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AfD bleibt im Visier des Geheimdienstes

27. Februar 2019

Der Verfassungsschutz darf das Wort "Prüffall" zwar nicht mehr öffentlich verwenden. Ob das der AfD hilft, ist eine andere Frage. Denn die Rechtspopulisten bleiben unter Beobachtung.

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Deutschland Mitglied der Partei AfD in Mainz
Bild: picture-alliance/dpa/F. von Erichsen

Grund zum Feiern hatte die Alternative für Deutschland (AfD) zuletzt eher selten. Vor allem die Spenden-Affäre zehrt schon länger an den Nerven und am Image der Partei, die der politischen Konkurrenz gerne vorwirft, gegen geltendes Recht zu verstoßen. Sei es beim Öffnen der Grenze für Flüchtlinge oder in der Finanzpolitik, um die europäische Gemeinschaftswährung zu retten. Ihre Klagen, unter anderem gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel, waren allerdings erfolglos.

Doch dieses Mal triumphierte die AfD. Das Verwaltungsgericht Köln untersagte dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am Dienstag, die Rechtspopulisten weiterhin als "Prüffall" des Inlandsgeheimdienstes zu bezeichnen. Die Richter begründeten ihren Beschluss mit der fehlenden Rechtsgrundlage. Demnach bedürften Äußerungen des BfV, mit denen in die Rechte einer politischen Partei eingegriffen werde, "einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung". Das sei geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts.

Der Verfassungsschutz war gewarnt

Trotzdem verkündete das BfV Mitte Januar in einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz in Berlin, die AfD sei als "Prüffall" eingestuft worden. Warum die dem Innenministerium unterstellte Behörde die rechtlichen Vorgaben ignorierte, ist unklar. Eine Anfrage der Deutschen Welle wurde am Mittwoch kurz und knapp beantwortet - per E-Mail: "Die Einlegung einer Beschwerde wird geprüft. Darüber hinaus äußert sich das BfV derzeit zu dem Beschluss nicht." Damit bleibt zunächst offen, ob der Verfassungsschutz die Entscheidung des Kölner Verwaltungsgerichts von der nächsthöheren Instanz überprüfen lässt. Zuständig wäre das Oberverwaltungsgericht Münster.

Deutschland PK Verfassungsschutz Präsident Thomas Haldenwang
Vom "Prüffall" AfD darf Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang vorerst nicht mehr reden (Archivbild) Bild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Derweil legte die AfD nach. Ihr Bundestagsabgeordneter Armin-Paul Hampel erklärte am Mittwoch, die Konsequenz aus der Schlappe des Verfassungsschutzes müsse im "Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten, aber auch und im Besonderen des Bundesinnenministers liegen". Horst Seehofer verkaufe demokratische Grundrechte für das "Linsengericht Machterhalt" und benutze den Verfassungsschutz, "um den einzigen politischen Gegner ausschalten zu wollen, der sich nicht verbiegen lässt". In einer ersten Reaktion hatte AfD-Chef Jörg Meuthen gesagt, die "politische Instrumentalisierung" des Verfassungsschutzes gegen die AfD sei vorerst gescheitert.   

Journalisten müssen sich keine Sorgen machen

Das BfV wird es sich nun verkneifen müssen, die Alternative für Deutschland öffentlich als "Prüffall" zu bezeichnen. Ein wachsames Auge wird der Inlandsgeheimdienst aber weiterhin auf die Rechtspopulisten werfen. Denn nach seiner Einschätzung vom Januar gibt es "erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik" der AfD. An diesem Befund rüttelte auch das Verwaltungsgericht Köln nicht, weil es sich ausschließlich mit der Frage zu beschäftigen hatte, ob das Wort "Prüffall" vom Verfassungsschutz öffentlich benutzt werden darf. Die Antwort: nein.

AfD Thüringen Björn Höcke bei Pegida
Mehr als ein "Prüffall": Björn Höcke, Wortführer des völkischen AfD-"Flügels", marschiert in Chemnitz mit der rassistischen Pegida-Bewegung - und ist für den Verfassungsschutz sogar ein "Verdachtsfall" Bild: picture-alliance/AP Photo/J. Meyer

Aus der Welt zu schaffen ist die Vokabel ohnehin nicht mehr. Politiker werden in der Auseinandersetzung mit der AfD weiterhin auf den "Prüffall" AfD verweisen. Und auch Journalisten dürfen den Begriff nutzen, wenn sie über die Entscheidung des
Verwaltungsgerichts Köln berichten, um zu verdeutlichen, "worin der Stein des Anstoßes besteht", sagte der Dortmunder Medienrechtler Tobias Gostomzyk dem Evangelischen Pressedienst (epd). Letztlich aber ist es die AfD selbst, die mit ihrer zuweilen rassistischen Rhetorik und Kontakten ins rechtsextreme Milieu Zweifel an ihrer Verfassungstreue auslöste.

Der Verfassungsschutz und ein "massives Medieninteresse"

Darauf verwies indirekt auch das BfV in seiner Stellungnahme gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln. In dem ausführlichen Beschluss zugunsten der AfD finden sich Hinweise, warum der Verfassungsschutz meinte, weiterhin vom "Prüffall" sprechen zu dürfen. Die AfD selbst habe selbst wiederholt in die Öffentlichkeit getragen, dass "bezüglich einzelner Personen und Gruppierungen innerhalb der Partei Anhaltspunkte für extremistische Tendenzen" vorlägen.

Symbolfoto: AFD vor Deutschlandflagge
Noch ein "Verdachtsfall" des Verfassungsschutzes: die "Junge Alternative" (JA) protestieren in Dresden gegen Angela MerkelBild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Außerdem habe sie eine Arbeitsgruppe gegründet, die Handreichungen zum Thema Verfassungsschutz verbreite und ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die rechtlichen Voraussetzungen einer Beobachtung politischer Parteien durch den Verfassungsschutz untersuche. Vor diesem Hintergrund habe ein "massives Medieninteresse" daran bestanden, wie sich das BfV zu der Frage des weiteren Umgangs mit der AFD positioniere.

Die AfD lässt ein weiteres Gutachten erstellen

Doch alle Argumente zielten beim Verwaltungsgericht Köln ins Leere. Gut möglich, dass die AfD vom Verfassungsschutz schon bald die nächste Unterlassungserklärung einfordert. Denn die Partei lässt von einem Gutachter überprüfen, ob die Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA) und der völkische "Flügel" vom BfV als "Verdachtsfall" bezeichnet werden dürfen. "Diese Prüfung dauert ihre Zeit", teilte ein AfD-Sprecher auf DW-Anfrage mit. 

Im politischen Raum hoffen derweil manche, dass der Verfassungsschutz gegen den "Prüffall"-Beschluss Beschwerde einlegt. Thorsten Frei, stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion (CDU/CSU) im Bundestag, spricht von einer "Auslegungsentscheidung" des Gerichts. Der Einstufung als "Prüffall" durch das
Bundesamt für Verfassungsschutz basiere auf einer "sehr umfangreichen Materialsammlung und intensive Beratungen". Deshalb sollte eine Beschwerde "sehr genau geprüft werden", erklärte Frei gegenüber der Deutschen Welle.