Mehr Opium wegen Taliban-Erfolgen
23. Oktober 2016Die diesjährige Opiumernte in Afghanistan könnte rund 4800 Tonnen Opium erbringen, heißt es in dem "Opium-Überblick 2016" des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC). Das wäre ein Anstieg von 43 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Seit Jahren ist der afghanische Opiumertrag, mit gelegentlichen Ausreißern nach unten, kontinuierlich gestiegen - von 3276 Tonnen im Jahr 2000, über 5800 Tonnen im Jahr 2011, auf 6400 Tonnen im Jahr 2014. 2015 war die Ernte stark eingebrochen, vor allem wegen Pflanzenkrankheiten. In diesem Jahr stiegen deshalb Nachfrage und Preise. Den höchsten jemals registrierten Ernteertrag gab es 2007 mit 7400 Tonnen Opium.
Die Fläche zum Anbau von Schlafmohn wuchs 2016 um zehn Prozent auf 201.000 Hektar. Das sei das dritthöchste Niveau seit mehr als 20 Jahren. Nur 2013 und 2014 gab es mehr Schlafmohnfelder in dem Land, so der Bericht.
Ertrag noch unterschätzt?
Opium ist der Rohstoff für Heroin. Die größten Mengen der Droge stammen aus Afghanistan. Möglicherweise würde der Ertrag in diesem Jahr noch unterschätzt, heißt es in dem Bericht. Wegen der schlechten Sicherheitslage hätte man nicht zu allen Provinzen Zugang gehabt, vor allem zu jenen mit viel Opium.
Die mit den radikalislamischen Taliban bitter umkämpfte Südprovinz Helmand ist nach wie vor Hauptlieferant des Opiums. Schlafmohn wurde hier auf mehr als 80.000 Hektar gepflanzt. Aber auch im Norden explodiert das illegale Geschäftsfeld. Um 324 Prozent seien die Anbaugebiete hier gewachsen, heißt es im UN-Bericht.
"Natürliche Wahl für Bauern"
"Da ist ein gut dokumentierter Zusammenhang zwischen Unsicherheit und Mohnanbau", sagte Jelena Bjelica vom Rechercheinstitut Afghanistan Analysts Network der Nachrichtenagentur dpa. "Mohn hat wenige Risiken in einer Hochrisiko-Umgebung. Es ist eine natürliche Wahl für Bauern im Krieg." Bei dem aktuellen Bericht machte die ehemalige UNOCD-Mitarbeiterin vor allem auf die erhöhte Ernte pro Hektar im Süden und Westen aufmerksam - ein Plus von mehr als 35 Prozent. Es gebe Anzeichen, sagt sie, dass es dort neue Pflanzen gebe, die nicht mehr nur zwei, sondern drei Ernten im Jahr erlaubten.
Die Regierung habe wegen der Erfolge der Taliban auch einen deutlichen Rückschlag erlitten in ihren Bemühungen, Schlafmohnfelder zu vernichten. Allerdings sind sich Experten weitgehend einig sind, dass das Abbrennen von Feldern sowieso kontraproduktiv ist. Denn für viele Hunderttausende Menschen in Afghanistan ist das Opium die einzige Einnahmequelle. Den Schlafmohn wegzunehmen, ohne Alternativen anzubieten, habe jahrelang "bloß dazu beigetragen, verzweifelte Bauern in die Arme der Taliban zu treiben", schreibt die Afghanistan-Expertin Vanda Felbab-Brown in einer 2016 erschienen Studie für das Recherche-Institut Brookings. Aber Alternativen lassen sich schlecht anbieten in Landesteilen, aus denen Hilfsorganisationen sich schon lange zurückgezogen haben. Sie wurden dort immer wieder bedroht.
Opium und Terrorismus sind eng miteinander verquickt: Die radikalislamischen Taliban sind Teil der Drogenmafia. In der Provinz Helmand kontrollieren sie mittlerweile 85 Prozent der 14 Bezirke - und damit Mohnanbaugebiete und Schmuggelrouten. Schon 2009 sollen die Taliban laut UN 155 Millionen Dollar am Drogengeschäft verdient haben. Im vergangenen Jahr sollen es mindestens 500 Millionen gewesen sein.
stu/wl (afp, dpa, rtr)