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Alle gegen Gentechnik

Richard Connor/ cb21. September 2016

Genmanipulierte Lebensmittel haben einen denkbar schlechten Ruf. Aktivisten bekämpfen mit Leidenschaft selbst solche Gentechnikprojekte, die den Armen der Welt helfen wollen. Zu Unrecht?

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Genmodifizierter Reis im Reagenzglas. (Foto: EPA/SHEPHERD ZHOU CHINA OUT)
Genveränderte Reispflanzen im LaborBild: picture-alliance/dpa/S. Zhou

Wissenschaftler, die genveränderte Lebensmittel entwickeln, gelten nicht gerade als Helden. Selbst die Forscher, die mit ihren Entdeckungen die Welt zumindest ein kleines Stück besser machen wollen, haben mit starkem Gegenwind zu kämpfen.

Ein Beispiel: der deutsche Biologe Ingo Potrykus. Seinen Goldenen Reis erforschte er in den 1990ern in einem bombenfesten Gewächshaus - so groß war seine Angst vor Angriffen auf sein Projekt, das den Vitamin-A-Mangel bei Kindern bekämpfen soll.

Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass 124 Million Kinder nicht genug Vitamin A zu sich nehmen und dass zwischen ein und zwei Millionen jedes Jahr an dem Vitaminmangel sterben. Viele dieser Kinder leben in Regionen, in denen es wenig außer Reis zu essen gibt. Hier kommt der Goldene Reis ins Spiel.

Ein langer harter Weg

In der westlichen Welt nehmen die meisten Menschen Vitamin A aus Milchprodukten oder in Form des Betakarotins in Karotten zu sich. Das gelbe Pigment ist normalerweise nicht im Reis vorhanden, obwohl die Blätter der Reispflanze es enthalten. Ingo Potrykus suchte nach einem Weg, betakarotinhaltigen Reis herzustellen - indem er das Erbgut der Reispflanze veränderte.

Eine schwere Aufgabe. Potrykus brauchte unter anderem Gensequenzen von Narzissen, Erbsen, einem Bakterium und einem Virus. 1999, nach Jahren harten Arbeit, war es schließlich soweit: die ersten Reissamen, die vor Betakarotin gelb leuchteten, waren entstanden.

Goldener neben normalem Reis. (Foto: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg dpa/lsw)
Goldener Reis: charakteristisch gefärbt durch BetakarotinBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Der Goldene Reis schien die perfekte Lösung zu sein. Die Forscher planten, die Samen an arme Bauern in Entwicklungsländern verteilen. Aber wegen rechtlicher Streitigkeiten über bereits existierende Patente und aufgrund von Protesten von Aktivisten auf der ganzen Welt ist der Goldene Reis noch immer nicht auf dem Markt.

"Überteuerter PR-Gag"

Den Umweltaktivisten von Greenpeace zufolge ist der Goldene Reis noch längst kein fertiges Produkt ist. Sie sagen, er könne leicht andere Reissorten verunreinigen, benachbarte Felder kompromittieren und sei möglicherweise gar nicht nahrhaft. Greenpeace behauptet, der Reis sei nichts weiter als ein trojanisches Pferd, um das Tor für profitablere genetisch modifizierte Organismen (GMOs) zu öffnen.

"Anstatt in diesen überteuerten PR-Gag zu investieren sollten wir Unterernährung lieber mit einer ausgewogenen Ernährung, gleich verteilten Zugang zu Nahrungsmitteln für alle und Ökolandwirtschaft bekämpfen", so Greenpeace in einem Statement.

Der ehemalige Greenpeace-Direktor Stephen Tindale sagte der BBC allerdings, er habe seine Meinung über gentechnisch veränderte Pflanzen geändert. Sie grundsätzlich abzulehnen sei "moralisch inakzeptabel", weil man damit die eigene Ideologie über den Hunger der Armen stelle. "Ich äußere mich gerade jetzt zu GMOs, weil ich es für nötig halte, dass Menschen wie ich - die bisher dagegen waren - sagen, dass die Dinge sich geändert haben", sagte Tindale.

Hoffnung für Ugandas Kochbananen

Gerade in Uganda gehen die Meinungen über genmodifizierte Pflanzen stark auseinander. In dem ostafrikanischen Land ist die grüne Kochbanane ein Grundnahrungsmittel und eine wichtige Quelle für Kohlenhydrate.

