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Afrika zwischen Grabhacke und Mähdrescher

Sabine Kinkartz, Berlin19. Januar 2016

Im Jahr 2030 soll auf der Welt kein Mensch mehr Hunger leiden. Ein sehr ambitioniertes Ziel, für das die Nahrungsmittelproduktion verdoppelt werden muss. Afrika nimmt dabei eine Schlüsselposition ein.

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Landwirtschaft Tansania
Bild: DW/K. Makoye

Knapp 800 Millionen Menschen hungern weltweit, in Afrika ist es jeder fünfte. Es ist ein Teufelskreis aus Hunger, schlechter Ernährung, angegriffener Gesundheit, niedriger Produktivität und Armut, in die weiter wachsende Bevölkerung gefangen ist. Das Paradoxe: Vor allem in den ländlichen Gebieten wird gehungert, dort wo das Potenzial liegt, wo Pflanzen angebaut und Lebensmittel produziert werden könnten. Doch von den etwa 60 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben in Afrika gehören dreiviertel Landwirten, die weitgehend für den eigenen Bedarf wirtschaften und ihre Arbeit manuell verrichten.

Auch in Sambia, einem der ärmsten Länder der Welt, ist die Grabhacke das am häufigsten anzutreffende landwirtschaftliche Werkzeug. 15 Millionen Menschen leben in Sambia, 80 Prozent sind kleine Bauern, die unter schwierigen Bedingungen kleine Parzellen beackern. Die Probleme seines Landes seien mit denen anderer Länder in Subsahara-Afrika durchaus vergleichbar, räumte Sambias Landwirtschaftsminister Given Lubinda auf der Agrarmesse "Grüne Woche" in Berlin ein.

Misswirtschaft und Verschwendung

Der Minister weiß aber auch, dass in Sambia viele Probleme hausgemacht sind. Denn gemessen an seinen Voraussetzungen könnte das Land viel besser abschneiden. "Von 75 Millionen Hektar Land sind 58 Prozent sehr fruchtbares Ackerland und wegen der geringen Einwohnerzahl entfallen auf jeden Sambier fünf Hektar Land. Da können viele andere Länder nicht mithalten", so Lubinda.

Sambia Landwirtschaft Baumwollanbau
Neben Getreide, Soja und Hülsenfrüchten wird in Sambia auch Baumwolle angebautBild: Thomas Kruchem

Viel wichtiger ist, dass Sambia in der Regel über ausreichend Wasser verfügt. 160 Milliarden Liter seien es pro Jahr, erklärt der Minister, das sind 40 Prozent dessen, was im südlichen Afrika insgesamt vorhanden ist. "Es gibt großes Potenzial für Bewässerung und Fischzucht." Doch dafür müsste das Wasser aufgefangen und genutzt werden. Stattdessen werden jährlich 100 Milliarden Liter in den Indischen Ozean geschwemmt.

Lubinda gibt sich trotzdem optimistisch. "Sambia liegt in der Mitte des südlichen Afrikas und wer hier in die Landwirtschaft investiert, der baut nicht nur für Sambias Bevölkerung an, sondern für die 400 Millionen Menschen in der Region." Doch davon ist Sambia, wie so viele andere afrikanische Länder auch, meilenweit entfernt. Seit Jahren und Jahrzehnten wird darüber diskutiert, wie die Landwirtschaft auf dem schwarzen Kontinent in Gang gebracht werden kann. Eine "grüne Revolution" müsse es geben, da sind sich alle einig. Doch wie kann die initiiert werden?

Kleine Bauern oder große Kooperativen?

Ein Thema, das auf der Grünen Woche alljährlich auf einem Agrarministergipfel und einer speziell auf die Welternährung zugeschnittenen Konferenz besprochen wird. Streit gibt es regelmäßig über die Frage, ob die Zukunft der afrikanischen Landwirtschaft in der Förderung der vielen Millionen Kleinbauern liegt, oder in großen Agrarbetrieben ausländischer Investoren. Für Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt ist das keine Frage. Man müsse auf allen Ebenen aktiv sein und für jedes Land einen maßgeschneiderten Weg finden. "Eine Lösung wird es aber nicht ohne privates Kapital und Investment geben."

Doch wie weit kann dieses Investment gehen? In Afrika kaufen private und staatliche Akteure seit Jahren Ackerflächen auf, das "Landgrabbing" ist ein ernstes Problem. Laut der Webseite Landmatrix.org, die von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützt wird, liegen 70 Prozent der schätzungsweise 56 Millionen Hektar Land, die seit der Jahrtausendwende weltweit verkauft worden sind, in Afrika. Die Bewirtschaftung ist ein einseitiges Geschäft, das darauf ausgelegt ist, Rohstoffe ins Ausland zu exportieren. Die einheimische Bevölkerung profitiert davon kein bisschen.

Ohne Maschinen geht es nicht

Das erkennt auch Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt an. "Der Landverkauf ist oft das einfachste, führt aber nicht zur Landbewirtschaftung", sagt er. "Wir müssen einen politischen Weg gehen und auch die bestehenden landwirtschaftlichen Strukturen stärken und in der Produktionskette halten." Die Kleinbauern müssten dazu mit einem Minimum an technischen Fähigkeiten ausgestattet werden. "Dafür muss man an die, die Erfahrungen in der Mechanisierung haben, herangehen und sie als Verbündete gewinnen."

