Ai Weiwei - "Wo ist die Revolution?"
"Alles ist Kunst. Alles ist Politik" ist das Leitmotiv der Arbeit des bekannten Gegenwartskünstlers. Eine große Ausstellung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen zeigt Installationen und Werke Ai Weiweis aus zehn Jahren.
"Life Cycle", 2018
"Kreislauf des Lebens" hat Ai Weiwei sein 17 Meter langes Totenschiff aus Bambus und Sisal mit geisterhaften Figuren genannt, die die Köpfe der zwölf chinesischen Tierkreiszeichen tragen. Es steht in Verbindung mit "Idomeni", 2016, einer Wandtapete mit Fotos aus dem damals geräumten Flüchtlingscamp, und dem Video "Calais", 2018, mit Aufnahmen aus dem wilden Flüchtlingslager "Dschungel".
"Laundromat", 2016
2.046 Kleidungsstücke hängen in diesem "Waschsalon" an 40 Kleiderständern, frisch gereinigt und sortiert. Flüchtlinge haben sie zurückgelassen, als 2016 die "Balkanroute" und das überfüllte Lager Idomeni geschlossen wurde. Ai Weiwei ließ sie in sein Berliner Atelier bringen und sorgfältig aufarbeiten. Mit neuer Würde erzählen sie von Flucht, Verfolgung und Leid.
"Blue and white porcelain plates", 2017
Das Elend menschlicher Migration hat der Künstler auf Teller aus blau-weißem Porzellan gebannt. Mit traditionell anmutenden Dekors wurden sie in Jingdezhen gebrannt, der Hauptstadt des chinesischen Porzellans. Doch die Bilder zeugen von Krieg, Ruinen, der Reise, der Überfahrt über das Meer, von Flüchtlingslagern. Motive, die Ai Weiwei aus eigenen und Internet-Fotos entwickelt hat.
"Camera with Plinth", 2015, "Odyssee", 2016
Die Motive der Wandtapete gemahnen an Homers Epos des tapferen Odysseus. Doch sieht man genau hin, zeigen sie Motive von Flucht und Migration. Die Kamera aus Marmor ist auf die Boote gerichtet, ein Symbol staatlicher Überwachung. Dieses Motiv beschäftigt Ai Weiwei seit langem. Nach seiner Haft 2011 hatten die Behörden mehr als zwanzig Überwachungskameras rund um sein Atelier in Peking platziert.
"Study of Perspective", 1995-2011/2014
Auf die Wandtapete "Odyssee" hat Ai Weiwei auch eine vierzigteilige Fotoserie gehängt, Bilder von Gebäuden staatlicher oder kultureller Repräsentation, Ai Weiwei zeigt ihnen den ausgestreckten Mittelfinger. In Verbindung mit den Motiven von Flucht und Migration lässt sich die Serie als Anklage der politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsträger verstehen, die diese Stätten beherrschen.
"Perspektivstudie", 1995-2011/2014
Die Fotos von Orten aus China sind die einzigen nicht-farbigen in der Serie. Die Schwarz-weiß-Aufnahmen des Platzes des Himmlischen Friedens und von Hongkong erhalten dreißig Jahre nach der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Tian’anmen und in ganz China besondere Bedeutung.
"The Animal That Looks Like a Llama but Is Really an Alpaca", 2015
Der seltsame Titel gilt der Wandtapete mit ironischem Luxusdekor von Ketten, Handschellen und Überwachungskameras. Davor steht der "Circle of Animals", 2011, Bronze-Köpfe der zwölf Tierkreiszeichen. Die im 18. Jahrhundert ursprünglich von westlichen Kunsthandwerkern geschaffenen Tierplastiken wurden von China als nationale Symbole vereinnahmt - ein immer wieder neu abgewandeltes Thema Ai Weiweis.
"S.A.C.R.E.D.", 2011-2013
Die Eisenkisten, die im vorherigen Bild im Vordergrund zu sehen sind, erinnern an Ai Weiweis 81-tägige Haft im Jahr 2011. Kleine Öffnungen geben den Blick ins Innere der sechs Boxen frei. Zu sehen sind Figurengruppen mit Ai Weiwei und Wärtern, eine realistische Darstellung der Menschenrechtsverletzungen, die er während seiner Haft erlebte. Hier überwacht der Uniformierte Ais Toilettengang.
"Straight", 2008-2012
Auch dieses Kunstwerk aus Armierungsstahl in 142 sargähnlichen Transportkisten ist eine schreiende Anklage. Mit den von Beton gereinigten und geradegebogenen Stahlruten erinnert Ai Weiwei an die Erdbebenkatastrophe von Sichuan 2008, als 70.000 Menschen umkamen. Mehr als 5.000 Kinder starben in Schulen, die einstürzten, auch weil korrupte Lokalpolitiker am Baumaterial gespart hatten.
"Sunflower Seeds", 2010, "Zodiac", 2018
Das Werk "Sonnenblumenkerne" war zuerst 2010 in der Londoner Tate Modern zu sehen. Noch während die Schau lief, wurde Ai Weiwei in China ohne Anklage verhaftet und an einen unbekannten Ort verschleppt. In der Düsseldorfer Ausstellung umrahmt der Künstler seinen Teppich aus Porzellankernen mit Bildern der - erneut interpretierten - zwölf Tierkreiszeichen.
"Tierkreis", 2018 (Detail)
Die zwölf Bilder bestehen aus Legosteinen, Sie wirken deshalb wie pixelartige Gemälde. Die Tierköpfe rufen eine Vorstellung ewiger Kreisläufe und des vorbestimmten Schicksals wach. Im Hintergrund der Tierkreiszeichen zeigt Ai Weiwei Repräsentationsbauten aus seiner Serie "Study of Perspective", der Künstler verschmilzt somit zwei Serien.
Video "Sunflower Seeds", 2010, "I.O.U", 2011-2013
Ein Video, das den Herstellungsprozess der 100 Millionen Sonnenblumenkerne erklärt, läuft vor einer Wandtapete aus Schuldscheinen. Nach seiner Haft musste Ai Weiwei eine angebliche Steuerschuld von 1,7 Millionen Euro bezahlen. Menschen aus dem In- und Ausland schickten ihm Geld, und er stellte 13.719 kunstvoll gestaltete Schuldscheine (I.O.U. = I Owe You) aus, bis er das Geld zurückzahlen konnte.
"Sunflower Seeds", 2010
Viele Millionen Porzellan-Sonnenblumenkerne wurden von 1.600 Kunsthandwerkern über zwei Jahre hinweg individuell hergestellt,ebenfalls in der chinesischen Porzellanmetropole Jingdezhen. Das Werk hat eine tief politische Assoziation: Die "Sonne", das war der Große Vorsitzende Mao Zedong, das Volk war wie die Kerne. Gegenwartsorientierter verweist es auf die chinesische Produktion von Massenwaren.
Ai Weiweis fünfte große Schau in Deutschland
Die Ausstellung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen ist in Düsseldorf in den Kunsthallen K20 und K21 zu sehen. #K20K21aiww.