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Kein Billigfleisch mehr - echter Fortschritt?

7. Juli 2021

Ab 2030 will der Discounter Aldi Fleisch aus sehr günstiger Haltung aus seinen Regalen verbannen. Andere Ketten ziehen nach. Ist dieser Schritt für das Wohl der Tiere ausreichend? Tierschützer melden Zweifel an.

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Ein Blick in die Fleischtheke von Aldi
Ein Blick in die Fleischtheke von Aldi - in den kommenden Jahren wird sich das Sortiment ändern Bild: picture-alliance/SvenSimon/F. Hoermann

Ein Kilo Hackfleisch für ein paar Euro: Solche Schnäppchen-Angebote vom Discounter werden in Zukunft immer seltener. Aldi verkündete vor einigen Tagen, dass es sich nach und nach von sogenanntem Billigfleisch - also von Frischfleisch aus den Haltungsstufen 1 und 2 - verabschieden möchte. Das heißt konkret: Aldi Nord und Aldi Süd wollen ab spätestens 2030 nur noch Frischfleisch aus höherwertigen Haltungsformen verkaufen.

Verarbeitetes Fleisch wie Wurst oder Tiefkühlware sind allerdings genauso von dieser Maßnahme ausgenommen wie Spezialitäten. Dazu zählen beispielsweise argentinisches Rindfleisch oder spanisches Schwein. Auch für die Herkunft von Milch und Eiern werden diese geänderten Standards nicht angewendet.  

Andere Ketten teilten ebenfalls mit, künftig auf die unterste Haltungsstufe verzichten zu wollen. Die Rewe-Group (Rewe, Penny) will bis Ende 2030 das Fleisch in ihren Kühltheken nur noch aus der Haltungsform 2 oder höher beziehen. Lidl will ebenfalls die unterste Haltungsstufe verbannen. Kaufland - das wie Lidl zur Schwarz-Gruppe gehört - kündigte sogar an, "ab sofort" kein frisches Schweinefleisch mehr anzubieten, das nicht mindestens aus der Haltungsstufe 2 stammt. Auch Edeka will künftig auf Billigfleisch verzichten. 

Ein echter Fortschritt für die Tiere?

Damit reagieren die Ketten nicht nur auf die vielfach in Umfragen geäußerten Wünsche der Verbraucher. Auch Tier- und Umweltschützer prangern schon lange die Haltungsmethoden zur Produktion von Billigfleisch an. Doch ob die neuen Maßnahmen von Aldi, Rewe und Co. ausreichend sind, ist umstritten. Während die Umweltschutzorganisation Greenpeace das Konzept als "Volltreffer" lobt, halten es zum Beispiel die Tierschützer von PETA für nicht ausreichend.

"Wir freuen uns, dass hier die Supermärkte den ersten Schritt gehen", sagt Lisa Kainz, Referentin bei der Tierschutzorganisation PETA im DW-Gespräch. "Aber für die Tiere wird es relativ wenig Vorteile bringen, weil die Haltung auch in den Stufen 3 und 4 nichts mit Tierschutz zu tun hat."

Schweine drängen sich in einem Stall
Schweinehaltung in Deutschland - die Tiere haben nur wenige Quadratmeter Platz ( Symbolbild) Bild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Mehrere deutsche Lebensmittelhändler, darunter auch Aldi, hatten sich 2019 auf das vierstufige Kennzeichnungssystem geeinigt - um so dem Verbraucher mehr Informationen für seine Kaufentscheidung an die Hand zu geben. Haltungsform 1 steht für die gesetzlichen Mindeststandards, eine noch schlechtere Haltung wäre schlichtweg verboten.

Konkret heißt das beispielsweise, dass pro Schwein mit mindestens 0,75 Quadratmeter gerechnet wird - also mit soviel Platz, wie ein ausgewachsenes Tier schon für seine eigenen Ausmaße benötigt. Bei der Haltungsstufe 2 vergrößert sich der Platz für das Tier geringfügig. Rinder dürfen nicht angebunden sein, Hähnchen und Puten bekommen Stroh auf den Stallboden gestreut.

