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Abu Jamei: Keine Antwort auf Fragen von Gazas Kindern

Andreas Gorzewski24. Juli 2014

Die Kämpfe zwischen der israelischen Armee und der Hamas im Gaza-Streifen dauern seit mehr als zwei Wochen an. Dem palästinensischen Psychiater Yasser Abu Jamei zufolge sind vor allem Kinder traumatisiert.

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Ein palästinensischer Junge vor einem zerstörten Haus in Gaza-Stadt (Foto: AFP/Getty Images)
Bild: Thomas Coex/AFP/Getty Images

Deutsche Welle: Die Menschen im Gaza-Streifen erlebten seit 2006 mehrfach Kriege mit Luftangriffen und Bodeninvasionen. Welche Folgen hat das auf den Gemütszustand der Bevölkerung?

Yasser Abu Jamei: Seit mehr als sieben Jahren leben wir unter einer andauernden Blockade, die Leute können nicht reisen. Das hat großen Einfluss auf das soziale und wirtschaftliche Leben und führt dazu, dass die Menschen dort - mehr als anderswo - psychische Störungen entwickeln können. Wenn die Lebensbedingungen etwas besser wären, dann wäre der Umgang mit dem aktuellen Krieg einfacher. Man hört weiterhin die Bombeneinschläge, und man sieht weiter in die Augen seiner Kinder. Sie stellen Fragen, die man einfach nicht beantworten kann. Man kann sie nicht dazu bringen, zu verstehen, was um sie herum geschieht. Wie kann man das einem vier- oder fünfjährigen Kind erklären, das Schreie in der Straße hört.

Es sind doch nicht nur Kinder seelisch betroffen.

Mehr als 97 Prozent der Menschen erleben in der einen oder anderen Form solche Offensiven mit. Das wurde in einer Studie nach der Operation "Gegossenes Blei" [Gaza-Krieg 2008-2009] und der Operation "Säulen der Verteidigung" [2012] herausgefunden. Der hohe Prozentsatz an Leuten, die den traumatischen Ereignissen ausgesetzt sind, hängt mit der geringen Größe des Gebiets zusammen, das Ziel der Angriffe wurde.

Wie reagieren die Kinder auf den Stress durch die Angriffe und auf das Fehlen von Schutzräumen?

Die Symptome, die schon jetzt bei Kindern sichtbar sind, sind körperlich. Viele der Kinder haben Schmerzen im Bauch oder in den Beinen oder andere Arten von Schmerzen. Zusätzlich zeigen viele ein Klammer-Verhalten. Die Kinder wollen bei ihren Eltern bleiben und ihnen so nahe wie möglich sein. Sie haben große Angst, wenn die Eltern aus dem Haus gehen, um Nahrungsmittel oder anderes zu kaufen. Die Kinder fühlen einfach große Angst. Es sind vor allem körperliche Probleme und Verhaltensauffälligkeiten, die auf die psychischen Schwierigkeiten der Kinder hinweisen. Einige Kinder sind hyperaktiv oder nervös. Die Kinder können sich nicht wie andere ausdrücken und über ihre Ängste und ihre Probleme reden.

Lassen sich nach den vergangenen Kämpfen zwischen Israel und der Hamas Langzeitfolgen feststellen?

In einer Studie vom November 2013 über die langfristigen Folgen der Operation "Gegossenes Blei" haben wir herausgefunden, dass noch immer 30 Prozent der Kinder und Familien, die in hohem Maße traumatisiert waren, eine posttraumatische Belastungsstörung zeigen.

Wie kann den betroffenen Menschen überhaupt psychologisch geholfen werden?

Wir leben im Gaza-Streifen in einem dicht besiedelten Gebiet. Hier leben 1,8 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte davon sind Kinder. Es ist äußert schwierig, aktiv zu werden. Wir beginnen für gewöhnlich mit Teams, die den besonders Betroffenen direkt Hilfe anbieten. Wir arbeiten mit Krankenhäusern und Schulen. Wir versuchen psychologische Ersthilfe zu leisten. Darüber hinaus bieten wir eine gebührenfreie Telefonberatung an. Die Menschen können einfach die Telefonnummer anrufen, um Rat zu bekommen. Wir haben fachübergreifende Teams bestehend aus Krankenschwestern für Psychiatrie, Psychologen, Sozialarbeitern und Reha-Fachleuten, die versuchen, Hilfe zu leisten. Die Geldmittel und Mitarbeiterzahl sind immer zu gering. Wir werden niemals in der Lage sein, jedem zu helfen, der psychologische Hilfe braucht.

Das Interview führte Andreas Gorzewski

Dr. Yasser Abu Jamei ist Psychiater und geschäftsführender Direktor des Gaza Community Mental Health Programme. Das Programm ist vor allem auf die Arbeit mit Kindern, Frauen und Opfern von Folter und Menschenrechtsverletzungen spezialisiert.