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Politik

EU-Agrarsubventionen am Scheideweg

Max Zander
20. Oktober 2020

Die EU will grüner werden, aber ohne die europäischen Bauern ist dies kaum zu schaffen. Nun entscheidet sich in Brüssel die Zukunft der Agrarpolitik. Viel steht auf dem Spiel.

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Bild: DW/J. Ospina-Valencia

Zwar waren die Ränge verwaist und viele Redner nur per Video zugeschaltet. Dennoch brannte im Europäischen Parlament in Brüssel am Morgen die Luft. Seit 2018 wird in der EU die Reform für die gemeinsame Agrarpolitik verhandelt, die sowohl zukunftsfähig als auch klimafreundlich werden soll. An diesem Dienstag wurde im Parlament nun die gemeinsame Linie debattiert, mit der man in die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten treten will.

Ein schwieriges Unterfangen: Konservative, Sozialdemokraten und Liberale konnten sich auf einen vorläufigen Kompromiss einigen. Abgeordneter Martin Häusling dagegen, mit seiner Grünen Fraktion, gehört zu den Verlieren der Verhandlungen. Im Plenum bezeichnete er den Vorschlag als Lachnummer. "Mit dieser Reform - in Anführungszeichen - wird die Kommission weder den Green Deal machen können noch ihre Klimaziele erreichen", so Häusling.

Belgien Brüssel - Martin Häusling, Agrarausschuss, Mitglied des Europ. Parlaments
Ist mit dem jetzigen Vorschlag nicht einverstanden: Grünen-Politiker Martin HäuslingBild: EP

Landwirtschaft lässt sich die EU einiges kosten. Rund 390 Milliarden Euro sind für die gemeinsame Agrarpolitik im Haushalt für die nächsten sieben Jahre vorgesehen. Aber wie das Geld verteilt werden soll und unter welchen Bedingungen, darüber wird noch heftig gestritten. Auf der einen Seite stehen wirtschaftliche Interessen, auf der anderen Umweltschutz.

Mehr Eigenverantwortung bei Naturschutz

Viele Landwirte sind von den Zahlungen aus Brüssel abhängig. Sie sollen sicherstellen, dass die Versorgung mit Lebensmitteln in Europa gewährleistet wird und Bauern, die sich in der EU unter anderem an höhere Umweltstandards als in Drittländern halten müssen, ein angemessenes Einkommen haben.

Die größten Zuschüsse erhalten die Flächenländer Frankreich, Spanien und Deutschland. Bisher werden die sogenannten Direktzahlungen nach der Größe der bewirtschafteten Betriebe verteilt. Je größer die Fläche, desto höher der Zuschuss. Ein kleinerer Teil der Mittel geht in die Entwicklung des ländlichen Raums. 

Der neue Reformvorschlag der Kommission räumt Landwirten unter anderem mehr Freiheiten bei der Durchführung von Umweltschutzmaßnahmen ein. Die Kommission will in Zukunft nur die Ziele festlegen. Die Mitgliedsstaaten sollen selbst entscheiden, wie sie sie erreichen wollen. Ihre Programme müssen jedoch von der Kommission abgesegnet werden.

Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf einem Feld in Hamburg
Einsatz von Pflanzenschutzmitteln bei Hamburg: Landwirte sollen mehr Freiheiten beim Umweltschutz bekommen Bild: picture-alliance/dpa/C. Ohde

Neu im Vorschlag der Kommission sind auch die sogenannten "eco schemes" - Öko-Regelungen - für zusätzliche Umweltmaßnahmen, die jeder Mitgliedsstaat anbieten muss. Landwirte müssen davon nicht Gebrauch machen, können aber so an zusätzliches Geld kommen. Ein besonders umstrittener Punkt des Reformpakets ist die Kappung der Direktzahlungen. Bei 100.000 Euro Zuschuss pro Betrieb soll Schluss sein. Damit soll auch Korruption im großen Stil verhindert werden.

Umweltverbände schlagen Alarm

In vielen Punkten dürften Mitgliedsstaaten und Parlament sich in den kommenden Verhandlungen uneins sein. Ein Streitpunkt sind die Öko-Regelungen. Die deutsche Ratspräsidentschaft plädiert dafür, sie bei 20 Prozent der Mittel für Direktzahlungen anzusetzen. Dem Europäischen Parlament ist das deutlich zu wenig: Es will 30 Prozent.

Die Umweltverbände wollen noch weiter gehen. Sie schlagen vor, bei 30 Prozent einzusteigen und den Anteil mit der Zeit erhöhen. NGOs befürchten, dass das Ergebnis der Reform am Ende nicht mit den Klimazielen der EU in Einklang zu bringen sein wird. Der Präsident der Umweltorganisation NABU, Jörg-Andreas Krüger, sagte: "Wer jetzt nicht für eine ökologische Wende im Fördersystem stimmt, macht sich mitverantwortlich für die Fortsetzung des Sterbens in unseren Agrarlandschaften und für die sich fortsetzende, ökonomische Misere vieler Höfe."

Letztes Wort noch nicht gesprochen

SPD-Abgeordnete Maria Noichl, deren Fraktion den Kompromiss des Parlaments mitträgt, kritisierte ebenfalls die Qualität der Einigung. Man habe versucht, einen wirklich schlechten Entwurf zu verbessern, sagte sie. Eine eindeutigere Zielsetzung werde benötigt, sowie eine gute grüne und soziale Architektur in der Landwirtschaft.

Während im Brüsseler Parlament die Debatte lief, rangen zeitgleich rund 200 Kilometer entfernt in Luxemburg die EU-Landwirtschaftsminister ebenfalls um eine gemeinsame Linie. Die Gespräche dort führt während der deutschen Ratspräsidentschaft Bundesministerin Julia Klöckner. Keine leichte Aufgabe, denn gerade bei der angepeilten engeren Verknüpfung zwischen den Zahlungen an Landwirte und Umweltmaßnahmen liegen die Positionen weit auseinander.

So wandte sich Abgeordnete Maria Noichl mit einem Appell auch an die Ministerin in Luxemburg: "Frau Klöckner, wenn Sie sich trauen das Ergebnis hier im Parlament zu verwässern, dann versündigen Sie sich an der nächsten Generation."