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PolitikAfrika

Afrikas Hürden auf dem Weg zur Corona-Impfung

11. Dezember 2020

Während in Westeuropa die Impfungen schon begonnen haben, muss Afrika warten. Arme Länder können sich den Impfstoff gar nicht leisten - und ohne Strom und Kühlgeräte wird die Verteilung ein echtes Problem.

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Kenia Corona-Pandemie
Corona-Tests im Nairobi West Hospital: Die Impfungen stellen viele afrikanische Länder vor große Herausforderungen Bild: Getty Images/AFP/T. Karumba

Im Großbritannien sind am Dienstag (08. Dezember) die ersten Menschen gegen Covid-19 geimpft worden. John Nkengasong, Leiter der afrikanischen Seuchenschutzbehörde CDC, warnt, dass es ein "extrem schreckliches" Bild abgebe, wenn die Welt zusehen würde, wie Afrika keine Impfungen bekäme. Während sich weitere europäische Länder auf Impfungen vorbereiten, steht Afrika noch ganz am Anfang. Nkengasong sagte Anfang Dezember, dass die Massenimpfung erst Mitte 2021 beginnen werde.

Denn Afrika steht vor einer ganzen Reihe an Herausforderungen: Im Oktober schätzte Nkengasong in einem Artikel in der Fachzeitschrift "Nature", dass insgesamt 1,5 Milliarden Impfdosen nötig wären, um 60 Prozent der Bevölkerung zu impfen. Kostenpunkt: zwischen 7 und 10 Milliarden US-Dollar.

Genug Impfstoff für alle?

Geld, das viele afrikanische Länder nicht haben. Ein Ausweg: Die COVAX-Initiative. Die EU-Kommission, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Frankreich haben sie im April ins Leben gerufen. Die Initiative soll dafür sorgen, dass alle Länder gleichberechtigten Zugang zu Corona-Impfstoffen haben. Ärmere Länder sollen auch finanziell unterstützt werden. 46 afrikanische Staaten können laut WHO darauf hoffen. 

Eine Krankenschwester impft Patienten in Großbritannien
In Großbritannien haben die ersten Menschen Impfungen gegen Corona bekommenBild: Andrew Milligan/REUTERS

Bis Ende 2021 sollen zwei Milliarden Impfdosen zur Verfügung stehen, damit vor allen Risikogruppen und Beschäftigte im Gesundheitssektor geimpft werden können. Für die ärmeren 92 Staaten sind davon laut Impfallianz Gavi eine Milliarde Impfdosen vorgesehen. Im Vergleich: Laut einer Oxfam-Studie vom September haben sich Industrie- und Schwellenländer bereits mehr als fünf Milliarden Impfdosen gesichert. Experten wie John Nkengasong fürchten daher, dass gar nicht genug Impfstoff für Afrika übrig bleiben wird.

Kein Strom, keine Kühlschränke 

Der Gesundheitsexperte Yap Boum sieht noch eine andere Möglichkeit. Er weist darauf hin, dass Uganda und einige andere Länder eigene Versuche mit Impfstoffen durchführen: "Ich denke, dass ist auch ein Weg die Impfung zu bekommen und gleichzeitig rauszufinden, ob sie wirkt oder nicht," sagte er zur DW. 
Doch auch die Impfstoffe, die bereits auf dem Markt sind, können in Afrika nicht ohne Probleme eingesetzt werden. Der in Großbritannien verwendete Impfstoff von BioNTech-Pfizer etwa muss bei -70 Grad gekühlt werden. "Wir erwarten Probleme, insbesondere im Bereich der Lagerung und Verteilung dieser Impfungen, sowie durch den Energiebedarf", sagt UNICEF-Expertin Michelle Seidel im DW-Interview.

Biontech Covid-19 Impfstoff
Der Impfstoff muss bei -70 Grad gekühlt werdenBild: Laci Perenyi/picture alliance

Denn der Stoff muss in speziellen Kühlschränken gelagert werden. In vielen ländlichen Regionen gibt es aber keine Stromversorgung, in vielen Großstädten kommt es regelmäßig zu Ausfällen. "Die Ultratiefkühlschränke brauchen Notstromaggregate oder Notstromerzeuger. Das wird wirklich sehr herausfordernd", so Seidel. 

Auch Afrikas oberster Seuchenbekämpfer John Nkengasong hat laut der Nachrichtenagentur Reuters die Regierungen des Kontinents aufgerufen, die Kühlsysteme bis Februar kommenden Jahres auszubauen. Laut UNICEF-Expertin Seidel unterstützt auch die COVAX-Initiative afrikanische Länder dabei.

Angst vor der Impfung

Gesundheitsexperte Boum sieht noch eine weitere Herausforderung. "Wir erwarten Widerstand in der Bevölkerung schon allein wegen der Debatte um die Impfung, aber mehr noch wegen der [allgemeinen] Debatte um Impfstofftests in Afrika." 

 Impfkampagne gegen Cholera nach Überschwemmungen in Mosambik
Das Thema Impfen ist in Afrika umstrittenBild: picture-alliance/AP Photo/T. Mukwazhi

Denn schon vor Beginn der Corona-Epidemie waren Impfstofftests in Afrika umstritten. Zur Debatte über den Corona-Impfstoff haben maßgeblich zwei Wissenschaftler durch ein Interview im französischen TV beigetragen. Laut Süddeutscher Zeitung fragte ein Arzt den Forscher Camille Locht, ob man entsprechende Studien nicht in Afrika machen sollte, "wo es keine Masken, keine Behandlungsmöglichkeiten und keine Wiederbelebungsmaßnahmen gibt".

Die Debatte löste wütende Diskussionen in einigen afrikanischen Ländern aus. In der Debatte sei es darum gegangen, ob Afrikaner Versuchskaninchen für den Impfstoff seien, erzählt Gesundheitsexperte Boum. Deshalb sieht er einen großen Kommunikationsbedarf vor Einführung der Impfung. 

Sinnvoll sind die Impfungen aus Expertensicht aber auf jeden Fall. Chefvirologe Nkengasong sagte, dass in den nächsten zwei bis drei Jahren mindestens 60 Prozent der Bevölkerung geimpft werden müssten. Seine Befürchtung: Falls die Impfungen vier bis fünf Jahre dauern, könnte Corona in Afrika endemisch werden

DW Mitarbeiterin Lucia Schulten
Lucia Schulten Korrespondentin in Brüssel