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Al-Chamissi: "In Ägypten wird es ein Desaster geben"

24. Dezember 2012

Der Autor Khaled al-Chamissi sieht Ägypten auf eine schwere politische Krise zulaufen. Den Muslimbrüdern wirft er vor, das Land in einen islamischen Staat verwandeln zu wollen. Unterstützt würden sie durch die USA.

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Khaled al-Chamissi, ägyptischer Autor, bei einer Podiumsdiskussion (Foto: Wilma Knipp) Wer hat Foto gemacht? Wilma Knipp Wofür wird es verwendet Interview mit Chamissi zur Situation in Ägypten Schlagworte Ägypten, Chamissi, Verfassung, Mursi
Bild: Wilma Knipp

DW: Khaled al-Chamissi, seit Wochen befindet sich Ägypten in politischem Aufruhr. Nun ist die Verfassung angenommen. Wie sehen Sie die gegenwärtige Situation?

Khaled al Chamissi: Der Präsident führt einen Staatsstreich durch - und zwar einen gewaltsamen Staatsstreich. Der Präsident und die Muslimbrüder versuchen sämtliche Institutionen unter ihre Kontrolle zu bekommen, das Parlament und die Verfassung. Sie haben die Unterstützung der Vereinigten Staaten sowie der Erdölstaaten am Golf - etwa Saudi-Arabiens, Katars und Kuwaits. Darum versuchen sie den Staat so schnell wie möglich zu übernehmen. Auf der anderen Seite lehnen alle revolutionären Kräfte diesen Staatsstreich ab. Sie weisen mit allem Nachdruck darauf hin, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn die Muslimbrüder aber trotzdem damit fortfahren, wird es ein Desaster geben. Ich glaube darum, dass die nächsten Wochen und Monate nicht sonderlich friedlich werden. Es wird zu einem Krieg zwischen den Muslimbrüder auf der einen und den übrigen politischen Kräften auf der anderen Seite kommen.

Was wollen die Muslimbrüder? Was für eine Gesellschaft streben sie Ihrer Einschätzung nach an?

Die Muslimbrüder sind sehr konservativ und gehören im politischen Spektrum zur extremen Rechten. Ökonomisch stehen sie dem Neoliberalismus sehr nahe. Darum stehen sie auch Saudi-Arabien und den USA sehr nahe. Es gibt in Ägypten viele wichtige Geschäftsleute, die die Ansichten der Muslimbrüder teilen. Die Muslimbrüder wollen Ägypten auf lange Sicht in einen islamischen Staat verwandeln. Zudem sind diese Leute keine wirklichen Ägypter, denn sie wollen die Religion zur einzigen Grundlage der nationalen Identität erklären. Es ist ein furchtbarer Gedanke, dass der Staatspräsident nicht an sein Land denkt, sondern an etwas anderes: ein islamisches Kalifat.

Warum haben die Muslimbrüder denn so viel Erfolg bei der einfachen Bevölkerung?

Es gibt einen Scherz, der das erklärt: US-Präsident Obama ruft bei Mursi an und fragt ihn, wo das Speiseöl bleibe. Das spielt darauf an, dass die Muslimbrüder an ihre Unterstützer - insbesondere arme Familien - Speiseöl verteilen, um ihre Stimmen zu erhalten. Die Beteiligung an den letzten Wahlen und am Referendum war sehr gering. Das hilft den Islamisten, denn sie schaffen es, ihre Anhänger zu mobilisieren. Ihre Gegner gehen nicht zur Wahl, weil sie nicht wissen, für wen sie stimmen sollen. Ich bin darum nicht sonderlich optimistisch, was die nähere politische Zukunft des Landes angeht.

Sie weisen immer wieder auf die Unterstützung der Muslimbrüder durch die USA hin. Warum setzen die Vereinigten Staaten Ihrer Ansicht nach auf die Muslimbrüder?

Die Vereinigten Staaten unterstützen die Islamisten uneingeschränkt. Warum? Aus drei Gründen. Ersten denken die Amerikaner, dass die Muslimbrüder sehr populär sind. Wenn sie diese unterstützen, dann, so glauben sie, fördern sie damit die gesellschaftliche Ruhe. Zweitens setzen sie auf eine stark hierarchisch strukturierte Organisation. Auf diese Weise brauchen sie nur mit den Führern zu sprechen, und dann funktioniert alles. Das gelang bislang sehr gut in ihrer Beziehung mit dem Militär - und jetzt wird es auch mit den religiösen Führern funktionieren. Drittens leisten die Muslimbrüder den Amerikanern gute Dienste - etwa, was das Verhältnis zu Israel angeht. Außerdem sind beiden Gesellschaften konservativ und folgen ökonomisch einer konservativen Linie.

Khaled Al-Chamissi ist einer der erfolgreichsten Schriftsteller Ägyptens. Auf Deutsch erschien sein Buch "Im Taxi".

Das Interview führte Kersten Knipp.