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Politik

Afrika: Kein frischer politischer Wind

Martina Schwikowski
29. Dezember 2018

2019 ist Wahljahr in Afrika, mit Südafrika und Nigeria gehen zwei Schwergewichte an die Urnen. Doch dort und anderswo auf dem Kontinent gehen Experten nicht davon aus, dass es große Veränderungen geben wird.

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Eine Frau gibt bei den Kommunalwahlen 2016 in Südafrika ihre Stimme ab
Bild: Getty Images/AFP/G. Guercia

Mit dem Slogan "Wählen statt kämpfen" hat sich Nigerias Musik-Ikone 2face Idibia auf der Beliebtheitsskala ganz nach oben gerappt. Gerade bei Jugendlichen kann er damit punkten. Der Rapper verkündet den Slogan nicht nur auf der Bühne, sondern auch im echten Leben. 2face Idibia unterstützt die Kampagnen verschiedener Jugendorganisationen für friedliche Wahlen im Jahr 2019. Viele Nigerianer hoffen darauf, denn die Angst vor Gewalt ist groß. Denn bei früheren Wahlkämpfen kam es immer wieder zu Gewaltausbrüchen.

Die Wahl im Februar könnte äußerst knapp ausfallen: Experten prophezeien ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Muhammadu Buhari und seinem wichtigsten Herausforderer Atika Abubakar. Im Fall seiner Wiederwahl würde der seit 2015 regierende Buhari weitere vier Jahre im Amt bleiben. Er ist 75 Jahre alt und von Krankheit gezeichnet. Sein Herausforderer Atiku Abubakar ist bereits 71 Jahre alt. Dem früheren Vizepräsidenten und Buhari-Vertrauten wird Korruption vorgeworfen. Doch auch an Buhari gibt es Kritik: "Er hat es nicht geschafft, Nigeria zu stabilisieren", sagt Sophia Moestrup, Regionaldirektorin der Nichtregierungsorganisation NDI.

Sorge um Gewalt in Nigeria

So kümmere sich die Buhari-Regierung kaum um die Belange junger Menschen, kritisiert Moestrup im DW-Interview. Zwei Drittel der Bevölkerung sind Jugendliche. Mangelnde Bildung, hohe Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven treiben sie in die Arme von Terrorgruppen wie Boko Haram. "Das politische Angebot der Regierung ist sehr gering", sagt Rinaldo Depagne, Mitarbeiter des  Thinktanks ICC im DW-Interview. "Die junge Bevölkerung wird von alten Männern regiert, die sich schwertun, die Welt von heute zu verstehen."

Präsident Buhari bei einem Truppenbesuch in Nordnigeria, im Hintergrund ein Soldat
Nigerias Präsident Muhammadu Buhari steht in der KritikBild: Getty Images/AFP/A. Marte

Ein Ende der Gewaltwelle im Land scheint nicht in Sicht: Die islamistischen Boko Haram-Milizen im Nordosten würden wieder stärker, sagt Depagne. Auch der Konflikt zwischen Viehhirten und Bauern in der Landesmitte werde 2019 weitergehen. "Im vergangenen Jahr starben etwa 1300 Menschen in diesem blutigen Kampf um mehr Land", so Depagne.

Kein politischer Aufbruch in Senegal - aber Konjunktur steigt

Das Nachbarland Senegal gilt dagegen als stabil. Auch hier wird im Frühjahr gewählt. "Es gibt wenig Zweifel an der Wiederwahl von Präsident Macky Sall", sagt Sophia Moestrup. Denn die Wahl kommt für den Präsidenten zum denkbar besten Zeitpunkt: Der Wirtschaft im Senegal geht es gut.

Dieser Trend könnte sich auch in den kommenden Jahren fortsetzen. Ab 2021 will das Land Öl und Gas fördern. Das könnte die Wirtschaft weiter ankurbeln. Nach wie vor leben jedoch die meisten Bewohner Senegals in Armut. Um ihre Situation zu verbessern plädieren Experten dafür, die Infra­struktur des Landes in den kommenden Jahren weiter auszubauen.

Positiv sei, dass die Zivilgesellschaft in Senegal und Nigeria sehr aktiv sei und die Politiker zur Verantwortung ziehen wollte, sagt Expertin Moestrup. Gut sei auch, dass von 15 Präsidenten in Westafrika 14 nicht länger als zwei Amtszeiten regierten. Togo bildet eine Ausnahme.

