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Afghanistan: "Frauen leiden unter Geschlechterapartheid"

19. Dezember 2023

Die Lage in Afghanistan steht erneut auf der Agenda des UN-Sicherheitsrats. Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai und afghanische Frauen rufen die Welt auf, gegen die Unterdrückung von Frauen aktiv zu werden.

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Afghanistan Frauen Mädchen Symbolbild
Die Taliban verweigern Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechtes ihre GrundrechteBild: AHMAD SAHEL ARMAN/AFP

Seit der Übernahme der Macht durch die Taliban in Afghanistan setzt sich die pakistanische Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai aktiv für die Frauenrechte im benachbarten Afghanistan ein. "Millionen von Frauen und Mädchen werden systematisch aus dem öffentlichen Leben in Afghanistan verdrängt. Wir alle müssen mehr tun, um die Taliban zur Verantwortung zu ziehen", schreibt sie der DW. Dabei betont sie: "Vor allem rufe ich alle Regierungen dazu auf, Geschlechterapartheid zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu erklären."

Am Mittwoch wird sich der UN-Sicherheitsrat mit der Lage in Afghanistan befassen. Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) hatte Anfang Dezember ihren neuesten Bericht zur Situation in dem Land veröffentlicht. Diese Mission hatte der Sicherheitsrat 2002 ins Leben gerufen, um afghanische Institutionen in Bereichen wie Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Gleichberechtigung zu unterstützen. Mehr als zwanzig Jahre später ist alles, was diese Mission zwischenzeitlich erreicht hatte, wieder zunichte gemacht.

Der Bericht, der die herrschende Taliban-Regierung mangels internationaler Anerkennung nur als "de-facto-Behörden" bezeichnet, stellt fest: "Die de-facto-Behörden setzen ihre Restriktionen gegenüber Frauen und Mädchen fort."  Seit der Machtübernahme der Taliban werden Frauen in Afghanistan systematisch entrechtet. Frauen haben keinen Zugang zu Hochschulbildung und Mädchen können die Schule nicht über die sechste Klassen hinaus besuchen. In einigen Regionen, wie in den Provinzen Chost und Sabul, ist es Frauen ohne männlichen Begleiter sogar untersagt, lokale Märkte oder Geschäfte zu besuchen, so der Bericht der UNAMA. 

Viele Berichte, keine Besserung 

Die Weltgemeinschaft sei seit Langem über die Situation informiert, betont Niloufar Nikseyar aus dem westafghanischen Herat im Gespräch mit der DW. Die 35-jährige Schriftstellerin und ehemalige Dozentin an der Universität Herat fügt hinzu: "Bei jeder Gelegenheit wird ein neuer Bericht über die Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan verfasst. Jedes Mal wird uns versichert, dass die Welt unsere Stimme hört und sich die Situation zum Besseren wenden wird. Trotzdem haben wir in den vergangenen zwei Jahren keine Verbesserungen gesehen. Dennoch bemühe ich mich stets, als Frau die Stimme der Opfer in Afghanistan zu sein. Wir wollen unsere Hoffnung nicht aufgeben." 

Niloufar Nikseyar gehört einer Gruppe von Frauen an, die zu Hause Lesungen von Büchern für Frauen und Mädchen organisieren. Selbst über solche Treffen unter Frauen müssen sie die Taliban informieren und um Erlaubnis bitten. 

Gebrochene Versprechen der Taliban 

Millionen von Frauen in Afghanistan leiden unter den Regelungen und Einschränkungen, die die Taliban  erlassen haben. Trotz anfänglicher Versprechen, Frauenrechte im Rahmen der Scharia zu respektieren, haben die Taliban seit ihrer Machtübernahme im August 2021 Gesetze und politische Maßnahmen eingeführt, die Frauen und Mädchen im ganzen Land ihre Grundrechte verweigern - allein aufgrund ihres Geschlechts. Frauen wurde sogar der Zugang zu Parks, Sporteinrichtungen und Cafés verwehrt. Von Frauen geführte Schönheitssalons für Frauen wurden ebenfalls geschlossen. 

Melodie des Widerstands - Afghanische Musiker im Exil

Die afghanische Regisseurin Sahraa Karimi spricht gegenüber der DW deshalb von "Geschlechterapartheid", die "ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit" sei. Bis zu ihrer Flucht aus Afghanistan war Karimi die Präsidentin der staatlichen afghanischen Filmorganisation. Die 38-jährige Regisseurin hat aus Angst um ihr Leben Afghanistan verlassen und wohnt heute in den USA. Sie unterstreicht: "In den vergangenen zwei Jahren haben aktuelle Berichte aus Afghanistan und die tägliche Einschränkung der Rechte afghanischer Frauen gezeigt, dass die Taliban ihre Haltung überhaupt nicht geändert haben. Leider unterstützt die internationale Gemeinschaft durch ihr Schweigen die Taliban. Das ermöglicht ihnen, die Grundrechte der Frauen weiter zu unterdrücken." 

Weltgemeinschaft am Zug 

Karimi ist besorgt um die Zukunft Afghanistans. Sie fürchtet, unter den Taliban könne Afghanistan zu einem rückständigen Land werden. Das wiederum könne radikalen Kräften als Basis dienen und am Ende eine ernsthafte Gefahr für die Welt darstellen. Es sei an der Zeit, dass die Weltgemeinschaft sich aktiv dafür einsetzt, die Geschlechtertrennung in Afghanistan  abzuschaffen, und sicherstellt, dass die Taliban für ihre Handlungen verantwortlich gemacht werden. 

"Die westlichen Länder und die Staaten der Region können diese Situation ändern, aber ich sehe keinen politischen Willen dafür", sagt Shaharzad Akbar. Die 33-jährige afghanische Menschenrechtsaktivistin war von 2019 bis 2021 Chefin der Unabhängigen Afghanischen Menschenrechtskommission. Heute lebt sie in England. Im November hat sie den diesjährigen Menschenrechtspreis der SPD-nahen deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung erhalten. Am Rande der Preisverleihung forderte sie gegenüber der DW: "Afghanistan darf nicht in Vergessenheit geraten. Es ist unsere Aufgabe, die Stimme der Frauen in Afghanistan zu sein. Menschenrechtsaktivisten und Medien dürfen nicht zulassen, dass die Lügen der Taliban die Wahrheit über Afghanistan werden." 

Neue Wege, um Frauen und Mädchen zu unterstützen 

"Wir müssen den Frauen und Mädchen in Afghanistan ein deutliches Signal senden, dass wir sie wahrnehmen, ihren Appell zur Aktion vernehmen und bereit sind, unsere Solidarität anzubieten", betont auch die Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai. Sie fügt hinzu: "Es ist sehr wichtig, Mädchen dabei zu unterstützen, ihre Bildung weiterzuverfolgen, solange das Schulverbot besteht. Unterstützer und Investoren können ihre finanzielle Hilfe für afghanische und internationale Organisationen aufstocken, die kreative alternative und digitale Lernprogramme entwickeln, um afghanische Mädchen in ihren eigenen Häusern zu erreichen."

Mitarbeit: Wadud Salangi

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