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"Abwarten und Tee trinken im Handelskrieg"

Tzung-han Tsou
18. September 2018

US-Präsident Trump erhöht mit immer neuen Strafzöllen den Druck auf China. Das wird nicht viel bringen und letztlich den USA mehr schaden als China, meint Ökonom Shen Ling im DW-Gespräch.

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Hong Kong Kowloon - Amerikanische Produkte in Hong Kong
Bild: picture-alliance/ZUMAPRESS/M. Candela

Deutsche Welle: US-Präsident Trump hat mit Wirkung vom 24. September neue Strafzölle auf chinesische Importe im Wert von 200 Milliarden US-Dollar verhängt. Wie stark sehen Sie China davon betroffen?

Shen Ling: Die neue Maßnahme ist keine große Überraschung, denn der Handelskonflikt zwischen China und den USA entfaltet sich seit geraumer Zeit und in Washington hat man wohl auch lange darüber diskutiert. Trump, so wie wir ihn kennen, wird die Strafzölle auf jeden Fall durchsetzen, auch wenn es Widerstand bei der amerikanischen Bevölkerung gibt.

Insgesamt werden die Strafzölle auf chinesische Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar nicht allzu große Auswirkung auf China haben. Schließlich liegt der Zolltarif zu Anfang nur bei zehn Prozent. Seitdem es im März klar wurde, dass die USA und China einen Handelskrieg führen könnten, hat der chinesische Yuan eine Abwertung von über zehn Prozent erlebt. Rein technisch gesehen werden die Schäden durch die Strafzölle eigentlich schon dadurch abgefedert.

Was die chinesische Wirtschaft stärker beeinflusst, sind psychologische Faktoren. Hier weiß Trump seine "Kunst des Geschäfts" sehr gut anzuwenden. Die wiederholten Drohungen und Ankündigungen haben viel stärkere negative Auswirkung auf die Wirtschaft als die tatsächlichen Strafzölle. Das zeigt sich vor allem an der chinesischen Börse, hier hat sich die pessimistische Stimmung sich bereits negativ ausgewirkt.

China Dr. Shen Ling
Wirtschaftswissenschaftler Shen Ling: Chinas Börsen noch am anfälligsten durch Trumps StrafzölleBild: privat

Die Verhandlungen zwischen Beijing und Washington sind unterbrochen. Werden die beiden Seiten zum Dialog zurückkehren?

Ich bin überzeugt davon, dass die Verhandlungen fortgesetzt werden. Trump verfolgt eine Strategie, mit der wir zunächst nicht gerechnet hatten. Er geht nach dem Motto vor: Wenn ich nicht mit massiven Drohungen gegen China vorgehe, kann ich nur sehr begrenzte Ergebnisse in den Verhandlungen erzielen. Das heißt, richtige Verhandlungsbereitschaft hat er vielleicht noch gar nicht gezeigt, sondern nur seine Drohungen aufgestockt und wartet nun ab, ob China von sich aus Zugeständnisse macht.

Ist Trumps Reaktion mit Strafzöllen auf das Handelsdefizit nachvollziehbar?

Es ist bekannt, dass China einen riesigen Handelsüberschuss gegenüber den USA hat. Insgesamt exportiert China Waren im Wert von ca. 500 Milliarden nach Amerika, aber die Importe betragen im Gegensatz dazu nur etwa 230 Milliarden Dollar. Aus ökonomischer Sicht sind die Strafzölle gegen China aber nicht zwangsläufig zum Nutzen der USA. Für Konsumgüter aus China gibt es auf dem amerikanischen Markt kaum Alternativen. Es gibt keine Drittländer, die in diesem Bereich China ersetzen könnten. Unter den Strafzöllen gegen China werden vor allem die amerikanischen Konsumenten leiden. Trump ist auf das Handelsdefizit fixiert, aber eine negative Handelsbilanz muss nicht unbedingt eine negative Auswirkung auf die USA haben.

China USA Donald Trump & Xi Jinping | Große Halle des Volkes
Im Lächeln unter Druck ist Xi besser als Trump Bild: Reuters/D. Sagolj

Washington verlangt von Peking eine Anpassung seiner Wirtschaftspolitik, zum Beispiel die Reduzierung staatlicher Subventionen für Privatunternehmen und einen besseren Schutz des geistigen Eigentums. Wird China hier entsprechende Zusagen oder Zugeständnisse machen?

Das wäre genau mein Vorschlag für die chinesische Regierung. Forderungen nach mehr Marktwirtschaft oder besserem Schutz des geistigen Eigentums stehen nicht im  Gegensatz zu chinesischen Interessen. China sollte das nicht zur Verhandlung stellen, denn diese Schritte würden uns nicht schaden, sondern letztlich nützen. Die chinesische Regierung muss natürlich zwischen langfristigen und kurzfristigen Interessen eine Balance halten, und dadurch kann es zwischen realen Fortschritten und den Erwartung der westlichen Länder eine Diskrepanz geben.

Mit welchem Ausgang ist im Handelskrieg zwischen China und den USA zu rechnen?

Ich glaube, das wird sich in die Länge ziehen. Im Moment steht die amerikanische Wirtschaft relativ gut da, so dass Trump mit großer Unterstützung rechnen kann, egal was er macht. Er ist schon seit mehr als einem Jahr der US-Präsident, und inzwischen mussten schon mehrere Berater, die gegen Trumps Wirtschaftspolitik waren, den Posten räumen. Daraus kann man sehen, dass Trump seine Meinung zu Handelsdefizit und anderen Themen nicht ändern wird.

Aber für China wären auch Strafzölle von 25 Prozent nicht unbedingt ein schwerer Schlag, weil der entscheidende Faktor darin liegt, ob und wie viele Alternativen zu den chinesischen Exporten bestehen. Die Lösung braucht Zeit. Vielleicht haben die Amerikaner nach ein paar Jahren einen neuen Präsidenten, dann wird die Wirtschaftspolitik wieder anders. Die chinesische Regierung sowie die privaten Investoren werden mit der Zeit auch langsam verstehen, dass der Handelskrieg nicht das Ende der Welt bedeutet. Viele Freunde von mir, die Handelsgeschäfte machen, haben mir erzählt, dass sie dieses Jahr wegen der Abwertung des Yuan ganz gut verdient haben. Die Nervosität wegen eines eskalierenden Handelskrieges wird sich im Laufe der Zeit legen.

Shen Ling ist Wirtschaftswissenschaftler und hat in Bonn promoviert. Er arbeitet zur Zeit als Assistenzprofessor an der Business School der East China University of Science and Technology in Shanghai

Mitarbeit: Yuhan Zhu