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AfD-Verbot: Kampagne erhöht den Druck

17. Juni 2024

Ein breites Bündnis fordert von Regierung, Parlament und Bundesrat, ein Verbot der rechtspopulistischen Partei AfD zu beantragen. Doch die Berliner Politik zögert. Das könnte sich aber ändern.

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"AfD-Verbot jetzt!" steht auf einem Plakat, das eine Frau auf einer Demonstartion vor dem Brandenburger Tor in Berlin in die Höhe hält.
"AfD-Verbot jetzt!" - diese Forderung ist, wie hier vor dem Brandenburger Tor in Berlin, immer häufiger zu hören und zu sehenBild: Liesa Johannssen/REUTERS

Die Alternative für Deutschland (AfD) eilt von Triumph zu Triumph. Bei der Europawahl am 9. Juni wurde sie in Deutschland mit 15,9 Prozent zweitstärkste Partei hinter der Christlich Demokratischen Union (CDU), die 23,7 Prozent der Stimmen erhielt. Auch bei den Kommunalwahlen am selben Tag lag die AfD oft vorn, im Osten Deutschlands wurde sie fast flächendeckend die Nummer eins.

Damit schwimmt eine Partei auf der Erfolgswelle, die vom Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) schon seit 2021 als "rechtsextremer Verdachtsfall" beobachtet wird und in drei von 16 Bundesländern sogar als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft ist. Die Einschätzung des Inlandsgeheimdienstes ist ein zentrales Argument, auf das sich die am Montag in Berlin gestartete Kampagne "Menschenwürde verteidigen - AfD-Verbot jetzt!" stützt.

Wer engagiert sich in der AfD-Verbotskampagne?

Das Bündnis beschreibt sich selbst so: "Wir sind Engagierte aus der Zivilgesellschaft, Mitarbeiter*innen von Beratungsstellen, Aktivist*innen, Jurist*innen, gewerkschaftlich Aktive, Klimabewegte, Menschen, die seit Jahren antifaschistische Politik machen, Menschen, die damit jetzt beginnen."

Jens-Christian Wagner (3.v.r.), Leiter der Gedenkstätte Buchenwald, unterstützt die Kampagne "Menschenwürde verteidigen - AfD-Verbot jetzt". Das Motto der Kampagne steht auf einem Transparent, das an einem Tisch befestigt ist und bis auf den Boden reicht. Dahinter sitzen sieben Frauen und Männer, die sich in der Initiative engagieren.
Jens-Christian Wagner (3.v.r.), Leiter der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, unterstützt die Kampagne für ein AfD-VerbotBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Jens-Christian Wagner ist einer von ihnen. Er leitet die Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora in Thüringen. Dort hatte die von 1933 bis 1945 herrschende Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) zwei ihrer zahlreichen Konzentrationslager (KZ) errichtet. Allein an diesen beiden Orten sind Schätzungen zufolge mindestens 75.000 Menschen zu Tode gekommen.

"Die AfD ist nicht die neue NSDAP"

Mit Blick auf die AfD warnt der Historiker Wagner zwar vor schiefen historischen Vergleichen mit dem Nationalsozialismus, fordert aber dennoch von der Politik, ein Parteiverbotsverfahren zu prüfen und einzuleiten: "Die AfD ist nicht die neue NSDAP. Aber die AfD ist eine Partei, die Rassismus und Antisemitismus verbreitet, die ein völkisches Verständnis von Staatsbürgerschaft vertritt."

Staatsbürger solle nach diesem Verständnis nur sein, wer über Generationen hinweg nachweisen könne, dass seine Vorfahren bereits in Deutschland gelebt hätten. Dementsprechend vertrete die AfD ein Konzept der Vertreibung von Millionen Menschen, sagt Wagner unter Verweis auf Recherchen des investigativ arbeitenden Mediums "Correctiv". Dessen Enthüllung eines Treffens rechtsextremistischer Kreise in Potsdam löste Anfang 2024 Massendemonstrationen gegen Rechts in ganz Deutschland aus. 

