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Politik

Afrika: China baut Straßen - Europa zählt Insekten

Martina Schwikowski
20. Juli 2022

Nicht Partner auf Augenhöhe, sondern bloße Hilfsempfänger: So erleben sich afrikanische Entscheidungsträger in der Zusammenarbeit mit Europa. Das ergibt eine Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung.

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Afrika - China | Chinesische Firma baut Strassen in Kenia
Der Expressway in Nairobi ist von einer chinesischen Firma fertiggestellt wordenBild: AFP via Getty Images

Der Expressway schlängelt sich wie ein riesiger Fluss auf Stelzen durch die Metropole: Über 27 Kilometer erstreckt sich die Schnellstraße durch das Herz von Nairobi und verbindet Kenias wichtigsten Flughafen mit dem zentralen Geschäftsviertel der Hauptstadt, dem Nationalmuseum und dem Präsidentenpalast. Nur zwei Jahre hat der Bau unter der Ägide Chinas gedauert. Seit Mai nun soll die mautpflichtige Straße helfen, die verstopften Verkehrsadern der Millionen-Metropole zu entlasten. Chinas Staatsunternehmen liegen laut einer im Juni veröffentlichten Studie der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit zügigen Entscheidungen und zügiger Umsetzung von Aufträgen in Afrika immer weiter vor den europäischen Mitbewerbern.

Europa exportiert Werte

Für die Studie der FDP-nahen Stiftung wurden mehr als 1600 Entscheidungsträger aus 25 Ländern befragt, darunter Top-Manager, Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen und Beamte. Ihre Antworten zeichnen das Bild eines Europa, das vor allem Wertvorstellungen nach Afrika zu exportieren sucht, während aus China Kredite, Bagger und Arbeiter kommen. "The Clash of Systems" - das Aufeinanderprallen zweier Systeme, so überschreibt die Stiftung die Ergebnisse der von der kenianischen Denkfabrik IREN (Inter Region Economic Network) durchgeführten Online-Befragung.

Kenia Startschuss Standard Gauge Railway
China finanzierte in Kenia auch eine Bahnstrecke - sie ging 2019 mit ihren Waggons auf Fahrt Bild: Simon Maina/AFP

Dabei falle auf, dass die Europäer in der Wahrnehmung von Entscheidungsträgern bei den meisten Leistungsindikatoren besser dastünden, sagt Stefan Schott, Projektleiter Ostafrika und Global Partnership Hub bei der Friedrich-Naumann-Stiftung. Hervorzuheben seien die sozialen Standards, die Bereitstellung von Arbeitsplätzen für Einheimische, Umweltstandards, die Qualität der Produkte. Auf einer Liste mit 17 Kriterien haben chinesische Unternehmen nur bei vier Indikatoren die Nase vorn - sie entscheiden schneller, setzen Projekte schneller um, mischen sich weniger in innere Angelegenheiten ein - und haben weniger Skrupel vor dem Einsatz von Korruption, die nach Wahrnehmung der Befragten aber auch bei europäischen Unternehmen zum Einsatz kommt.

Keine Vorschriften machen

"Offenkundig sind das die wichtigsten Faktoren, anders ist der Erfolg der Chinesen in Afrika nicht zu erklären", sagt Schott im DW-Interview. Die Europäer müssten daraus ihre Schlüsse ziehen. Das betreffe auch ihren Ruf, Vorschriften zu machen. "Die paternalistische Verhaltensweise der Europäer ist ein Problem, damit haben die Afrikaner Schwierigkeiten", betont Schott.

Wie lautet angesichts dieser Erkenntnis die Empfehlung an die deutsche und europäische Afrikapolitik?: "Wir würden nie dazu raten, die europäischen Werte Demokratie, Menschenrechte, Nachhaltigkeit über Bord zu werfen. Das würde die Position Europas schädigen", sagt Schott. Aber die Länder müssten kritisch hinterfragen, ob man mit europäischen Maßstäben an Verhältnisse in Afrika herangehen sollte oder ob dies übertrieben sei. "Wenn die besten Standards so hoch sind, dass die Chinesen immer das Geschäft machen, hat man für die soziale Lage nichts Gutes bewirkt", sagt Schott zur DW. Die Europäische Union rede von Werten, aber wenn eine fertige Straße zu einem Dorf führe, sei das auch ein Wert.

Eine europäische Investitionsbank für Afrika?

Schott bringt auch die Idee einer europäischen Investitionsbank ins Spiel, mit dem Mandat für schnelle Entscheidungen. Damit nicht erst alle 27 Mitgliedsländer der Europäischen Union befragt werden müssten - das führe zu Langsamkeit. Geprüft werden müsse unbedingt das von europäischen Politikern gern betonte Verhältnis auf Augenhöhe mit afrikanischen Partnern. Dazu sagt Schott: "Die Umfrageteilnehmer sehen das nicht, sondern nehmen Afrika eher als Hilfsempfänger wahr."

Senegal Ursula von der Leyen und Präsident Macky Sall
Europa will in Afrika investieren - allerdings legt die EU starken Wert auf gute Regierungsführung bevor Felder fließenBild: Christophe Licoppe/EU-Kommission/picture alliance

Für den kenianischen Ökonomen und Mitautoren der Studie James Shikwati ist genau das der springende Punkt: Die Europäer seien in ihrem überholten Blick auf Afrika festgefahren, sagt Shikwati im DW-Interview. Sie diktierten den Afrikanern, was sie bräuchten, und seien in ihrem eigenen Wertesystem gefangen, das halte sie zurück. Europa lege Wert auf Regierungsführung, die Chinesen auf "Hardware", die konkrete Infrastruktur zum Anfassen: "Sie fragen: Welche Straße soll von wo nach wo gebaut werden? Aber die Europäer prüfen erst, wie viele Insekten darüber laufen", sagt Shikwati und lacht. "Das funktioniert so nicht in Afrika." 

Umdenken auf beiden Seiten gefordert

Europa müsse seine Investitionspläne und Ansätze für sein Engagement auf bestimmte Regionen maßschneidern und flexibel handhaben. Für Afrika bedeute das, eine wettbewerbsfähige und strategisch fokussierte Politik anzubieten, anstatt gegen Bestehendes zu kämpfen, sagt Shikwati. Das sei das alte Europa, aber gefragt sei ein neues Denken. "Es geht nicht nur um Migranten, die aus Afrika kommen, sondern Anreiz sollten die gewaltigen Möglichkeiten sein, die in Afrika für Investitionen und Entwicklung bestehen."

Nur vier Prozent der chinesischen Investitionen flössen nach Afrika, sagt der Ökonom. Der Rest gehe in die Vereinigten Staaten, nach Europa und in andere Regionen. Aber diese vier Prozent hätten in nur knapp 20 Jahren viel hervorgebracht in armen afrikanischen Ländern - und zugleich den Einfluss Chinas als wichtigstem Handelspartner auf dem Kontinent gefestigt. Wie viele Wahlen eine Regierung durchführe und wie die Menschenrechte eingehalten würden, sei wichtig, betont Shikwati. Einen großen Umschwung für afrikanische Länder bringe das aber nicht.