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AIDS: Gegen das Vergessen

Philipp Sandner21. Juli 2016

Vor 16 Jahren hat die Welt-AIDS-Konferenz schon einmal in Durban stattgefunden. Vieles hat sich seitdem verbessert. Doch die Krankheit ist vielerorts aus den Schlagzeilen verschwunden - mit fatalen Folgen.

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Activists Holding a poster demanding more funds for the fight against HIV and AIDS.
Bild: Getty Images/R.Jantilal

Manch einem der 18.000 Konferenz-Teilnehmer dürfte Durban noch bekannt sein. Im Jahr 2000 tagte schon einmal eine Welt-AIDS-Konferenz in der südafrikanischen Hafenstadt. Mit wegweisenden Folgen. "Eine AIDS-Infektion empfanden damals viele noch als Todesurteil", sagt die südafrikanische Aktivistin Lyn van Rooyen. "Dann sprach Nkosi Johnson, ein kleiner Junge, der mit HIV lebte. Präsident Mandela sprach über die großen Herausforderungen der Epidemie. Das brachte HIV auf die weltweite Agenda."

Heute bekommen weltweit 17 Millionen Menschen ARV-Medikamente, die ein Leben mit HIV möglich machen. Das sind 22 Mal so viele wie im Jahr 2000. Die Zahl der Todesfälle ist um 35 Prozent zurückgegangen. Doch Grund zum Feiern sehen die Experten nicht. Während HIV in manchen Weltregionen auf dem Rückzug ist, steigen die Infektionsraten andernorts wieder. Und auf einen Menschen in Behandlung kommen immer noch zwei, die auf die Medikamente warten.

"Es gibt Menschen, die seit 2000 und noch länger in diesem Kampf engagiert sind und müde werden. Sie sagen, dass sie immer noch nicht genug Mittel haben und keinen guten Zugang zu Medikamenten", sagt Lyn van Rooyen, die für das "Christliche AIDS-Büro im südlichen Afrika" (CABSA) an der Konferenz teilnimmt.

Fatale Folgen

Zudem macht den Experten Sorgen, dass viele Menschen AIDS nicht mehr als Bedrohung wahrnehmen. Auch Risikogruppen nicht. "Anfangs haben wir noch Kondome verwendet, aber seit einiger Zeit benutze ich keine mehr", erzählt eine Prostituierte aus der mosambikanischen Stadt Inchope der DW. Ähnliche Berichte gibt es auch aus anderen Ländern Afrikas. DW-Nutzer in Äthiopien berichten, dass Menschen aus ländlichen Gebieten in die Städte reisen, um ungeschützten Sex mit Prostituierten zu haben.

Konferenzteilnehmerin Lyn van Rooyen aus Südafrika.
AIDS-Aktivistin Lyn van Rooyen beklagt fehlende Mittel im Kampf gegen AIDS.Bild: Albin Hillert/WCC

"Das Bewusstsein für die Krankheit hat sehr nachgelassen", kommentiert Mulugeta Mesefan auf der DW-Facebook-Seite. "Die jungen Leute haben nicht das Gefühl, sich schützen zu müssen." Das liege vor allem daran, dass weniger Aufklärung betrieben werde. Sade Saidu Daura aus der nigerianischen Megastadt Lagos schreibt: "Die Aufklärungskampagne wird nicht so betrieben, wie es sein sollte. Immer noch gibt es Menschen, die nicht an die Krankheit glauben." Und Alhaji Mele aus Yusufari im äußersten Norden Nigerias zeigt sich frustriert: "Wir sind es leid, von Konferenzen zum Thema HIV/AIDS zu hören und keine Heilmittel zu bekommen."

Geldquellen versiegen

Fehlende Aufklärung - das liegt nicht zuletzt an den Prioritäten mancher Geber. Sie fahren ihre Programme zurück, weil sie die Krankheit für besiegt halten. Das spüren die Organisationen vor Ort. Auch CABSA hat in den letzten Jahren zwei wichtige Partner verloren. Südafrika habe in diesem Kontext ein ganz spezifisches Problem, sagt Lyn van Rooyen: "Unsere Partner nehmen Südafrika zunehmend als Land mit mittlerem Einkommen wahr und verlagern ihre Unterstützung in ärmere Länder." Doch AIDS-Expertin van Rooyen verweist darauf, dass Südafrika eines der Länder ist, in dem die Schere zwischen Arm und Reich besonders auseinanderklafft.

Dabei werden Gelder zur HIV-Bekämpfung gerade jetzt gebraucht. Um die Epidemie bis 2030 in den Griff zu bekommen, seien die nächsten vier Jahre entscheidend, sagt Astrid Berner-Rodoreda. Sie koordiniert die AIDS-Arbeit beim evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt". "Seit 2000 haben viele Organisationen, auch viele kirchliche Organisationen, HIV-Dienste aufgebaut. Aber in den letzten Jahren wurden bei vielen Organisationen andere Akzente gesetzt und die HIV-Arbeit heruntergefahren", so Berner-Rodoreda. Auf der Prioritätenliste standen stattdessen andere Themen: Klimawandel oder Ernährungssicherheit zum Beispiel. Viele Organisationen hätten nun mal den Ansatz, Themen nur für ein paar Jahre zu bearbeiten, meint Berner-Rodoreda. "Aber HIV ist natürlich ein Thema, das einen langen Atem braucht."

Brot für die Welt eine der wenigen kirchlichen Organisationen in Deutschland, die noch eigenes Personalkapazitäten für HIV haben. Ansonsten gilt die Devise des "Mainstreaming": So wird das Thema HIV etwa in die Themen Gesundheit oder Gender subsumiert. HIV solle nicht in eigenen Programmen behandelt werden, sondern Teil anderer Arbeitsbereiche werden. Kenner der Szene werten dies als versteckte Kürzung. Bei Brot für die Welt gebe es hingegen beide Ansätze, sagt Berner-Rodoreda: "Wir brauchen Projektpartner, die konkrete HIV-Arbeit machen. Aber wir möchten auch, dass sich Organisationen mit dem Thema auseinandersetzen, die im Menschenrechts- oder Ernährungsbereich arbeiten."

Kreuzung in der Stadt Inchope in Mosambik: eine Asphaltstraße, darüber blauer Himmel.
Kondome werden auf dem Straßenstrich von Inchope immer weniger genutzt.Bild: DW/A. Sebastião

Vorbild Niger

Wenn es gelingt, die Aufmerksamkeit für HIV und AIDS hochzuhalten und wenn die Finanzierung nicht nachlässt - dann, hoffen Aktivisten, kann die Epidemie besiegt werden. Der Fokus müsse dabei stärker auf besonders gefährdete Gruppen gelegt werden, mahnt das Aktionsbündnis gegen AIDS. Ein Ansatz, der in Niger erfolgreich ist. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen richten sich hier gezielt an Fernfahrer, junge Mädchen und an Prostituierte. Das Ergebnis ist beachtlich. Eine Prostituierte aus Tahoua berichtet der DW: "Von 50 Frauen, die sich testen lassen, ist kaum mal eine mit dem HIV-Virus infiziert. Wo immer sie hingehen, schützen sie sich mit Kondomen. Egal, wie viel Geld die Männer ihnen bieten: Sie bevorzugen es, gesund zu bleiben."

Mitarbeit: Arcénio Sebastiao, Issoufou Mamane