Aus Schmidts Blickwinkel ist Martin Richenhagen ein solcher Verbündeter. Der Chef des US-amerikanischen Landmaschinenherstellers AGCO ist ein sehr erfolgreicher Manager, für den Landwirtschaft vor allem "big business" ist und der in Afrika großes Potenzial sieht. "Die Landwirtschaft in Afrika ist in einem Zustand, vergleichbar mit Europa vor zweihundert Jahren." Andererseits fühlt sich Richenhagen aber auch einer gewissen Ethik verpflichtet. "Das Schöne ist, dass man etwas Gutes tun kann für die Afrikaner und die Ernährung der Welt und auf der anderen Seite für die Aktionäre, indem man Geld verdient."

Profitieren und etwas bewegen

Für AGCO sieht das so aus, dass der Konzern ein Werk in Algerien gebaut hat und dort Traktoren, Anbaugeräte und Mähdrescher für den afrikanischen Markt produziert. Um die Maschinen an die Bauern zu bringen, reicht das aber nicht aus. "Man muss versuchen, die Ausbildung mitzuliefern und den Leuten zu erklären, wie man eigentlich moderne Landwirtschaft betreibt", sagt Richenhagen.

In Sambia hat der Konzern daher hundertzwanzig Hektar brachliegende Fläche in der Nähe der Hauptstadt aufgekauft und landwirtschaftlich nutzbar gemacht. Bauern, Studenten und Händler werden hier mit den konzerneigenen Maschinen vertraut gemacht und vom Nutzen der Mechanisierung überzeugt. Gemüse und Getreide, die auf dem Schulungsgelände erzeugt werden, werden an eine Schule verschenkt.

Mikro-Leasing für Landmaschinen

Doch kleine Betriebe haben weder das Geld, um sich einen Traktor zu kaufen, noch würde sich diese Investition für ein paar Hektar Land lohnen. Deswegen verleiht AGCO die Maschinen auch für einen Tag. "Emerging Farmers' Mechanisierungspaket" heißt das Angebot, das neben einem Traktor auch eine Egge, einen Pflug, Grubber, Pflanzer, Anhänger oder eine Transportbox enthält."Morgens kommt der Bauer und wird in die Funktionen eingewiesen, dann pflügt er zwei Stunden, kommt zurück, wird freundlich gebeten, die Maschine zu säubern, vollzutanken und nach dem Öl zu schauen – wenn er das nicht macht, muss er mehr bezahlen", erklärt Richenhagen das Geschäftsmodell, das als "Mikro-Leasing" immer größere Kreise zieht.

Deutschland Christian Schmidt mit Given Lubinda und Martin Richenhagen
Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt mit Martin Richenhagen, CEO von AGCO und dem Landwirtschaftsminister von Sambia, Given Lubinda (v.l.)Bild: AGCO/B. Pritzkuleit

Maschinen zu verleihen sei natürlich ein mühsameres Geschäft, als einen Traktor einmal zu verkaufen und "eine schöne Marge zu generieren", räumt Richenhagen ein. "Man muss schon 200 Mal vermieten, um an das gleiche Ergebnis zu kommen." Vor vier Jahren hat AGCO mit dem Mikro-Leasing begonnen. "Das ist ein Renner", sagt der Chef. Für den Konzern sind die Risiken bei einer kurzzeitigen Vermietung zudem geringer als bei einem jahrelangen Leasing-Vertrag. "Da ist der Traktor schon mal weg oder der Landwirt ist pleite und kann nicht mehr bezahlen."

Genossenschaften und Maschinenringe

Natürlich ist für AGCO langfristiges Ziel, den Markt zu erschließen und Landmaschinen auch zu verkaufen. Doch das wird nur möglich sein, wenn die Landwirtschaft sehr viel produktiver wird. Was dem Kontinent nutzt, nutzt also auch dem Maschinenbauer. "Unsere Investitionen in die afrikanische Landwirtschaft werden dazu beitragen, eine nachhaltige Nahrungsmittelversorgung zu gewährleisten und Wirtschaftswachstum zu generieren", heißt es daher.

Für Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und seinen Amtskollegen aus Sambia ist das ein Weg, den sie voll unterstützen. Zukunftsweisend erscheint ihnen vor allem das Modell der Genossenschaften, in denen sich kleine Bauern zusammenschließen, um so beispielsweise auch gemeinsam Maschinen zu nutzen. "In der afrikanischen Gesellschaft lebt man in Clustern, in Großfamilien, das ist ein guter Ansatz für eine Genossenschaft", sagt Minister Lubinda. Eine Genossenschaft habe größere Handlungsspielräume auch beim Vertrieb, könne also auch größere Mengen absetzen. Schmidt betont, es sei sehr wichtig, Frauen ins Management der Genossenschaften einzubeziehen. "Frauen haben offensichtlich einen besonders strikten Blick darauf, dass das Geld zusammengehalten wird."