Akropolis adieu - willkommen Berlin
5. April 2010"Le streghe son tornate", die Hexen sind wieder da, diese Losung der italienischen Frauenbewegung fand Rianna Kounou passend als Namen für ihre Boutique. 20 Jahre lang war ihr Geschäft ein Kult-Laden in Athens Nobelviertel Kolonaki - bis zum letzten Herbst. Da machte Kounou einen radikalen Schnitt. Sie gab ihre Boutique in Athen auf und eröffnete eine neue in der deutschen Hauptstadt, genauer im mittlerweile teuren Ostberliner Viertel Mitte.
Hier, gleich neben den Hackeschen Höfen und dem jüdischen Gymnasium, liegt "Rianna in Berlin" - ein Geschäft irgendwo zwischen Boutique und Galerie. Auf 100 Quadratmetern findet man Kleider, Blusen, Schmuck, Tücher, Taschen, Kissen, Bilder, Stühle und andere Möbel. Mit Preisen zwischen 50 und 3000 Euro ist es hier nicht gerade billig. "Alles Unikate", betont Kounou, "die man weder nebenan noch anderswo in Berlin finden kann". Die Stoffe seien von exzellenter Qualität, die Verarbeitung sehr gut, alles Handarbeit. Und dafür seien die Preise gar nicht mal so hoch.
Auch die Griechen haben Style
Die Designer des Schmucks, der Kleidung und der anderen schöne Dinge kommen überwiegend aus Griechenland. Kounou hat sich für Landsleute entschieden, weil sie genauso gut seien wie Designer aus Deutschland, Frankreich oder Italien. Da aber Griechenland ein kleines Land ist, seien die griechischen Designer nicht so bekannt. Mit ihrem Laden wolle sie zeigen, dass Griechenland mehr zu bieten habe als Akropolis und Trachten.
Einen ausgeprägten Blick dafür, welche Mode gerade en vogue ist, hat Kounou in Athen bewiesen. Zwei Jahrzehnte gehörte ihr Laden zu den angesagtesten Boutiquen in Kolonaki. Nichtsdestotrotz begann es im letzten Jahr zu kriseln. Die Kunden seien nicht mehr so oft wie früher gekommen und wenn sie vorbeischauten, dann hätten sie nicht mehr so viel ausgegeben. "Wer früher zwei Kleider gekauft hat, kaufte jetzt nur noch eine kleine Tasche oder ein Schmuckstück", erinnert sie sich.
Die Geschäftsfrau hat versucht gegenzusteuern - organisierte Basars, Preisaktionen, Sales. Es half nichts. Die Kundschaft hielt sich zurück. In dieser Situation kam Kounou die Idee des Umzugs nach Berlin. Die Stadt war ihr nicht fremd. Hier hatte sie vor 27 Jahren das griechische Gymnasium absolviert. Nach dem Abitur drängte sie ihre Eltern, nach Griechenland zurück zu kehren - mit Erfolg.
Gute Erinnerungen an Berlin
Jetzt, fast drei Jahrzehnte später, kommt sie mit Mann und Kind in die Stadt zurück, die sie in guter Erinnerung behalten hat. Sie empfindet den Alltag in Berlin als weniger stressig, und das Leben ist viel günstiger als in Athen. In Griechenland hat sie für den Nachhilfeunterricht ihres zehnjährigen Sohnes bis zu 12.000 Euro jährlich aufgebracht. Aber nicht, weil ihr Sohn so schlecht war, sondern weil der Schulunterricht zu wenig leistete.
Teurer waren auch die schönen Dinge des Lebens. Wenn sie mit ihrem Mann abends ins Kino ging, dann musste sie für die Kinokarten und für die Betreuung des Sohnes mindestens 50 Euro aufbringen. Wenn sie danach noch in einem der billigeren Restaurants zum Essen gingen, kamen noch mal 80 Euro dazu. 130 Euro für Kino und Essen? Das sah sie nicht mehr ein. In Berlin sei das alles viel billiger zu haben.
Für ihre Geschäftsräume zahle sie die gleiche Miete wie in Athen: 2500 Euro. Allerdings lag ihr Laden in Kolonaki in einem Souterrain und war viel kleiner als der in Berlin. Zwar habe sie hier bei weitem noch nicht die Stammkundschaft, die sie in Athen hatte, aber die Zeichen stünden gut.
Sorgenvoller Blick nach Athen
Nicht so gut sähe es für ihr Heimatland aus, sagt Kounou. Trotzdem ärgert es sie, wie in deutschen Medien über Griechenland und die Griechen berichtet wird. "Mich ärgert diese oftmals abschätzige Art." Ihr sei allerdings bewusst, dass bei bestimmten Medien nicht die objektive Berichterstattung im Vordergrund stünde, sondern die Auflagezahlen.
Eine ebenso kritische Einstellung hat sie gegenüber Finanzhilfen für Griechenland. Kurzfristig seien die Kredite für das Land wichtig. Aber langfristig würden die Kredite die Probleme Griechenlands nicht lösen. Das könne nur im Land selbst geschehen. Gefragt seien vor allem die griechischen Politiker. "Sie sollen endlich etwas für das Land und den Staat tun - und nicht wie bislang nur an sich selbst denken".
Autor: Panagiotis Kouparanis
Redaktion: Kay-Alexander Scholz