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Afghanistan immer gefährlicher für Entwicklungshelfer

Waslat Hasrat-Nazimi24. August 2014

Nirgendwo sonst werden Entwicklungshelfer und Mitarbeiter von NGOs häufiger Opfer von Gewalt als in Afghanistan - und die Zahl der Übergriffe steigt. Die Gründe dafür sind vielfältig.

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Aus einem Helikopter werden Hilfsgüter abgeladen (Foto: Reuters)
Bild: Reuters

Mitarbeiter von Entwicklungs- und Nichtregierungsorganisationen unterwerfen sich in Afghanistan einem strengen Korsett von Regeln: Hohe abgesicherte Zäune, wenn überhaupt nur zeitlich begrenzter Aufenthalt außerhalb des eigenen Geländes, kaum Kontakt zur Bevölkerung. Dafür gibt es einen überdurchschnittlich hohen Monatslohn. Die Arbeit in einem Land, das seit Jahrzehnten von Krieg und Unruhen geprägt ist, hat seinen Preis. "Leider ein noch immer zu hoher Preis", findet Aidan O'Leary, Leiter des UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) in Afghanistan. Letztes Jahr hat die Organisation den Tod von 44 Entwicklungshelfern verzeichnet. "Im August dieses Jahres sind es schon 37 Tote", so O'Leary im Gespräch mit der DW.

Entführungen am häufigsten

Weltweit ist die Gewalt gegen Entwicklungshelfer angestiegen. Afghanistan führt dabei die Liste der gefährlichsten Länder an, auf der auch Syrien, der Südsudan, Pakistan und der Sudan vertreten sind. Zwischen 2012 und 2013 stieg die Zahl der Übergriffe in Afghanistan um fast die Hälfte. Im Osten und Süden des Landes, wo Aufständische und Taliban am aktivsten sind, sind die Opferzahlen besonders hoch. Entführungen finden fast jeden Tag statt. "2014 hatten wir bisher 114 Entführungen. Im ganzen Vorjahr gab es insgesamt nur 77 Fälle", so O'Leary. Für kriminelle Gruppen gehe es meistens um Geld. Terroristische Gruppen wie die Taliban versuchten mit solchen Aktionen, ihre Kontrolle über ein Territorium anzuzeigen.

Sicherheitskräfte stehen vor einem großen Tor (Foto: SHAH MARAI/AFP/Getty Images)
Nach dem Anschlag auf das Cure-Krankenhaus in Kabul, bei dem drei ausländische Ärzte erschossen wurden, wurden die Sicherheitsvorkehrungen verstärktBild: SHAH MARAI/AFP/Getty Images

Besonders auffällig waren Angriffe auf Gesundheitseinrichtungen. So wurden Anfang des Jahres in einem NGO-Krankenhaus in Kabul drei ausländische Ärzte von einem afghanischen Wachmann erschossen. Einer von vielen Fällen. O'Leary führt den Anstieg der Opferzahlen in Fällen wie diesen auf die oft nicht ausreichende Überprüfung der afghanischen Sicherheitskräfte zurück.

Emanuele Nannini arbeitet ebenfalls in einem Krankenhaus in Kabul. Er ist Programmkoordinator der italienischen NGO "Emergency" in Afghanistan. Die Organisation engagiert sich bei der Notfallhilfe für Traumapatienten und deren ambulante Behandlung. "Als ich vor fünf Jahren nach Afghanistan kam, war es in vielen Teilen des Landes ruhig", sagt er. "Heute gibt es keinen sichereren Ort mehr - noch nicht mal in Kabul."

Im Kreuzfeuer: lokale Helfer

Bei den Opferzahlen macht OCHA in Afghanistan keine Unterschiede zwischen nationalen und internationalen Helfern, wie O'Leary betont. Aber so wie in den meisten Ländern sind es lokale Helfer, die am stärksten gefährdet sind. "Sie sind es, die am meisten aufs Spiel setzen und den Großteil der Arbeit leisten", sagt O'Leary. Oft werden sie von Aufständischen und terroristischen Gruppen als Verräter oder Spione gebrandmarkt. Trotzdem arbeiten die afghanischen Entwicklungshelfer und Aktivisten weiter. So auch Huma Safi, die für Oxfam Afghanistan arbeitet. Seit zehn Jahren setzt sie sich für Frauenrechte ein. "Als afghanische Frau, kann ich den Schmerz vieler Frauen in meinem Land nachfühlen und ich arbeite dafür, dass sie gleichberechtigt behandelt werden."

Porträt von Aidan O'Leary (Foto: UNOCHA)
Aidan O'Leary, Leiter von UNOCHA in AfghanistanBild: UNOCHA

Ohne Ortskräfte geht es nicht. "Die lokalen Mitarbeiter kennen die Gegebenheiten im Land besser und wir sind auf sie angewiesen", sagt auch Emanuele Nannini. Erst letzte Woche verlor Nannini einen Fahrer in der Provinz Kapisa im Norden des Landes. "Man gerät bei Kämpfen oft zwischen die Fronten. Landminen sind auch ein großes Problem."

Gesellschaftliche Akzeptanz schaffen

In den letzten Jahren sind in Afghanistan erhebliche Gelder in die Entwicklungszusammenarbeit geflossen. Laut der Weltbank wurden seit 2002 allein von der internationalen Gemeinschaft rund zwei Milliarden Euro investiert. Der andauernde Konflikt und die prekäre Sicherheitslage ist ein großes Problem. Das könne nur durch die Akzeptanz in der Bevölkerung aufgefangen werden, so Aidan O'Leary. "Der beste Weg die Zusammenarbeit fortzuführen, ist durch Aufklärung. Den Gemeinden muss stets klar sein, was, warum, wo und wie wir etwas tun", erklärt er.

Eine Kolonne gepanzerter Fahrzeuge (Foto: picture-alliance/dpa)
Der Truppenabzug bis Ende des Jahres 2014 lässt viele Fragen offenBild: picture-alliance/dpa

Viele Menschen fragen Nannini, was passieren wird, wenn die internationalen Truppen aus Afghanistan abziehen. Ob er Angst habe? "Ich werde bleiben so lange es geht", erwidert er. "Emergency gibt es seit 1999. Schon während der Taliban-Herrschaft. Wir waren hier, bevor die internationalen Truppen gekommen sind und wir werden auch bleiben, wenn sie gehen."