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AfD auf TikTok: Kampf um die Jugend

30. März 2024

Immer mehr Politiker werben auf TikTok um junge Wählerinnen und Wähler. Die in Teilen rechtsextreme Partei AfD ist in Deutschland besonders aktiv.

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Rede des AfD-Politikers Maximilian Krah auf dem AfD-Parteitag am 29.7.2023 in Magdeburg, Deutschland.
AfD-Politiker Maximilian Krah ist einer der erfolgreichsten Politiker auf der Plattform TikTok.Bild: Ronny Hartmann/AFP/Getty Images

Maximilian Krah ist so etwas wie ein Anti-TikToker: älterer weißer Mann, Anzugträger, Stecktuch, katholisch, acht Kinder, Politiker. In seinen kurzen Videoclips passiert nichts weiter, als dass er kurze Statements abgibt. Das aber sehr erfolgreich.

Maximilian Krah erreicht auf TikTok hunderttausende Menschen. Er gehört damit auf der Plattform zu den erfolgreichsten deutschen Politikern. Krah ist bei der Europawahlder Spitzenkandidat der in Teilen rechtsextremen Partei Alternative für Deutschland, AfD. Und er ist einer der radikalsten Vertreter der Partei.

AfD-Politiker mit Begeisterung für Taliban

In einem Youtube-Video begeisterte er sich einmal für den Kampf der terroristischen Taliban in Afghanistan gegen die Regenbogenfahne, dass internationale Symbol queerer Menschen. Er ist so radikal, dass ihm TikTok im März 2024 sogar die Reichweite gekürzt hat und einige Videos sperrte.

Eine Sprecherin des Unternehmens erklärte der DW auf schriftliche Anfrage:  "Aufgrund wiederholter Verstöße gegen unsere Community-Richtlinien haben wir den Nutzer darüber informiert, dass zukünftige Videos, die er postet, für einen Zeitraum von 90 Tagen nicht für den ´Für Dich´-Feed empfohlen werden können, in Übereinstimmung mit unseren Richtlinien für politische Konten." Maximilian Krah ist vorerst also nur auf Bewährung freigeschaltet.

Seine kurzen Clips auf TikTok hat er sehr strategisch genau auf die Plattform abgestimmt. Die Videos sind kurz, auch ohne Ton zu verstehen, und schnell geschnitten. Seine Titel und Botschaften sind provokant und reißerisch - und zielen auch sprachlich ganz auf ein junges Publikum: "Die Bundesregierung hasst Dich", "Deine Mutter wird im Alter arm sein", "Schau keine Pornos".

Krah ist nicht der einzige aktive AfD-Politiker auf TikTok. Auch die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla veröffentlichen reichweitenstarke Kurzvideos. Die Partei war in der Vergangenheit bei jungen Menschen wenig beliebt - das will sie gezielt ändern. 

TikTok-Videos beeinflussen Wahlen

Der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje ist überzeugt, dass die Strategie der Rechtsaußen-Partei Wirkung zeigt, so analysiert er im Interview mit der DW: "Es gibt keine Kausalität zwischen TikTok-Nutzung und Wahlentscheidung der Wählerinnen und Wähler, aber man kann es auch nicht komplett voneinander trennen." Bei zwei großen Regionalwahlen in Deutschland im Jahr 2023 hatte die AfD die größten Zuwächse bei jungen Wählerinnen und Wählern: "TikTok hat dabei eine Rolle gespielt", ist Hillje überzeugt.

Symbolbild: Drei junge Menschen schauen auf einem Sofa auf ihre Mobiltelefone.
16- und 17-Jährige dürfen im Jahr 2024 in Deutschland zum ersten Mal an den Wahlen zum Europaparlament teilnehmen. Bild: Zacharie Scheurer/dpa-tmn/picture alliance

Die AfD kann bei jungen Wählern vor allem punkten, weil die großen Parteien in Deutschland nur wenig auf TikTok stattfinden. Während in anderen Ländern Politiker wie Ex-US-Präsident Barack Obama, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, Argentiniens Präsident Javier Milei, Polens Premier Donald Tusk und viele andere sehr erfolgreich Kurzvideos veröffentlichen, herrscht bei Deutschlands Politiker-Elite Funkstille. So gut wie kein namhafter Politiker und kaum eine Politikerin der Regierungsparteien ist auf TikTok aktiv. 