Strenge Regeln für ein Parteiverbot

Unter welchen Voraussetzungen in Deutschland eine Partei verboten werden kann, ist im Verfassungsartikel 21 des Grundgesetzes geregelt: "Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig."

AfD in Deutschland - sind das die neuen Nazis?

Über das Verbot einer Partei entscheidet das Bundesverfassungsgericht, wenn ein entsprechender Antrag gestellt wird. Dazu berechtigt sind die Bundesregierung, der Deutsche Bundestag und der Bundesrat, in dem alle 16 Bundesländer vertreten sind. Als bisher letztes Beispiel scheiterte 2017 der Versuch, die inzwischen in "Heimat" umbenannte Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) zu verbieten.

Anders als diese rechtsextremistische Splitterpartei ist die AfD in wenigen Jahren zu einer festen Größe in Deutschland geworden. Die Kampagne "Menschenwürde verteidigen - AfD-Verbot jetzt!" will deshalb den Druck auf die Politik erhöhen und insbesondere im Bundestag um Unterstützung werben.

"AfD-Verbot sofort" steht auf einem Plakat, das jemand auf einer Demonstration vor dem Bundeskanzleramt in Berlin in die Höhe hält.
Ein AfD-Verbot wurde schon Anfang 2024 gefordert, nachdem ein Treffen rechtsextremer Kreise in Potsdam bekannt geworden war Bild: Christian Ditsch/epd

Kritiker eines Verbotsverfahrens warnen allerdings davor, die AfD könne sich als Opfer inszenieren oder sogar eine Art Demokratie-Gütesiegel für sich beanspruchen, falls ein Verbot scheitern sollte. Zudem ist es unter Fachleuten umstritten, ob das AfD-Parteiprogramm ausreichend Anhaltspunkte für eine nachweisbare Verfassungsfeindlichkeit gibt.

Demokratiefeindliche und rassistische Äußerungen

Diese Risiken sieht auch Lukas Theune vom Republikanischen Anwältinnen und Anwälteverein - dennoch ist er zuversichtlich. Der Jurist verweist auf öffentliche und damit überprüfbare demokratiefeindliche und rassistische Äußerungen von Politikerinnen und Politikern der AfD sowie ihrer Anhängerschaft.

"Natürlich ist hier genaue und gute Arbeit der Behörden nötig, aber auch möglich", betont Theune. Dabei denkt er insbesondere an das Bundesamt für Verfassungsschutz, das die gesamte AfD nach einem im März verkündeten Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Münster zurecht als "rechtsextremem Verdachtsfall" ins Visier nimmt.

Urteil: AfD bleibt rechtsextremistischer Verdachtsfall

Verletzte Menschenwürde ist real und alltäglich

Karim El-Helaifi bringt die Perspektive von Menschen mit Rassismus- und Ausgrenzungserfahrungen in die Kampagne für ein AfD-Verbot ein. Die Verletzung der Menschenwürde sei keine abstrakte Sache, sondern Alltag, sagt der Vorstand des postmigrantischen Netzwerks "neue deutsche organisationen". Sie äußere sich in rassistischer, antisemitischer Gewalt und Terror. "Und Vertreterinnen der AfD schaffen in der Debatte den Rahmen dafür, dass diese Gewalt möglich und akzeptierter wird", sagt El-Helaifi.

Rückenwind erhält die Kampagne womöglich schon bald aus dem Bundestag. Der CDU-Abgeordnete Marco Wanderwitz will das Thema AfD-Verbot auf die Tagesordnung des Parlaments setzen lassen. Dafür müsste er von mindestens fünf Prozent seiner Kolleginnen und Kollegen unterstützt werden - das wären 37 Personen. "Die haben wir zusammen", sagte Wanderwitz der Berliner Tageszeitung "taz".

Deutsche Welle Marcel Fürstenau Kommentarbild ohne Mikrofon
Marcel Fürstenau Autor und Reporter für Politik & Zeitgeschichte - Schwerpunkt: Deutschland