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#actout: 185 Schauspielende outen sich

Philipp Jedicke
5. Februar 2021

Mit dem Hashtag #actout manifestierten Schauspielende ihr öffentliches Coming-Out. Sie fordern mehr Sichtbarkeit für sexuelle Diversität in Film und TV.

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SZ-Magazin Cover vom 05.02.2021
"Wir sind schon da" - Cover des SZ-Magazin vom 5. Februar 2021Bild: sz-magazin.sueddeutsche.de

Das Cover des aktuellen SZ-Magazins ist eine Hommage an das legendäre Stern-Titelbild aus dem Jahr 1971, als 374 prominente und nicht-prominente Frauen unter der Schlagzeile "Wir haben abgetrieben!" ihre Schwangerschaftsabbrüche öffentlich machten. Sie stellten sich damit gegen den umstrittenen Paragraphen 218 des Strafgesetzbuchs, der Abtreibung damals noch fast ausnahmslos unter Strafe stellte. Die Aktion sorgte nicht nur bundesweit für enormes Aufsehen, öffentliche Diskussion und schließlich auch für Veränderung. 

Kein bisschen geringer ist der Anspruch der Unterzeichnenden des Manifests, das jetzt mit der Überschrift "Wir sind hier und wir sind viele" und mit dem Hashtag #actout veröffentlicht wurde. Mit ihrem gemeinsamen öffentlichen Coming-Out und dem Manifest treten die Schauspielerinnen und Schauspieler für mehr Sichtbarkeit all jener sexueller Identitäten und Orientierungen ein, die in Deutschland schon lange Alltagsrealität sind, jedoch öffentlich noch immer zu wenig stattfinden: lesbisch, schwul, bisexuell, queer, nicht-binär und trans*. 

Schauspielerin Ulrike Folkerts bei einer Rede 2020.
Ulrike Folkerts hat das #actout-Manifest mit unterzeichnet. Innerhalb ihrer Branche ist die Schauspielerin ein Vorbild.Bild: xim.gs/picture alliance

Impuls zur Veränderung der Filmszene

In einem mehrseitigen Interview im Magazin der Süddeutschen Zeitung sprechen sechs der Initiatorinnen und Initiatoren offen über ihre Erfahrungen in der Film-, Fernseh- und Theaterbranche. Viele ihrer Aussagen sind nicht überraschend, aber sie schockieren trotzdem: Sie erzählen, wie wenig Rollenmodelle sie als junge Menschen hatten. Wie oft sie im Laufe ihrer Karriere gebeten wurden, "Heteros zu spielen" - auch abseits der Bühne -, ihre sexuelle Orientierung nicht öffentlich zu machen oder ihre jeweiligen Partnerinnen und Partner besser nicht mit auf den roten Teppich zu nehmen. Diese und ähnliche Erfahrungen machen auf eine beklemmende Art und Weise klar, wie schwer es auch heute noch ist, als öffentliche Person zu seiner Sexualität zu stehen, wenn diese nicht in den scheinbaren Mainstream passt.

In dem Manifest heißt es: "Diversität ist in Deutschland längst gelebte gesellschaftliche Realität. Dieser Fakt spiegelt sich aber noch zu wenig in unseren kulturellen Narrativen wider." Es geht den Menschen hinter #actout also um mehr Sichtbarkeit.

Diversität als normalste Sache der Welt

Das sieht auch Constantin Lücke so. Er ist einer der Unterzeichner des Manifests und vor allem bekannt aus Serien wie "Unter uns" und "Rote Rosen" oder aus dem Film "Fucking Berlin". Lücke steht auf Männer, doch als gutaussehender, charismatischer Mann spielt er immer wieder klassische Hetero-Rollen wie den Charmeur oder Frauenheld und hat daher auch viele weibliche heterosexuelle Fans.

Schauspieler Constantin Lücke blickt in die Kamera
Schauspieler Constantin Lücke, einer der Unterzeichner des #actout-ManifestsBild: Elena Zaucke

Auch Lücke wünscht sich mehr Vielfalt in seinem Beruf: "Unsere Gesellschaft ist bunt und divers, wir sollten endlich den Mut haben, dies auch zu zeigen." Und er gibt ein Beispiel, wie es innerhalb Europas auch laufen kann: "In Skandinavien kann man gut beobachten, wie erfrischend Diversität und unterschiedliche sexuelle Identität in verschiedenen Formaten erzählt wird. Der Kommissar, der abends nach Hause kommt und seinen Mann begrüßt und nebenbei mit seiner Tochter telefoniert. Es wird nicht thematisiert, sondern beiläufig erzählt. Die normalste Sache der Welt!"

Ende der "Dinosaurier"?

Doch wenn die Gesellschaft bereits weiter ist - wer sind dann die Bremser der Diversität in der deutschen Film- und Theaterbranche? Für Lücke sind das "Entscheidungsträger und Entscheidungsträgerinnen, die versuchen, es vielen recht zu machen. Redakteure und Redakteurinnen, Produzenten und Produzentinnen sollten den Mut aufbringen, die Realität so abzubilden, wie sie auch ist." Bis sich auch diese Strukturen ändern, scheint es noch ein langer Weg zu sein. Das Manifest gebe Lücke jedoch "Kraft und Zuversicht". Er sagt: "Zusammen sind wir stark!" 

Zur #actout-Gruppe, die sich im SZ-Magazin geoutet hat, gehören viele prominente Schauspielerinnen und Schauspieler wie Maren Kroymann, Ulrich Matthes oder Mavie Hörbiger genauso wie weniger bekannte Kolleginnen und Kollegen aus Film, Theater und Fernsehen. Sie alle eint die Solidarität und der Wille, die festgefahrenen und der gesellschaftlichen Veränderung hinterherhinkenden Strukturen in ihrer Branche nachhaltig zu verändern. 

Große Chance für die Film-Branche

Das #actout-Manifest endet mit den Worten: "Wir freuen uns auf all die neuen Geschichten, die wir gemeinsam darstellen und erzählen können. Die Welt verändert sich, wir tragen alle dazu bei!" In divers besetzten Ensembles und Erzählungen, in neu gedachten Kameraeinstellungen bei intimen Szenen oder in weiblichen Besetzungen männlicher Rollen in historischen Stücken schlummern gigantische Potenziale für Produzenten und Produzentinnen, Regisseure und Regisseurinnen, Altbewährtes neu zu erzählen oder bislang unerzählte Geschichten zu entwickeln und neue Perspektiven einzunehmen. Die Schauspielerinnen und Schauspieler strecken ihrer Branche die Hand aus. Die Entscheider sollten sie ergreifen.