Die Katastrophe kam im August 2001, als eine bakterielle Krankheit namens BXW (Banana Xanthomonas Wilt) über Uganda hereinbrach, verursacht vom Bakterium Xanthomonas campestris. Es macht Kochbananen matschig, so dass man sie nicht mehr essen kann, und verbreitet sich rasend schnell. In einigen Regionen gingen bis zu 100 Prozent der Ernte verloren. So sahen sich allein in Uganda rund 14 Millionen Menschen in ihrer Lebensmittelsicherheit bedroht.

Wissenschaftler wollten eine BXW-resistente Bananenart entwickeln, die gegen das Bakterium quasi immun ist. Mit Gentechnik wollten sie dafür Pflanzenproteine der grünen Paprika in das Bananenerbgut einbauen, aber die nötige Technik stand wegen strenger Regeln nicht sofort zur Verfügung. Ugandas "Biosafety Bill," ein Gesetzesentwurf, der Regeln für die Nutzung genmodifizierter Samen festlegen sollte, wurde im Parlament aufgehalten. Ein Grund: Angst vor den Gefahren der Gentechnik.

Das Uganda-Büro der Nichtregierungsorganisation Action Aid war gegen die veränderten Bananen. Die Aktivisten sagten, die neue Art sei möglicherweise krebserregend. Sie gaben Radiospots in Auftrag, die vor den Gefahren warnten. Action Aid zog seine Behauptungen allerdings später zurück. Die Organisation habe nie selbst Behauptungen darüber aufgestellt, wie gesund genveränderte Lebensmittel seien, so Action Aid jetzt.

Grüne Bananen in einem Topf über dem Feuer. (Foto: Laylah Ndinda)
Kochbananen gehören in Uganda und anderen ostafrikanischen Ländern zu den GrundnahrungsmittelnBild: Leylah Ndinda

Der Forschungsprozess wurde trotzdem lange aufgehalten. Bauern hoffen, dass bis 2020 alle Hürden aus dem Weg geräumt sind und die neue Pflanze dann verteilt werden kann.

Genveränderte Papayas

Als der Ringspot-Virus in Hawaiis Obstanbauregion Puna auftauchte, war das für die dort ansässigen philippinischen Bauern ein Albtraum. Ihr Anteil am Papayamarkt in dem US-Bundesstaat brach ein, während sich das Virus weiter ausbreitete. Wenn Pflanzen einmal befallen sind, erholen sie sich nie wieder. Viele Farmen wurden verlassen, das Land nicht mehr weiter genutzt.

Forscher begannen, an einer neuen Papaya-Art zu arbeiten, der "Regenbogen-Papaya". Diese Frucht impften sie sozusagen gegen das Virus. Dafür setzen sie Gene des Ringspot-Virus in Papaya-DNA ein. Die Frucht soll dann virale Eiweiße produzieren, die denen an der Außenseite des Ringspot-Virus ähnelt. So regt sich die eigene Immunverteidigung der Papaya bereits, bevor das Virus überhaupt eine Chance hat, sich festzusetzen.

Die Regenbogen-Papaya stellte sich als Rettung für viele Bauern heraus, die kurz vor dem Ende ihrer Existenz gestanden hatten. Wissenschaftler in Thailand, Venezuela und anderen Ländern übernahmen die Strategie ihrer Kollegen auf Hawaii und passten sie ihren Papaya-Arten an.

Bambus und Papaya. (Foto: picture-alliance/Bildagentur-online/Stock Connect)
Papayas auf Hawaii wurden immun gegen das Ringspot-Virus gemachtBild: picture-alliance/Bildagentur-online/Stock Connect

Aber in Venezuela gab es Schwierigkeiten. Aktivisten protestierten nicht nur, sie zerstörten sogar einige Forschungsprojekte. Im Jahr 2000 wurde eine Testernte in Venezuela niedergebrannt. Danach brach die Forschung dort ab.

"Das Genmaterial der Papaya liegt weggeschlossen auf Eis und wartet auf bessere Zeiten", sagte Guido Nunez in einem Interview für eine Crowdfunding-Webseite. Nunez' Forschungsteam möchte durch Spenden einen Dokumentarfilm über die schwierige Arbeit mit der Genpapaya finanzieren. "Die Forschung, nicht nur an der Papaya, sondern in GMO-Laboren generell, ist in Venezuela zum Stillstand gekommen", bedauert er.