Politikberater Johannes Hillje hat analysiert, dass die AfD-Bundestagsfraktion mit jedem Video 458.000 Aufrufe erzielt. Weit abgeschlagen dahinter kommt die Bundestagsfraktion der Sozialdemokratischen Partei des Bundeskanzlers Olaf Scholz auf gerade einmal 72.000 Aufrufe pro Video.

US-Vizepräsidentin Kamala Harris und Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz begrüßen sich am 17. Februar 2024 auf der Münchener Sicherheitskonferenz.
235.000 Follower versus 0 Follower: US-Vizepräsidentin Kamala Harris veröffentlicht regelmäßig auf TikTok. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat keinen eigenen Account. Bild: SVEN HOPPE/AFP/Getty Images

Mittlerweile hat zumindest Bundeskanzler Olaf Scholz angekündigt, demnächst einen eigenen Account eröffnen zu wollen.

Emotionen für die Demokratie

Einfach nur Videos veröffentlichen sei aber noch keine Strategie, mahnt der Kommunikationsexperte Johannes Hillje: "Andere Parteien sollten nicht einfach die AfD und deren Stilmittel kopieren, sondern sie müssen Emotionen für Demokraten entwickeln und ihre Kommunikation darauf aufbauen." Hillje plädiert für harte politische Auseinandersetzungen und eine zugespitzte und pointierte Kommunikation. Wichtig sei auch, dass die Politikerinnen und Politiker persönlich sichtbar werden. Sonst verlören sie die jungen Menschen auf der Plattform.

Messebesucher sitzen an einem Stand des Unternehmens TikTok auf der AWE-Messe in Shanghai, China, am 27.4.2023.
Politische Botschaften in weniger als einer Minute: die Plattform TikTok ist bei Jugendlichen beliebt - und zunehmend auch bei Politikern, die um ihre Stimmen werben. Bild: CFOTO/picture alliance

Und überlassen am Ende das Feld Stimmen wie der von Maximilian Krah. Der platziert weiter nationalistische, queer-feindliche und weltverschwörerische Provokationen: dass die Eliten einen Generalplan hätten, um Deutschland durch Einwanderung zu vernichten. Das Linke jungen Menschen einreden wollen würden, dass sie "soft" sein sollen.

Weil die AfD immer wieder mit demokratiefeindlichen Äußerungen und Verbindungen zu rechtsextremen Organisationen auffällt, ist sie im Visier der deutschen Sicherheitsbehörden. Und auch Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften, Kirchen und zahlreiche gesellschaftliche Organisationen warnen vor der AfD als einer Gefahr für die Demokratie.

EU-Gesetz gegen Desinformation

Weil Hass und Hetze in den sozialen Medien weit verbreitet sind, will die Politik stärker gegen sie vorgehen. Dazu hatte die Europäische Union den sogenannten Digital Services Act, DSA, verabschiedet. Der DSA schreibt unter anderem vor, dass Internet-Plattformen ihre Nutzerinnen und Nutzer besser vor rechtswidrigen Inhalten schützen müssen. Bei Verstößen gegen den DSA könnten Plattformbetreiber demnach mit bis zu sechs Prozent ihres Jahresumsatzes sanktioniert werden. 

Der Unternehmen TikTok erklärt dazu, dass es auf das Gesetz bereits reagiert habe. In einem Statement heißt es, dass die Plattform jetzt auch "proaktiv" den Großteil illegaler und anderer schädlicher Inhalte bei Verstößen gegen die hauseigenen Richtlinien entfernen würde. Im September 2023 seien das vier Millionen Inhalte gewesen.

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Hans Pfeifer Autor und Reporter