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AKW-Bau ohne Rücksicht auf Verluste?

Nalan Sipar18. April 2015

Die Türkei will wirtschaftlich wachsen - und plant ein Atomkraftwerk in der Erdbebenregion Akkuyu, mit russischer Hilfe. Anwohner, Umweltaktivisten und Wissenschaftler kritisieren, dass die Gefahren ausgeblendet werden.

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Greepeace-Protest gegen das AKW Akkuyu - Foto: ADEM ALTAN/AFP/GettyImages
Protest gegen das AKW: "Akkuyu darf kein zweites Tschernobyl werden!"Bild: AFP/GettyImages/A. Altan

Ein türkisblauer Golf, der von idyllisch grünen Bergen umrandet ist, nahezu unberührte Natur. So sieht die Region Akkuyu in der Provinz Mersin am Mittelmeer aus. Die Landschaft und das Meer bieten zahlreichen Tieren ein Zuhause. So finden beispielsweise die vom Aussterben bedrohten Mittelmeer-Mönchsrobben in den Höhlen ein Versteck.

Ausgerechnet auf dieser jungfräulichen Natur soll nun ein Atomkraftwerk gebaut werden. "Unsere größte Sorge ist die Kühlung des Kraftwerkes und Chlor, das zur Abtötung kleiner Meerespflanzen benutzt wird", sagt Ali Cemal Gücü vom Institut für Meereswissenschaften der Middle East Technical University. Um das Kraftwerk zu kühlen, werde eine Million m³ Wasser pro Stunde ins Meer gespült, sagt er. "Im Sommer steigt die Meereswassertemperatur normalerweise bis zu 31 Grad. Deshalb gibt es hier nicht so viele Lebewesen. Aber nach Fertigstellung dieses Kraftwerks soll die Temperatur um bis zu 35 Grad steigen. Dort könnten keine Lebewesen leben oder sich fortpflanzen."

Erdbeeren und Bananen mit Strahlenwarnstempel?

Nicht nur die Tierwelt ist bedroht, auch die Erde kann geschädigt werden. "Die leckeren Erdbeeren oder Bananen, von deren Handel die Anwohner hier hauptsächlich leben, werden so mit einem Strahlenwarnstempel versehen", sagt Fulya Ugurkan aus Mersin. Sie ist die Sprecherin der lokalen Anti-Nuklear-Plattform. Die Händler und Produzenten fürchten die Gefahren und haben engagieren sich deshalb gegen den Kraftwerksbau.

Region Akkuyu - Foto: VELI GURGAH/AFP/Getty Images
Akkuyu: ein erdbebengefährdetes IdyllBild: Getty Images/Afp/Veli Gurgah

Die lokale Anti-Nuklear-Plattform bekommt Unterstützung von Greenpeace. Sie organisieren gemeinsame Aktionen. Bei der Grundsteinlegung für das Kraftwerk in dieser Woche - in Anwesenheit des türkischen Energieministers und Vertretern des russischen Atomkonzerns Rosatom - protestierten sie Arm in Arm.

"Mersin hat 300 Sonnentage im Jahr. Wir erwärmen unser Leitungswasser im Haushalt seit Jahren durch Solarenergie. Ich finde es sinnlos, gerade hier ein Kraftwerk zur Energiegewinnung zu bauen", meint die Aktivistin Fulya Ugurkan.

Türkischer Energieminister Taner Yildiz (links) und Rosatom-Direktor Sergey Kiriyenko (rechts) bei Grundsteinlegung für AKW Akkuyu - Foto: picture-alliance/dpa/Anil Bagriyanik/Anadolu Agency
Unter Protesten: Energieminister Taner Yildiz (l.) und Rosatom-Chef Sergey Kiriyenko (r.) legen Grundstein für das AKWBild: picture-alliance/dpa/Anil Bagriyanik/Anadolu Agency

Erdbebengefahr nicht berücksichtigt

Die idyllische Landschaft in Akkuyu birgt aber auch unsichtbare Gefahren in den Tiefen der Erde. Denn die Region liegt auf der Ecemis-Linie, hier reiben der tektonische Platten aneinander. Das kann laut Experten Erdbeben bis zur Stärke 7,9 hervorrufen. Ein Untersuchungsbericht des Ministeriums für Umweltund Städtebau hat die Sorgen nicht zerstreut. Der Erdbeben-Experte Ahmet Ercan vom Istanbuler Institut für Geophysik kritisiert, dass der Bericht die Erdbebengefahr nicht fündig untersucht habe.

Die Aktivistin Fulya Ugurkan aus Mersin ist ebenfalls besorgt. "Ein Tag nach dem der Grundstein für das Kraftwerk gelegt wurde, gab es ein Erdbeben in Zypern. Selbst dieses Beben haben wir hier gespürt", sagt Ugurkan.

Wann genau die Bauarbeiter anrücken werden, ist noch unklar. Ohnehin ist das ganze Projekt nicht transparent, kritisieren die Umweltaktivisten. Fulya Ugurkan sagt, dass rund 80 Prozent der Bevölkerung mittlerweile gegen den Bau sind. Und täglich werden es mehr.