihr zur Ausländerbehörde gehe, dann hat sie die Nacht vorher nicht geschlafen, sie ist fix und fertig, weil sie Sorge hat, dass sie direkt in Abschiebehaft genommen werden könnte," berichtet die Sozialarbeiterin.

Ein türkisches Paar wird hinter einer Glasscheibe, auf der "Ausländerrecht" steht beraten, Quelle: AP
Migranten informieren sich über ihre RechteBild: AP

Warteschleife Ausländerrecht

Wie Maureen leben zurzeit rund 170.000 Ausländer in Deutschland, die seit mehr als 15 Jahren hier sind und nur geduldet werden. Grundsätzlich sind diese Menschen dazu verpflichtet, Deutschland zu verlassen. Aus humanitären Gründen dürfen sie zunächst bleiben, da sie in ihrem Heimatland Verfolgungen ausgesetzt wären. Trotzdem droht jederzeit die Abschiebung: Ihr Aufenthaltsrecht wird meist immer nur um ein Vierteljahr verlängert.

Maureen führt ein Leben in der Warteschleife des deutschen Ausländerrechts. Seit über fünf Jahren prüfen die Behörden ob – so der Wortlaut des Aufenthaltgesetzes – eine "erheblich konkrete Gefahr für Leib und Leben besteht", wenn sie Maureen abschieben. Geprüft wird also, ob Maureen in Kenia sterben müsste, weil sie in ihrem Heimatland nicht ausreichend behandelt werden könnte. Die Deutsche Botschaft in Nairobi verneint dies: "Aids-Erkrankungen können ohne Weiteres in Kenia behandelt werden."

Nahaufnahme: am Finger eines Afrikaners wird Blut abgenommen, Quelle: dpa
Diagnose: Aids. Einige Migranten erfahren erst in Deutschland von ihrer KrankheitBild: dpa

Probleme einer Therapie

Die Therapie ist zwar teuer, doch mit einer Unterstützung von 200 Euro im Monat möglich. Was nach einer guten Lösung klingt, geht für Iris Hufnagel an der Realität vorbei. "Ich kann mir das überhaupt nicht vorstellen", sagt sie. "Wie soll sie dort Medikamente nehmen, wenn es an anderem fehlt?" Abgesehen davon würde für die Kenianerin die Gefahr bestehen, wegen der wertvollen Medikamente überfallen zu werden, glaubt Hufnagel.

Weitere Probleme sieht die Sozialarbeiterin darin, dass die Therapie ein Privileg bedeutet: "In der Familie zu sitzen mit der Vorstellung, der Bruder ist auch positiv und er kriegt die Medikamente nicht... Das ist alles absurd vom Konstrukt her."

Debatten auf Kosten der Kranken

Was eine Gefahr für Leib und Leben ist, wird von den deutschen Verwaltungsgerichten unterschiedlich interpretiert. Ist der Abbruch einer Aids-Behandlung eine solche Gefahr? Einige Gerichtsurteile bestätigen dies. Andere hingegen argumentieren, dass ein Behandlungsabbruch nicht unmittelbar zum Tod führt, sondern nur mittelbar. Das heißt: Da eine Aids-Erkrankung langwierig ist und nicht direkt zum Tod führt, besteht eben auch keine direkte Lebensgefahr.

Volker Beck von den GRÜNEN findet es unzumutbar, dass diese juristischen Fragen auf Kosten der Betroffenen diskutiert werden. Er sieht die Gruppe als doppelt stigmatisiert: "Es sind Migranten, meist mit unsicherem Aufenthaltstatus, und dazu haben sie noch eine Krankheit, die gesellschaftlich zur Ausgrenzung führt."

Gerade weil die Zahl der Betroffenen nicht sehr groß sei, könnte man nach Ansicht Becks "humanitärer handeln, als wir das gegenwärtig machen, ohne dass es zu nennenswerten Kosten führen würde." Trotzdem handle man hier sehr restriktiv.

Angst vor Migranten-Welle

Erkennt man AIDS als Abschiebehindernis an – so die allgemeine Befürchtung – gäbe man vielen afrikanischen AIDS-Erkrankten einen freien Schein nach Deutschland zu kommen. Doch diese Angst ist unbegründet, sagt Volker Beck. Erstens gilt die Drittstaatenregelung, so dass ein Asylbewerber in das europäische Mitgliedsland zurückgeschickt wird, durch welches er eingereist ist. Zweitens würde die Mehrzahl der Asylbewerber erstmals in Deutschland von ihrer Krankheit erfahren.

Im Vordergrund drei Flaschen mit Medikamenten, dahinter eine Afrikanerin in Krankenhauskleidung
In vielen Ländern ist die Aids-Therapie schwierigBild: AP

"Die Menschen die hierher kommen, sind welche die einen starken Willen und eine gute Gesundheit haben", sagt auch Iris Hufnagel. Zumindest müssten sie davon ausgehen, bis sie in Deutschland ankämen. Mit der Diagnose bräche für diese Menschen jedoch viel zusammen. "Dadurch, dass viel verändert ist, kommen dann vielleicht auch erst Sachen zum Ausbruch", vermutet sie.

Schicksal in Deutschland

Auch für Maureen war es ein zusätzlicher Schock, als sie von ihrer Erkrankung erfuhr. Mit einem Heiratsversprechen wurde sie nach Deutschland gelockt, wurde dann jedoch von ihrem zukünftigen Mann misshandelt. Als eine schwere Lungenentzündung bei ihr ausbrach, setzte er sie einfach auf die Straße. Damals war ihr Zustand sehr kritisch. Dank einer guten medizinischen Versorgung geht es ihr heute wieder gut. Doch damit ihre Gesundheit auch weiterhin stabil bleibt, ist es unerlässlich, dass die Behandlung fortgeführt wird.