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"WM-Titel wäre die Krönung"

5. Januar 2019

Alexandra Popp ist sowohl beim VfL Wolfsburg als auch in der Nationalmannschaft eine feste Größe. Die 27-Jährige spricht im DW-Interview über Angstgegner Lyon, den WM-Titel und Vorurteile über Frauen-Fußball.

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Italien Champions-League-Finale der Frauen Wolfsburg vs. Lyon in Reggio
Bild: Getty Images/M. Luzzani

DW: Frau Popp, sie wurden gerade von einer internationalen Jury unter die besten 20 Fußballerinnen der Welt gewählt. Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Alexandra Popp: Im Moment ist mein Spiel sehr flexibel ausgerichtet, auch von den Positionen her. Mal spiele ich auf der Position sechs, mal komme ich über den linken Flügel. In der Nationalmannschaft habe ich in den letzten Monaten immer in der Spitze gespielt. Mein körperliches Spiel ist meine Stärke.

Und das Erzielen von Toren ist ihr Lebenselixier?

Das war es auf jeden Fall einmal. Nach vorne hin kann ich gefährlich werden, nach meinem Geschmack bin ich noch nicht gefährlich genug. Ich bin in den letzten Jahren leider nicht mehr so häufig auf der Torschützenliste zu finden gewesen. Ich behaupte sogar, dass ich es ein bisschen verlernt habe, weil ich in Sachen Spielposition so viel durch die Gegend geschoben wurde. Wenn ich dann gelegentlich vor dem Torwart auftauche, denke ich einfach zu viel nach. Und das ist nicht gut.  

Wenn Sie auf das Jahr 2018 zurückschauen, sitzt der Stachel der Gelb-Roten Karte in der Verlängerung des Champions-League-Finals gegen Olympique Lyon noch tief?

Ich habe den Tiefschlag natürlich überwunden. Für uns ist es wichtig, dass wir, solange die Körner noch da waren, auf einer Ebene mitspielen konnten. Hätten wir so weitergespielt wie in den 90 Minuten, hätte ich darauf gewettet, dass wir das Spiel noch für uns entscheiden würden.

Fußball Frauen - VFL Wolfsburg vs Olympique Lyon - Platzverweis Popp
Platzverweis gegen Popp (l.) im Champions-League-Finale gegen Lyon im Mai in KiewBild: Reuters/V. Ogirenko

Sind Sie denn trotz der Finalniederlage mit dem Jahr beim VfL Wolfsburg zufrieden?

Insgesamt können wir zu einhundert Prozent mit der vergangenen Saison zufrieden sein. In der Rückrunde haben wir kein einziges Spiel verloren. Und wenn man sieht, wie wie wir (in dieser Saison) unsere Hinrunde angefangen haben, muss man sagen: So etwas haben wir noch nie gespielt. Das macht für alle in der Mannschaft immer noch Lust auf mehr.

An Olympique Lyon hat sich der VfL zuletzt regelmäßig die Zähne ausgebissen. Im März treffen Sie bereits im Champions-League-Viertelfinale erneut auf die Französinnen. Droht die nächste Pleite?

Wir haben immer noch die Rechnung mit Lyon offen. Wir wollen sie das nächste Mal schlagen. Das ist fast unser oberstes Ziel momentan. Vor ein paar Jahren war es noch so, dass zuerst die Meisterschaft kam, dann die Champions League und dann der Pokal. Doch jetzt ist die Champions League gleichgesetzt mit der Deutschen Meisterschaft, wenn nicht sogar einen Tick weiter oben, weil wir diesen Titel endlich mal wieder haben wollen. Und ich glaube auch, dass wir endlich mal wieder dran sind.  

Wenn man national als Klub so dominant ist, wird das nicht irgendwann langweilig für die Spielerinnen?

Das Lustige ist, dass wir uns gar nicht motivieren müssen. Jede einzelne Spielerin hat hier Gott sei Dank diesen Charakterzug, immer mehr zu wollen. Das sieht man auch an unseren Ergebnissen. Wenn wir 3:0 führen, könnte man sagen: So, wir hören jetzt auf. Aber wir hören nicht auf. Wir wollen unser Optimum herausholen, gerade auch für die Spiele, in denen es Kopf an Kopf zur Sache geht.   

