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AfD: Rechtsextremist Höcke will Ministerpräsident werden

Veröffentlicht 28. August 2024Zuletzt aktualisiert 1. September 2024

AfD-Politiker Björn Höcke will Ministerpräsident von Thüringen werden. Obwohl die in dem ostdeutschen Bundesland als rechtsextrem eingestufte Partei laut Hochrechnung stärkste Partei ist, gilt dies als unwahrscheinlich.

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AfD-Spitzenkandidat Björn Höcke schaut in Richtung Kameras
Björn Höcke, AfD-Landesvorsitzender in Thüringen, am WahltagBild: Wolfgang Rattay/REUTERS

Björn Höcke will als erster Politiker der "Alternative für Deutschland", AfD, Ministerpräsident in einem Bundesland werden. Seine Partei bekommt am Wahltag fast 33 Prozent der Wählerstimmen.

Weil die in Thüringen vom Nachrichtendienst als "gesichert rechtsextrem" eingestufte Partei bereits in den Umfragen vor den Wahlen vorne lag, entschloss sich Jens-Christian Wagner, Leiter der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, zu einer radikalen Maßnahme.

Wagner entschloss sich, an 350.000 Haushalte einen Brief zu schreiben. Björn Höcke versuche, "die nationalsozialistische Sprache wieder salonfähig zu machen", warnte er. Es ist ein massiver Vorwurf. Wagner bekommt Morddrohungen.

In der Zeit des Nationalsozialismus (NS) unter Adolf Hitler ermordeten die Nazis in dem Lagerkomplex im Bundesland Thüringen 56.000 Menschen.

Björn Höcke streitet jegliche Nähe zum Nationalsozialismus ab. Seinen Kritikern ruft er gerne entgegen, dass heutzutage in Deutschland ja jeder als Nazi bezeichnet werde, der die regierenden Parteien kritisiere.

Bezüge zum Nationalsozialismus

Im Fall Höcke aber ist es vor allem einer, der Bezüge zum Nationalsozialismus herstellt: Björn Höcke selbst.

Der 52-Jährige Politiker ist studierter Geschichtslehrer. Er hat das Fach dreizehn Jahre lang unterrichtet, bevor er 2014 hauptberuflich in die Politik ging. In seiner Vita gibt es seit Jahren rechtsextreme Bezüge.

Schon im Jahr 2010 beteiligt sich der damalige Lehrer an einem Neonazi-Aufmarsch in Dresden. Ein Redner dort ist an einem kalten Februartag der Neonazi Udo Voigt. Der nannte Hitler mal einen "großen deutschen Staatsmann" und wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er die verbrecherische Waffen-SS verherrlichte.

Björn Höcke marschiert auf der Demonstration nicht einfach nur mit: Als Gegendemonstranten die Veranstaltungen blockieren, ruft er wütend und mit erhobener Faust: "Wir wollen marschieren!"

Demonstration mit vielen Menschen, im Vordergrund ein Transparent mit einem Foto von Björn Höcke, auf dem zu lesen ist: "Höcke ist ein Nazi. Stoppt die AfD"
April 2024: Protest gegen AfD-Politiker Björn Höcke in Halle, Sachsen-AnhaltBild: dpa

Rechtsextreme Kontakte

In seiner Lehrerzeit zieht Höcke in den kleinen Ort Bornhagen in Thüringen. Es ist ein ländliches Idyll. Als die Umzugswagen in dem ehemaligen Pfarrhaus ankommen, taucht ein prominenter Gast bei Höcke auf: Thorsten Heise. Er wohnt im Nachbarort und ist einer der führenden und aktivsten Neonazi-Kader in Deutschland.

Heise ist mehrfach vorbestraft: wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruch, Nötigung und Volksverhetzung. Und er hatte Kontakte zur rechtsextremen Terrorbande NSU, die in Deutschland zehn Menschen ermordet hat. Das Motiv: Rassismus.

Zeugen für die Begegnungen der beiden haben unter eidesstattlicher Versicherung ausgesagt, wie freundschaftlich der Umgang sei. Höcke bestreitet die Bekanntschaft nicht.

Björn Höcke redet mit weit geöffnetem Mund vor Deutschland-Flaggen auf einer Demonstration in ein Mikrofon
Björn Höcke: Der AfD-Bundesvorstand forderte 2017 seinen Parteiausschluss, es kam aber nicht dazuBild: Jens Meyer/AP Photo/picture alliance

Ungefähr in derselben Zeit tauchen in einer Neonazi-Zeitschrift von Thorsten Heise Texte des Autors "Landolf Ladig" auf. Ein Pseudonym. Ladig beschreibt genau das Wohnhaus von Björn Höcke.

Er verherrlicht das NS-Regime und will ein Wirtschaftssystem, das auf pseudowissenschaftlichen "rassenbiologischen Grundlagen" aufbauen soll. Ladig zitiert auch Leserbriefe von Björn Höcke. Und er benutzt Begriffe und Formulierungen, die sich ansonsten nur in Texten von Björn Höcke finden lassen.

