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Abschreckung und Abschottung in Calais

20. August 2015

Mit mehr Zäunen, mehr Kameras und mehr Polizisten wollen Frankreich und Großbritannien der Flüchtlingskrise am Ärmelkanaltunnel entgegentreten. Kritiker befürchten, dass sich das Problem schlichtweg verlagert.

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Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve und seine britische Amtskollegin Theresa May inspizieren das Eurotunnel-Gelände in Calais. (Foto: REUTERS/Regis Duvignau)
Bild: Reuters/R. Duvignau

Großbritannien und Frankreich haben sich den Kampf gegen Flüchtlings-Schleuser auf die Fahnen geschrieben. "Wir müssen diese kriminellen Banden zerschlagen", sagte die britische Innenministerin Theresa May. Gemeinsam mit ihrem französischen Amtskollegen Bernard Cazeneuve unterzeichnete May in Calais eine Vereinbarung zum gemeinsamen Vorgehen in der Flüchtlingskrise. Mit einem Kommando- und Kontrollzentrum in der nordfranzösischen Hafenstadt wollen London und Paris künftig gegen Schleuser am Eurotunnel vorgehen. Die dort arbeitenden Dienste sollen Informationen zu Schleusern sammeln und auswerten und das gemeinsame Vorgehen gegen die Banden koordinieren.

"Nötig ist ein sehr starkes Signal hier in Calais, dass man nicht einfach so die Grenze überqueren kann", sagte Cazeneuve, der gemeinsam mit May das Eurotunnel-Gelände in Coquelles nahe Calais besuchte (Artikelbild).

Französische Polizisten bringen mehrere Flüchtlinge aus dem Eurotunnel. Sie hatten versucht, durch den Tunnel nach Großbritannien zu gelangen. (Foto: PHILIPPE HUGUEN/AFP/Getty Images)
Hunderte Menschen versuchen jede Nacht durch den Eurotunnel zu kommen.Bild: Getty Images/AFP/P. Huguen

Mehr humanitäre Hilfe - und mehr Zäune

In Calais sind mehr als 3000 Flüchtlinge gestrandet. Sie hoffen auf ein besseres Leben in Großbritannien. Täglich versuchen zahlreiche Flüchtlinge, auf Fähren zu gelangen oder sich auf Zügen und Lastwagen zu verstecken, die durch den Eurotunnel nach Großbritannien fahren. Auf dem Höhepunkt der Krise Ende Juli wurden am Eurotunnel in manchen Nächten rund 2000 Fluchtversuche gezählt. Die Zahl der Flüchtlinge am Tunnelgelände war aber deutlich niedriger, weil viele Migranten in einer Nacht mehrere Versuche unternahmen.

Zuletzt sank die Zahl auf zwischen hundert und zweihundert pro Nacht - nachdem Großbritannien und Frankreich neue Absperrzäune errichtet und die Polizeipräsenz vor Ort erhöht hatten. Bei den gefährlichen Fluchtversuchen kommen immer wieder Flüchtlinge ums Leben. Seit Anfang Juni starben gab es nach Angaben der Behörden neun Todesfälle.

Menschenrechtsvertreter hatten zudem wiederholt die Zustände in dem behelfsmäßigen Flüchtlingslager "Neuer Dschungel" kritisiert, in dem die meisten der Flüchtlinge Unterschlupf gefunden haben. Viele von Ihnen leben in einfachsten, selbst gebauten Unterständen. Hilfsgruppen erwarten, dass ihre Zahl bis Ende August auf 4000 anwächst.

Cazeneuve und May vereinbarten, mehr humanitäre Hilfe für die Flüchtlinge in Nordfrankreich bereitzustellen. London sagte über zwei Jahre zehn Millionen Euro zu. Das Geld soll unter anderem in neue Unterkünfte für Flüchtlinge fließen, die aber "in einer beträchtlichen Distanz zu Calais" entstehen sollen. Zugleich sollen Flüchtlinge mit Hilfsprogrammen zu einer Rückkehr in ihre Heimatländer bewegt werden.

Bislang hatten Frankreich und Großbritannien vor allem mit erhöhten Sicherheitsmaßnahmen auf den Andrang der Flüchtlinge reagiert. Anfang August finanzierte London eine zwei Kilometer lange und vier Meter hohe Barriere an den Bahnsteigen, an denen Lastwagen auf Lkw-Transportzüge fahren. London stellt zudem Videoüberwachung und Bewegungsmelder zum Schutz des Zugterminals bereit. Das Unternehmen Eurotunnel soll mit staatlicher Hilfe mehr Wachleute einsetzen. Zusätzliche Teams sollen Lastwagen und Lastzüge mit Spürhunden durchsuchen.

Verlagerung des Problems?

UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres lobte die Ankündigungen beider Länder. Um den Schleusern das Handwerk legen zu können, müssten aber auch mehr legale Fluchtrouten für Schutzbedürftige geschaffen werden.

Die britische Opposition warnte davor, dass mehr Sicherheit in Calais das Problem in andere Städte verlagern könnte, etwa ins französische Dunkerque, ins niederländische Hoek van Holland oder ins belgische Seebrügge. Innenministerin May erklärte, man sei deswegen bereits mit den Niederlanden und Belgien im Gespräch.

sp/stu (dpa, afp)