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"Afrika vergisst seine Jugend"

Julia Hahn10. September 2015

Hunderte Afrikaner sind allein dieses Jahr im Mittelmeer auf ihrem Weg nach Europa ertrunken. Aber wo bleibt der Aufschrei, wo die Taten der Entscheider in den Heimatländern? Stimmen vom Forum "Africa Beyond 2015".

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Flüchtlinge erreichen Hafen von Palermo
Bild: picture alliance/ZUMA Press/A. Melita

Männer und Frauen in schicken Outfits schütteln Hände, tauschen Visitenkarten. Alles läuft hoch professionell auf dem 'International Economic Forum on Africa' in Berlin. Und dann findet einer plötzlich hoch emotionale Worte. Das Bild des kleinen Aylan Kurdi aus Syrien in seinem roten T-Shirt, leblos am türkischen Strand, ginge ihm einfach nicht mehr aus dem Kopf, sagt Ghanas Präsident John Dramani Mahama. "Dieser Junge könnte genauso gut eines der vielen afrikanischen Kinder sein, die im Mittelmeer ertrunken sind, an einer anderen Küste, zu einer anderen Zeit."

Afrika dürfe die Augen nicht verschließen

Rund 70.000 Afrikaner haben sich nach Angaben der Vereinten Nationen allein dieses Jahr schon auf die gefährliche Flucht übers Mittelmeer gemacht. Sie fliehen nach Europa - vor Verfolgung in Eritrea, vor dem Terror von Boko Haram in Nigeria, sie suchen Schutz vor dem Bürgerkrieg im Sudan oder gehen, weil sie in Gambia keine Arbeit finden. Gerade die Jugendarbeitslosigkeit ist in vielen afrikanischen Ländern hoch, und dieses Problem könnte sich noch verschärfen. Bis 2050 werden laut Prognosen zwei Milliarden Menschen auf dem Kontinent leben; jeder Zweite wird dann unter 18 Jahre alt sein.

Berlin 15th International Economic Forum on Africa (Foto: cc-by-nc-Frederic Schweizer)
Fordert Taten von Afrikas Politikern: Der ehemalige Bundespräsident Horst KöhlerBild: cc-by-nc-Frederic Schweizer

"Barmherzigkeit und Solidarität"

Von den rund 800.000 Flüchtlingen, die Deutschland in diesem Jahr erwartet, kommen nach Schätzungen der Bundesregierung etwa 15 bis 20 Prozent aus Afrika. "Warum wollen manche afrikanische Regierungen offenbar nicht wahrhaben, dass so viele junge Menschen ihr Leben riskieren, nur um raus zu kommen aus ihren Heimatländern?", fragt der ehemalige deutsche Bundespräsident Horst Köhler. "Wo sind ihre Ideen, ihre Anstrengungen, um der Jugend Perspektiven zu bieten?" Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller will künftig mehr mit den afrikanischen Regierungen zusammenarbeiten. "Wir müssen eine Ausbildungsinitiative starten, besonders für die Frauen und Mädchen, und für die Jugend insgesamt". Man müsse aber auch gemeinsam Kriminalität und Schlepperbanden bekämpfen.

Nur ein winziger Bruchteil aller Geflüchteten aus Afrika schafft es nach Europa. In Afrika selbst befinden sich rund 15 Millionen Menschen auf der Flucht. Sie suchen Zuflucht innerhalb ihrer Heimatländer oder in den Nachbarstaaten - vor allem vor Krieg und Gewalt. Was aber tun, damit die Zahl der Hoffnungslosen nicht weiter steigt?

Kongo Flüchtlinge
15 Millionen Menschen fliehen aus ihrer Heimat: Seit Jahren versinkt Afrika in einer FlüchtlingskriseBild: Getty Images/AFP/J. D. Kannah

Afrikanische Lösungen

"Jede Gemeinde muss Zugang haben zu einem Minimum an Bildung, Gesundheitsversorgung und Geschäftsmöglichkeiten", sagt Victoire Tomégah-Dogbé. Sie ist Ministerin für Entwicklung, Handwerk und Jugend im westafrikanischen Togo. Dort hätten im vergangenen Jahr 400.000 Menschen Zugang zu Mikrokrediten bekommen. "Das ist nicht teuer und die Leute sehen, dass das Wachstum ihnen unmittelbar zugutekommt".

"Wenn sich wirtschaftlich nichts tut, hauen die jungen Leute ab", sagt Kassi Jean-Claude Brou, Industrieminister in der Côte d'Ivoire. In seinem Land lebt ein Viertel der rund 24 Millionen Einwohner in der Wirtschaftsmetropole Abidjan - dort wird auch der größte Teil des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. "Wir müssen die ländlichen Regionen stärken, in Strom, Straßenbau und die medizinische Versorgung investieren, hier die Landwirtschaft fördern und dort den Tourismus".

Togo Ministerin Victoire Dogbé-Tomegah
Togos Jugendministerin Victoire Dogbé-TomegahBild: DW/K. Tiassou

Einer der auf diesem Gipfel ganz genau zuhört, ist Ousseini Ouedraogo aus Burkina Faso. Er macht gerade einen Master in 'Demokratischem Regieren und Zivilgesellschaft' an der Uni Osnabrück. "Die Jugendlichen in Afrika werden einfach nicht einbezogen in Entscheidungen; sie werden von der Politik vergessen", sagt der 35-Jährige. Er habe in Deutschland viel gelernt, aber nach seinem Studium will er zurück nach Burkina Faso. "Afrika braucht mich dringender."