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Gegenoffensive in Kundus

29. September 2015

Einen Tag nach dem Fall von Kundus hat die afghanische Regierung eine Gegenoffensive begonnen, um die von den Taliban eroberte Stadt wieder unter ihre Kontrolle zu bringen. In Deutschland ist man über die Lage besorgt.

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Afghanistan Gegenoffensive nach Einnahme Kundus durch Taliban
Bild: Reuters

Regierungstruppen seien am Morgen in die Stadt eingedrungen, sagte Polizeisprecher Sajed Sarwar Hussaini. Das Hauptquartier der Polizei sowie das Gefängnis seien bereits zurückerobert worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Nach Angaben der NATO flogen US-Streitkräfte Luftangriffe auf die Randgebiete von Kundus. Das US-Militär habe in der Provinz einen Luftangriff geflogen, "um eine Bedrohung für die afghanischen und internationalen Kräfte zu zu beseitigen", teilte die NATO mit.

Zwei Jahre nach dem Abzug der Bundeswehr aus Kundus hatten die radikalislamischen Taliban die Stadt am Montag überrannt. Die Extremisten hatten Kundus aus mehreren Richtungen gestürmt und die Provinzhauptstadt bis zum Abend zu weiten Teilen eingenommen. Aus
dem Provinz-Gefängnis befreiten sie nach Regierungsangaben mehr als
600 Häftlinge, darunter 144 Taliban-Kämpfer. Nur noch die Gegend um den Flughafen war unter Kontrolle der Regierung. Kundus ist die erste Provinzhauptstadt, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 von den Aufständischen erobert wurde.

Taliban-Chef Mullah Achtar Mohammad Mansur versicherte, die Aufständischen würden "Leben, Besitz und Ehre der respektierten Bürger der Stadt Kundus schützen." In einer Mitteilung Mansurs zur "Befreiung" der Stadt hieß es, die Menschen dort könnten ihr Lebe "in absoluter Sicherheit" weiterführen. "Die Mudschaheddin denken nicht an Rache, sondern sind mit einer Botschaft des Friedens gekommen", teilte Mansur mit. Er rief Mitarbeiter der "Invasoren und ihres Handlanger-Regimes" dazu auf, überzulaufen, um ihr Leben und ihren Besitz zu schützen.

Taliban-Kämpfer feiern die Eroberung eines wichtigen Knotenpunktes in der afhganischen Provinzhauptstadt Kundus (Foto: STR/AFP/Getty Images)
Taliban-Kämpfer feiern die Eroberung eines wichtigen Knotenpunktes in der afghanischen Provinzhauptstadt KundusBild: Getty Images/AFP

Bleibt die Bundeswehr länger?

Nach dem überraschenden Vormarsch der Taliban bewertet Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Sicherheitslage dort als "besorgniserregend". Die Ereignise müssten nun genau analysiert werden, sagte die CDU-Politikerin. Diese Analyse müsse Grundlage für die NATO-Entscheidung im Herbst über die weitere Stationierung von Truppen im Jahr 2016 und danach sein.

Der Kampfeinsatz der NATO ist bereits seit vergangenem Jahr beendet. Der Nachfolgeeinsatz "Resolute Support" dient vor allem der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. US-Truppen fliegen allerdings weiterhin Luftangriffe gegen die Taliban.

Ursprünglich sollten sich die derzeit etwa 13.000 ausländischen Soldaten im Laufe des Jahres 2016 aus der Fläche nach Kabul zurückziehen. Unter ihnen befinden sich auch die bis zu 850 Bundeswehrsoldaten, die im Rahmen von "Resolute Support" im 170 Kilometer von Kundus entfernten Masar-i-Sharif und in der Hauptstadt Kabul eingesetzt sind.

Über den Vorschlag, die Bundeswehr bis Ende 2016 im Norden Afghanistans stationiert zu lassen, müsse "sehr ernsthaft" nachgedacht werden, sagte der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Niels Annen, im Deutschlandfunk. Voraussetzungen dafür seien aber, "dass wir uns in der internationalen Gemeinschaft darauf verständigen, gemeinsam länger zu bleiben", und "dass die afghanische Regierung dies wünscht."

Die derzeit rund 700 deutschen Soldaten im Norden Afghanistans sollten ein weiteres Jahr bis Ende 2016 in voller Stärke dort bleiben, forderte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold. "Angesichts der Situation in Afghanistan wäre es falsch, die Afghanen völlig allein zu lassen", sagte Arnold. "Eines kann es nicht geben: Dass wir zuschauen, wie die Taliban das Land überrennen."

sp/uh (dpa, rtr)