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Abtreibungsgesetz spaltet Paraguay

Nicolas Martin13. Mai 2015

Ein zehnjähriges Mädchen wurde vergewaltigt und wird nun Mutter - ob sie will oder nicht. Denn die Behörden in Paraguay verbieten eine Abtreibung und entfachen damit eine alte Debatte neu.

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Die Nationalflagge von Paraguay (Foto: Imago)
Bild: imago/R. Wareham

Ihr Name ist aus gutem Grund nicht bekannt, aber ihre Geschichte kennt ganz Paraguay: Das Mädchen ist zehn Jahre alt, Opfer sexualisierter Gewalt und schwanger. Das Kind stammt womöglich vom Stiefvater - die Behörden haben den Mann nun nach einer mehrtägigen Flucht gefasst. Das Mädchen wird nun gezwungen, das Kind auszutragen - denn selbst eine Vergewaltigung ist im katholischen Paraguay kein Abtreibungsgrund. "Ein Schwangerschaftsabbruch ist ausgeschlossen", sagte der Gesundheitsminister des Landes, Antonio Barrios. In Paraguay ist eine Abtreibung nur dann erlaubt, wenn das Leben der Mutter ernsthaft in Gefahr ist. Das Mädchen werde aber medizinisch gut betreut und man könne auf ein "glückliches Ende" der Schwangerschaft hoffen, so Barrios weiter.

Der Fall wirft einmal mehr ein Schlaglicht auf die konservativen Abtreibungsregelungen in Lateinamerika. Paraguay zählt dabei noch zu denjenigen Ländern, die eine Abtreibung nicht komplett ausschließen. Ähnlich handhaben es bevölkerungsreiche Länder wie Mexiko oder Brasilien. Dort ist eine Abtreibung dann erlaubt, wenn das Leben der Frau ernsthaft in Gefahr ist - allerdings nicht, wenn die Geburt lediglich ein Risiko für die Gesundheit darstellt.

Krankenhaus in Paraguay, in dem das vergewaltigte Mädchen versorgt wird (AFP/Getty Images)
Diese Krankenhaus versorgt das Mädchen medizinischBild: AFP/Getty Images/N. Duarte

In El Salvador kann sogar eine Fehlgeburt dazu führen, dass Frauen für Jahre ins Gefängnis kommen. Auch eine erhebliche Gefährdung der Mutter ist dort kein Grund, die Schwangerschaft abzubrechen. Ähnlich ist die Situation auch in Chile, Honduras oder Nicaragua.

"Diese Abtreibungsverbote sind Ausdruck der mangelnden Gleichberechtigung", sagt Maja Liebing von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Liebing setzt sich für eine Stärkung der Rechte von Frauen und damit für eine liberale Abtreibungspraxis ein.

Lebensgefährliche Abbrüche

Tatsächlich sind sogenannte unsichere Abtreibungen nirgendwo so verbreitet wie in Lateinamerika. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versteht unter "unsicher" solche Schwangerschaftsabbrüche, die entweder illegal bzw. nicht mit den nötigen medizinischen Standards durchgeführt werden. So mussten von 1000 lateinamerikanischen Frauen im Alter zwischen 15 und 44 Jahren rund 31 eine solche unsichere Abtreibung vornehmen (siehe Grafik). Viele Frauen sterben daran.

Infografik: Weltweit durchgeführte unsichere Abtreibungen im Jahr 2008 (Grafik: DW)

Doch der Widerstand der Frauen wächst. In Chile hat die Organisation Miles vor kurzem mehrere Videos ins Internet gestellt. Frauen zeigen darin, wie man trotz der restriktiven Gesetzgebung eine Abtreibung durchsetzen kann. Sie stürzen sich dafür vor fahrende Autos, von der Treppe im Hausflur oder mit dem Bauch direkt auf eine Zapfsäule auf der Straße. Die Szenen sind gespielt, aber sie verstören: "In Chile ist nur eine Abtreibung durch einen Unfall keine Straftat", steht am Ende der Videos.

Das Land überlegt zur Zeit, sein absolutes Abtreibungsverbot zu lockern - eine entsprechende Gesetzesvorlage ist auf dem Weg, muss aber noch verabschiedet werden. Auch die Dominikanische Republik hat das kompromisslose Abtreibungsverbot revidiert, wenn auch minimal: Ein Schwangerschaftsabbruch ist nun legal möglich, wenn die Frau in Lebensgefahr schwebt. "Dass das alleine nicht, reicht sieht man deutlich in Paraguay", kritisiert Maja Liebing von Amnesty International.

Katholische Kirche kontra Frauenrechte

In Asunción, der Hauptstadt Paraguays, gab es zu Beginn der Woche Proteste. Die Demonstranten forderten unter anderem, Abtreibung zu legalisieren und längere Haftstrafen für Vergewaltigung. Nach Angaben der WHO werden alleine in Paraguay jährlich rund 600 Mädchen unter 14 Jahren schwanger. Im Jahr 2014 seien 42 von ihnen bei der Geburt gestorben. Die UN-Organisation appellierte an das Land: "Die Entscheidung der paraguayischen Regierung ist ein Verstoß gegen das Recht auf Leben und die Gesundheit des Mädchens." Kinderschwangerschaften seien extrem gefährlich für das Leben der Mutter.

Mittlerweile debattiert auch das Parlament über den Fall. Und selbst der Präsident der Bischofskonferenz, Claudio Gimenéz, stellte in einer Messe fest: "Das Land ist gespalten." Maja Liebing sieht den Einfluss der Kirche in der Diskussion eher kritisch: "Die katholische Kirche spricht sich gegen die reproduktiven Rechte von Frauen aus und verstärkt das Problem damit noch." Unter reproduktiven Rechten wird die Freiheit verstanden, selbst über seine Fortpflanzung zu entscheiden. Weite Teile der katholischen Kirche lehnen jede Form von Empfängnisverhütung - etwa Kondome oder die Antibabypille - immer noch ab.

Maja Liebing, Amnesty International (Foto: Amnesty International)
Maja Liebing arbeitet zu Frauenrechten bei Amnesty InternationalBild: Amnesty International

Für Juli hat Papst Franziskus seinen Besuch in Paraguay angekündigt. Der Argentinier gilt gegenüber vielen katholischen Dogmen als verhältnismäßig offen. Im Sommer wird sich möglicherweise zeigen, wie das Kirchenoberhaupt die Geschichte des zehnjährigen Mädchens bewertet und wie er die Debatte in Lateinamerika beeinflusst.