Jahre später beantragt Höckes eigene Partei, die AfD, seinen Ausschluss. Es sei "nahezu mit Gewissheit anzunehmen", dass Björn Höcke der ominöse "Landolf Ladig" sei. Der Parteiausschluss scheitert.

Mit seinem Eintritt in die AfD im Jahr 2013 enden die Bezüge zur NS-Zeit nicht. Im Gegenteil, sie werden offensichtlich.

Verurteilung wegen NS-Parole

So offensichtlich, dass er im Jahr 2024 gleich zweimal strafrechtlich verurteilt wird. Urteil vor dem Landgericht Halle im Juli: Der AfD-Politiker Höcke hatte auf einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei im November 2023 die Losung von Adolf Hitlers Sturmabteilung, SA, ausgerufen: "Alles für Deutschland". Die SA war ein gefürchteter paramilitärischer Kampfverbund, der vor allem zu Beginn der Herrschaft der Nationalsozialisten auf den Straßen Terror gegen politische Gegner und Jüdinnen und Juden verbreitete.

Björn Höcke auf der Anklagebank im Prozess am Landgericht Halle
Björn Höcke 2024 vor Gericht: Er wurde verurteilt wegen der "Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen". Das Urteil ist noch nicht rechtskräftigBild: Ronny Hartmann/dpa/picture alliance

In seinem Urteilsspruch begründet der Vorsitzende Richter die Strafe damit, dass der Historiker Höcke gewusst habe, dass er sich mit der Verwendung des Spruchs strafbar mache.

Wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen muss Höcke 16.900 Euro Strafe zahlen. Die Höhe bemisst sich an seinem Gehalt.

In einem ersten Verfahren vor dem Landgericht Halle im Mai 2024 wurde Höcke bereits wegen des gleichen Vorwurfs zu einer Geldstrafe verurteilt. Er hatte die SA-Parole schon einmal in einer Wahlkampfrede verwendet. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Die Liste der NS-Bezüge Björn Höckes ließe sich fortführen: Das Berliner Holocaustmahnmal zum Gedenken an die Millionen ermordeten Juden verspottete er öffentlich als ein "Denkmal der Schande". Den Umgang der Deutschen mit der NS-Diktatur bezeichnete er als "dämliche Bewältigungspolitik" und forderte eine "erinnerungspolitische Wende um 180 Grad".

AfD in Ostdeutschland - warum tickt der Osten anders?

Björn Höcke will im September 2024 Ministerpräsident von Thüringen werden. Laut Hochrechnungen ist seine Partei AfD die stärkste Fraktion geworden.

Ein Ministerpräsident hat weitreichende politische Macht: Er ist maßgeblich verantwortlich für die Bildungs- und Medienpolitik seines Landes. Er entscheidet über die konkrete Umsetzung der Asylpolitik des Bundes. Angesichts der Forderung der AfD nach einem radikalen Kurswechsel in der Asyl- und Einwanderungspolitik könnte das ernste Folgen für Geflüchtete in Thüringen haben.

Björn Höcke: "Kampf gegen rechts einstellen"

Auf einem AfD-Treffen im November 2023 kündigte Höcke weitreichende Maßnahmen an, sollte er Ministerpräsident werden. "Wir werden den Kampf gegen rechts einstellen!", rief er unter dem Jubel seiner Anhänger.

Auch gegen die öffentlich-rechtlichen Medien will Höcke vorgehen. Inspiriert vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump setzt die AfD stattdessen auf sogenannte "Alternative Medien" und verbreitet ihre politischen Vorstellungen auf eigenen, reichweiten-starken Parteikanälen in den sozialen Medien.

AfD in Deutschland - sind das die neuen Nazis?

Gegen Höckes Aufstieg zum Ministerpräsidenten gibt es aber auch eine starke Mobilisierung durch Parteien, Kirchen, Stiftungen, Gewerkschaften und eine Vielzahl von Initiativen. Eine wichtige Stimme ist Jens-Christian Wagner, der Gedenkstättenleiter der ehemaligen Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora.

Der Historiker, der auch an der Universität Jena lehrt, mahnt die Wählerinnen und Wähler: Die Aussage "Nie wieder!" in Bezug auf die Verbrechen der Nationalsozialisten sei heute wichtiger denn je. Mit einer neuen Website engagiert er sich in einem Netzwerk gegen Desinformation und eine verzerrte Darstellung der deutschen Vergangenheit - mit Fakten und Informationen gegen rechten Geschichtsrevisionismus.

Björn Höcke (AfD) in Thüringen: antidemokratische Vorbilder

Dieser Artikel erschien zunächst am 28.08.2024 und wurde zuletzt am 02.09.2024 aktualisiert.

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Hans Pfeifer Autor und Reporter