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Freude über kalten Regen im Gesicht

Judith Hartl
22. Dezember 2018

Alexander Gerst ist zurück. Pünktlich zu Weihnachten. Geschenke hat er keine, aber eine Ausrede. Nach fast 200 Tagen im All blieb keine Zeit zum Shoppen. Aber zumindest ein bisschen für zahlreiche Journalistenfragen.

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Köln - Pressekonferenz mit Astronaut Alexander Gerst (DW/F. Schmid)
Bild: DW/F. Schmidt

Irgendwie sieht Alexander Gerst durchtrainierter aus als vor seiner Weltraummission. Kann das sein? Ist sein Bizeps nicht noch ein bisschen stärker definiert, spannt sein silber-graues Polo-Shirt sogar ein klein wenig um die Oberarme herum? Oder bilde ich mir das nur ein?

Machen diesem Astronauten sechs Monate in der Schwerelosigkeit denn gar nichts aus? Fast 200 Tage in einem Zustand, der den meisten seiner Kollegen so gehörig zusetzt, dass sie nach der Landung erst einmal länger getragen oder gestützt werden müssen.

Gerst lächelt bescheiden, was er gut kann. Er beherrscht Understatement und verneint die Frage eines Journalisten nach irgendwelchen Fitnesstricks. Trainieren falle ihm eben sehr leicht und er habe auf der Raumstation sogar Muskelmasse aufgebaut: "Wir trainieren auf der ISS alle hart, aber ich habe wahrscheinlich andere persönliche Voraussetzungen, mein Körper kann sich leichter an unterschiedliche Umgebungsbedingungen anpassen."

Was noch nicht so ganz gut funktioniert, sagt Gerst, sei das Zusammenspiel seiner Muskeln, die Feinkoordination - vor allem der Rückenstabilisatoren. Manchmal taumle er noch ein bisschen. Gerst läuft viel. Auf der ISS auf dem Laufband, auf der Erde endlich wieder im Wald: "Da oben habe ich den Wind in meinem Gesicht vermisst, den Nieselregen, den Wald zu riechen oder das Gras". So etwas mache ihn jetzt, nach seiner Rückkehr, glücklich.

Für uns, die immer auf der Erde herumlaufen eher Selbstverständlichkeiten. Regen nervt uns. Vogelgezwitscher, Wasserplätschern, der Geruch frischer Winter- oder warmer Sommerluft, Blumen, Blüten, Sandstrand? Alles normal, alles selbstverständlich. Solange wir es haben.

Auf der ISS, verrät Gerst, spürt man auch, wie schlimm es ohne all dies wäre. Und malt ein Szenario aus, das bislang noch nicht real ist, aber irgendwann vielleicht schon: Kinder, die auf Weltraumstationen geboren werden und "nicht mehr wissen, was ein Wald oder ein Sandstrand ist".

Das sagt Gerst nicht überheblich oder besserwisserisch. Es ist seine wichtigste Botschaft, die er auch von der ISS unaufhörlich über Twitter kommunizierte: Schaut an, wie schön unser Planet ist und schaut, wieviel wir schon zerstört haben.

"Man realisiert da oben, was man auf der Erde hat", mahnt er immer und immer wieder, dass wir auf unseren verletzlichen Planeten aufpassen und ihn schützen müssen, denn wir haben keine zweite Erde.

Alexander Gerst war der erste deutsche Kommandant auf der ISS, jetzt wird er erst einmal auf der Erde bleiben. Genaue Pläne hat er noch nicht. Unter anderem wird er seinen Kollegen, den neuen deutschen Astronauten Matthias Maurer unterstützen, Vorträge halten, Botschafter sein für die Bedeutung der Raumfahrt und das Verständnis für die Einzigartigkeit der Erde als Lebensraum für uns Menschen.

Aber erst mal Weihnachten. Trotz strenger Regeln habe die ESA ihm erlaubt, zwei Tage mit seiner Familie zu feiern: "Darüber freue ich mich sehr". Dann lacht Gerst sein typisch verschmitztes Lächeln: "Weihnachtsgeschenke habe ich keine, aber wenigstens habe ich dieses Mal eine gute Ausrede."