Im Nationalteam sind sie eine Institution. Die WM 2019 haben Sie aber noch nicht gewonnen. Was würden Sie dafür geben, diesen Titel  in Frankreich zu gewinnen?

Ich muss gesund bleiben, dann bin ich in der Lage, Höchstleistungen zu bringen. Daran arbeite ich, und das ist mein Ziel. Und ich will die Mannschaft weiter führen und gemeinsam mit der neuen Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg das Team stetig weiterentwickeln, um während der WM auf höchstem Niveau zu sein.

Wäre der WM-Titel die Krönung Ihrer Karriere?

Ja, das wäre so. Mir fehlt zwar auch noch der Europameisterschaftstitel, zweimal bin ich bei EM-Turnieren aufgrund von Verletzungen ausgefallen. Und ob ich dann bis zur nächsten EM spiele, kann ich jetzt noch nicht sagen. Wenn ich die WM gewinnen würde, wäre das die Krönung des Ganzen.  

Hat sich die öffentliche Wahrnehmung des Frauenfußballs im letzten Jahrzehnt aus Ihrer Sicht verbessert?

Nach der WM 2011 in Deutschland, gab es, obwohl wir nicht so erfolgreich waren, einen kleinen Boom. In den letzten Jahren ist das wieder gesunken. In Wolfsburg ist es aber schon so, dass wir in der Stadt erkannt werden. Das ist jedes Mal eine richtig schöne Anerkennung.

Und in der Nationalmannschaft?

Hier in Wolfsburg sind die Zuschauerzahlen gestiegen, in der Nationalmannschaft ist das nicht so. Wir sind 2016 Olympiasieger geworden, aber davon nimmt man gefühlt leider nichts wahr. Es ist auch schwer, uns zu vermarkten. Wir alle gemeinsam und vor allem wir auf dem Rasen müssen dahin kommen, dass der Frauen-Fußball mehr Aufmerksamkeit erhält. 

Rio 2016 - Frauenfußball Finale - Schweden - Deutschland 1:2
Trotz Olympia-Gold in Rio kein neuer Frauenfußball-Boom in DeutschlandBild: picture-alliance/F.Heinen

Es gibt noch immer so gut wie keine Frau bei Bundesligaklubs in Managerpositionen. Ist der Profifußball noch nicht so weit? Wäre das nicht nach der Karriere etwas für Sie?

Wir haben genug Ex-Spielerinnen, die im Fußball weitergearbeitet haben. Aber man benötigt auch Erfahrung dafür. Es wäre sicherlich ein interessanter Schritt, wenn mehr Frauen in diesen Funktionen arbeiten würden. Für mich käme jedoch eher eine Trainerposition in Frage. Aber so richtig habe ich darüber noch nicht nachgedacht.

Können Sie die Aufregung um die Frage bei der Ballon d'Or-Ehrung an Preisträgerin Ada Hegerberg nachvollziehen, ob sie twerken [Tanzstil mit kreisenden Hüftbewegungen - Anm. d. Red.) könne?

Es ist natürlich schade und ärgerlich, vor allem für Ada, die mit ihren sportlichen Leistungen ein wenig in den Hintergrund gerückt ist. Zumal es diese Auszeichnung erstmals für Frauen gab. Sie hat cool reagiert. Man kann nur hoffen, dass es im nächsten Jahr anders ausgeht.

Glauben Sie, dass die Vorurteile gegen Frauenfußball irgendwann mal enden?

Ich glaube, das ist grundsätzlich nicht weniger geworden. Um den Frauenfußball richtig zu mögen, sollte man sich ein Spiel im Stadion anschauen und nicht vor dem Fernseher. Nur so kann man mehr Leute für den Frauenfußball begeistern. 

Mit 93 Länderspielen gehört Alexandra Popp zu den erfahrensten deutschen Nationalspielerinnen. 44 Tore hat die 27-Jährige für das DFB-Team erzielt. Größter Erfolg bisher war die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro. Seit 2012 steht die Offensivspielerin beim VfL Wolfsburg unter Vertrag. Mit dem Verein gewann sie zweimal die Champions League, sammelte vier deutsche Meistertitel und fünf DFB-Pokalsiege.

Das Interview führte Jörg Strohschein.