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Abubakar Shekau - Aufstieg und Fall des Boko-Haram-Anführers

Adrian Kriesch24. August 2016

Erst wird er vom "Islamischen Staat" als Anführer von Boko Haram entmachtet, nun meldet Nigerias Militär, er sei bei einem Angriff schwer verwundet worden. Wie mächtig ist Abubakar Shekau noch?

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Abubakar Shekau (Foto: picture-alliance/AP Photo)
Bild: picture-alliance/AP Photo

Er grinst aufgeregt in die Kamera, spielt immer wieder an der Mütze auf seinem Kopf. Dann sagt er einen Satz, der um die Welt gehen wird: "Ich habe eure Mädchen entführt." Es ist Anfang Mai 2014, drei Wochen nach der Entführung der 219 Schulmädchen aus Chibok. Abubakar Shekau ist der Anführer der Terrorgruppe Boko Haram und verkündet mit einem Gewehr über der Schulter in einem Propagandavideo: "Ich werde sie auf dem Markt verkaufen." Spätestens seitdem ist Shekau weltbekannt. Die USA hatten bereits zuvor ein Kopfgeld von sieben Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt.

Die islamistische Gruppierung Boko Haram entsteht 2002 in Maiduguri, der Hauptstadt des Bundesstaates Borno im Nordosten Nigerias. Hier lebt auch Shekau lange in einem Armenviertel und besucht eine staatliche islamische Schule. Über einen gemeinsamen Freund trifft er Boko-Haram-Gründer Muhammad Yusuf und wird schnell sein Stellvertreter. Ehemalige Weggefährten beschreiben Shekau als fanatisch und kompromisslos. 2009 wird Yusuf in Polizeigewahrsam ermordet, auch Shekaus Tod wird von den Sicherheitskräften verkündet. Doch ein Jahr später taucht eine Videobotschaft von Shekau auf. Er ist nicht tot, sondern der neue Anführer der Gruppe.

Boko Haram wird radikaler - und stärker

Unter Shekaus Führung wird die Gruppe immer radikaler - und immer stärker. Die Terroristen überfallen Dörfer, morden und zwangsrekrutieren neue Kämpfer. Ganze Landstriche werden erobert. Shekau tritt dabei immer wieder mit Video- und Audiobotschaften in Erscheinung. In teils wirren, zusammenhanglosen Sätzen beschreibt er die Freude am Töten von Ungläubigen. "Er ist äußerst skrupellos", sagt Politikwissenschaftler Edgar Amos aus der Stadt Yola der Deutschen Welle. Shekau wolle einen islamischen Staat errichten, in dem sein eigenes, extremes Verständnis der Scharia und des Koran zwangseingeführt werde.

Screenshot mutmaßliches Boko Haram Video (Foto: youtube/Fgghhfc Ffhjjj)
Angebliches Boko-Haram-Video über entführte MädchenBild: youtube/Fgghhfc Ffhjjj

Im März 2015 schwört Shekau der Terrororganisation "Islamischen Staat" von Abu Bakr al-Baghdadi die Treue - genau zu jener Zeit, als das Militär allmählich die Oberhand im Kampf gegen die Terroristen gewinnt. Boko Haram verliert besetzte Gebiete und zieht sich zurück in den Sambisa-Wald. Aufmerksamkeit erregen die Boko-Haram-Leute durch Selbstmordattentate, häufig zwingen sie Mädchen und junge Frauen dazu.

Shekau vom IS "hintergangen"

Im August verkündet der IS Abu Musab al-Barnawi als neuen Anführer von Boko Haram. Shekau reagiert in einer Audiobotschaft, fühlt sich "hintergangen". Sein Rivale al-Barnawi sei ein Ungläubiger. Über ihn ist wenig bekannt, er trat zuvor als Sprecher der Gruppe auf und soll ein Sohn von Gründer Muhammed Yusuf sein. Politikwissenschaftler Edgar Amos glaubt, dass Boko Haram nun in zwei Gruppen gespalten sei. Ideologisch gebe es jedoch nur einen Unterschied zwischen beiden Anführern: "Al-Barnawi glaubt, dass nur Christen und Nichtmuslime getötet werden sollen." In einem Interview mit der Zeitung "Al-Naba" des "Islamischen Staates" behauptet al-Barnawi, der Westen versuche, die Menschen in den Flüchtlingslagern in der Region zum Christentum zu bekehren. Er kündigt an, alle Christen zu töten und Kirchen in die Luft zu sprengen. "Shekau hat hingegen auch Muslime getötet, die ihm widersprachen", so Amos weiter. Mehr als 20.000 Menschen wurden bereits umgebracht, tausende von ihnen gemäßigte Muslime.

Am vergangenen Dienstag verkündet Nigerias Militär, dass bei einem Luftangriff mehrere Befehlshaber von Shekau getötet worden seien. "Auch der selbsternannte Anführer von Boko Haram, der sich selbst Ababakar Shekau nennt, wurde dabei schwer an den Schultern verwundet", so Armeesprecher Sani Usman Kukasheka. Die Erklärung löst in Nigeria eine Debatte über den Wahrheitsgehalt aus, denn das Militär liefert keine Beweise, und es wäre nicht die erste Falschmeldung. Dreimal zuvor hat Nigerias Armee den Tod Shekaus verkündet und musste jedesmal die Falschmeldung einräumen.

Edgar Amos (Foto: DW/A. Kriesch)
Edgar Amos: "Er ist äußerst skrupellos"Bild: DW/A. Kriesch

"Beweis für die Erfolge im Kampf gegen Boko Haram"

In seiner Pressearbeit lässt Nigerias Armee kaum eine Peinlichkeit aus. Auch ein Friedensabkommen und die Freilassung der Chibok-Mädchen wurden in der Vergangenheit bereits verkündet. Ado Musa, ein politischer Analyst in Gombe, glaubt trotzdem, dass die aktuelle Meldung stimmt. "Sie haben vor kurzem sogar offen zugegeben, dass elf ihrer Soldaten verschwunden sind", sagt Musa und sieht deshalb jetzt keinen Grund für eine Lüge. "Die Meldung ist ein Beweis für die Erfolge im Kampf gegen Boko Haram."

Kaum ein politischer Beobachter in Nigeria bezweifelt, dass Nigerias Armee weiter auf dem Vormarsch ist. Doch selbst wenn Shekau und ein Teil seiner Kommandanten tatsächlich getötet wurden: seine Anhänger halten noch immer einen Teil der Chibok-Mädchen gefangen, was sie erst vor einer Woche mit einem Video belegt haben. Darin behaupten die Terroristen, dass einige der Mädchen bereits ums Leben gekommen seien - durch Angriffe der nigerianischen Luftwaffe.

Mehr als zwei Jahre und vier Monate nach der Entführung ist der öffentliche Druck auf Präsident Muhammadu Buhari weiter groß. Beim Besuch von US-Außenminister John Kerry am vergangenen Dienstag demonstrierten erneut Aktivisten für die vermissten Mädchen und wurden von einer Polizeikette daran gehindert, bis zum Präsidentenpalast zu ziehen. Buhari spricht seit Monaten davon, dass Boko Haram "technisch besiegt" sei. Doch Nigeria will Ergebnisse sehen - und Beweise.