Erst bei den Haltungsstufen 3 und 4 erhalten die Tiere auch Zugang zu frischer Luft. Bei Haltungsstufe 3 heißt das aber nicht zwingend, dass die Tiere ins Freie dürfen - auch eine offene Stalltür gilt als Frischluftzufuhr. Dem Schwein stehen zudem nun 1,5 Quadratmeter zur Verfügung. Aldi macht nach eigenen Angaben bislang 15 Prozent des Umsatzes mit den Haltungsstufen 3 und 4.

Leben auf dem eigenen Kot 

 "Haltungsstufe 4 hört sich vielleicht erstmal gut an, ist aber nur eine marginale Verbesserung", sagt Kainz von PETA. "Wenn man sich die natürlichen Bedingungen des Schweins anschaut, dann braucht dieses Tier hunderte von Quadratmetern in ausgestalteten Gehegen. Das kann eine Haltung, die wirtschaftlich sein soll, niemals erfüllen."

Lisa Kainz, Fachreferentin bei PETA Deutschland
Lisa Kainz, Fachreferentin bei PETA DeutschlandBild: PETA

Die Haltung verursache bei den Tieren nicht nur psychischen Stress, sondern macht sie auch für Krankheiten am Atmungsapparat und den Augen anfälliger. Neben dem geringen Platz ist dafür auch der Spaltboden in den Ställen verantwortlich, durch dessen Ritzen Kot und Urin lediglich durchgedrückt werden. "Das heißt, die Tiere leben auf und über ihrem eigenen Kot und Urin, was für die Psyche der Tiere eine wahnsinnige Belastung ist", so Kainz. 

Billigfleisch noch in anderen Ländern? 

Auch wenn die Ankündigung aus Sicht der Tierschützerin lediglich ein Schritt in die richtige Richtung ist - global gesehen könnte Aldi einen weiteren Schritt bewirken. Denn die Unternehmensgruppe ist nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern wie zum Beispiel Frankreich, den Niederlanden oder den USA vertreten. Aldi gehört zu den zehn größten Einzelhandelsgruppen weltweit. Sollte sich der "Billigfleisch"-Verzicht auch auf andere Länder erstrecken, hätte dies größere Auswirkungen auf Tierwohl und Umwelt als eine rein deutschlandweite Lösung.

Aldi in den USA
Aldi-Filiale in den USA: Kommt der Billigfleisch-Verzicht auch in anderen Ländern? Bild: Alex Wong/Getty Images

Auf DW-Anfrage gab der Konzern bekannt, dass sich die Ankündigungen von Aldi jedoch bislang auf die Märkte in Deutschland beziehen. Inwiefern auch andere Länder nachziehen, wurde nicht bekannt gegeben. Der österreichische Discounter Hofer, der ebenfalls zur Unternehmensgruppe Aldi Süd gehört, verwies auf DW-Anfrage auf die bereits bestehenden österreichischen Haltungsbestimmungen, die nach Angaben des Konzerns zu den strengsten Europas gehörten. Zudem wolle man bis 2030 ebenfalls Billigfleisch aus dem Sortiment nehmen. 

Für den Kunden wird es etwas teurer 

Für den Kunden bedeutet die Ankündigung von Aldi und Co., dass er oder sie für Fleisch künftig mehr bezahlen muss. Das wird eine Umstellung, denn bisher griffen die meisten Verbraucher am liebsten zum billigsten Fleisch - entgegen ihrer eigenen Überzeugungen.

So erklärten fast drei Viertel der Befragten im Ernährungsreport 2021 des Bundeslandwirtschaftsministeriums, dass sie von der Landwirtschaft eine artgerechte Tierhaltung erwarten. Aus dem Lippenbekenntnis wird nun Realität - zumindest  etwas.

Das Erfolgsgeheimnis von Aldi 

 

Stephanie Höppner Autorin und Redakteurin für Politik und Gesellschaft