Bundeskanzlerin Angela Merkel begrüßt Präsident Macky Sall am Rand der "Compact with Africa"-Konferenz Ende Oktober 2018 in Berlin
Auch Senegals Präsident Macky Sall hofft auf eine zweite Amtszeit Bild: picture-alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka

Oppositionen zu schwach im Süden

Auch im südlichen Afrika stehen 2019 Wahlen an, die aber ebenfalls wenig Veränderung bringen werden. In vielen Ländern regieren ehemalige Befreiungsbewegungen, die weiter an der Macht bleiben dürften. "Eine große Herausforderung für die Region ist, dass sich keine Oppositionsbewegungen geformt haben, die das gesamte politische Spektrum abdecken", sagt Paul Graham von der Menschenrechtsorganisation "Freedom House" in Südafrikas Wirtschaftsmetropole Johannesburg.

Mit besonders viel Spannung blicken Beobachter nach Südafrika. Dort finden kommendes Jahr Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt, der genaue Termin ist noch unklar. Viele Experten glauben, dass der regierende "Afrikanische Nationalkongress" (ANC) die Abstimmung gewinnen wird - allerdings mit Verlusten. Schon länger kämpft die frühere Partei Nelson Mandelas mit sinkenden Beliebtheitswerten. Der neue Präsident und ANC-Vorsitzende Cyril Ramaphosa versucht, sich dagegen zu stemmen. "Er hat einige Erfolge darin erzielt, den Staat von der Vereinnahmung durch korrupte Kräfte unter Ex-Präsident Jacob Zuma zu befreien. Aber innerhalb der Partei stößt er auf großen Widerstand", so Graham. 

Landreform kein Wahlthema

Ramaphosa verspricht zudem, die Landreform weiter voranzutreiben. Auch Jahrzehnte nach dem Ende der Apartheid ist noch immer eine Mehrheit des Landes im Besitz von weißen Südafrikanern. Durch eine Änderung der Verfassung sollen künftig Landenteignungen auch ohne Entschädigungen möglich sein. Doch unklar ist, wie viele Wähler der ANC damit zurück gewinnen kann. Graham: "Die meisten Studien belegen, dass für viele Südafrikaner nicht die Landreform der entscheidenden Faktor dafür ist, wem sie ihre Stimme geben. Sie sind eher mit Jobs, Gesundheit und mehr Sicherheit beschäftigt."

Julius Malema, ganz in Rot gekleidet, bei einer Rede vor seinen Anhängern in Johannesburg 2014
Die EFF-Partei in Südafrika drängt auf eine radikale LandreformBild: picture-alliance/dpa

Das bestätigt auch Jakkie Cilliers vom südafrikanischen "Institut für Sicherheitsstudien". Die meisten weißen Wähler seien gegen die Landreform. "Aber die Reform ist ein Versuch des ANC, den Radikalen den Teppich unter dem Boden wegzuziehen und die Initiative selbst in die Hand zu nehmen", so Cilliers zur DW. Radikal, dass sind ist die Partei der "Ökonomischen Freiheitskämpfer" unter Führung von Julius Malema, die mit populistischen Themen wirbt. "Die meisten Südafrikaner geben Ramaphosa einen Vertrauensvorschuss", so Cilliers.

Politisch neuen Wind zulassen

Auch die Regierung des Nachbarlands Namibia hat eine Landreform angestoßen, aber die Programme seien vage, sagt Cilliers. Politisch gebe es keinen Zweifel: Die SWAPO-Regierung unter Präsident Hage Geingob werde an der Macht bleiben. Er sei aber bisher wenig konsequent in der Umsetzung von Reformen gewesen, die das Leben der armen Namibier hätten verbessern sollen. Oppositionsparteien hätten kaum Chancen, sich zu behaupten. Es gebe aber auch wenig Druck von der Bevölkerung.

Düstere Aussichten sehen viele Beobachter für Mosambik. Das arme Land sitzt auf einem riesigen Schuldenberg und ist laut Cilliers von zunehmenden Terroranschlägen bedroht: Islamistische Gruppen kämpfen im Norden um Einfluss. Dort hat auch die militante Opposition RENAMO ihre Basis und findet bei den Armen große Unterstützung. Bei den Wahlen im Oktober 2019 tritt Präsident  Filipe Nyusi von der Regierungspartei FRELIMO zum zweiten Mal an, doch die Zustimmung für RENAMO-Führer Ossufo Momade nimmt zu. "Aber ein Wandel in der politischen Landschaft ist auch dort nicht auszumachen", sagt Cilliers.