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Allheilmittel Anti-Doping-Gesetz?

Stefan Nestler4. November 2013

Nach dem Freispruch für Rad-Dopingsünder Schumacher fühlen sich die Befürworter schärferer Regelungen bestätigt. Nach wie vor hakt es im Kampf gegen Doping nicht an allen, aber an vielen Ecken und Enden.

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A und B-Urinprobe (Foto: DW/Stefan Nestler
Bild: DW/S. Nestler

Das Urteil im Fall Stefan Schumacher ist Wind in den Segeln der Befürworter eines Anti-Doping-Gesetzes. Das Landgericht Stuttgart hat den Radprofi, der sich als erster deutscher Sportler vor einem Zivilgericht wegen Betrugs verantworten musste, kürzlich freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat allerdings Revision eingelegt. Das Verfahren galt als Nagelprobe, ob die bestehenden Gesetze ausreichen, um Dopingsünder auch strafrechtlich zu belangen.

Das Urteil zeige, sagt Peter Häberle, "dass gesetzgeberisch noch weitere Maßnahmen zu ergreifen sind". Der Jurist leitet die Strafrechtsabteilung im Justizministerium von Baden-Württemberg.Die Landesregierung hat im Bundesrat einen Entwurf für ein Anti-Doping-Gesetz eingebracht. Das Ziel: Berufssportler, die mit Doping ihre Konkurrenten nicht nur sportlich, sondern auch wirtschaftlich schädigen, sollen wegen so genannten "Dopingbetrugs" zu Haftstrafen von bis zu fünf Jahren verurteilt werden können.

Spitzensportler schweigen wie ein Grab

Auch der Münchner Staatsanwalt Markus Müller sieht eine "Gerechtigkeitslücke" darin, dass Spitzensportler bisher strafrechtlich ungeschoren davonkommen. "Es kann nicht sein, dass derjenige, der dem Sportler Dopingmittel liefert, eine Strafe zwischen ein und zehn Jahren zu erwarten hat, der Sportler selbst aber, der die Mittel in der Regel frei verantwortlich verwendet, komplett straflos bleibt." Müller verfolgt seit Jahren Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz. Über 2000 Fälle hat er bereits bearbeitet. Meist richteten sich die Verfahren gegen Breitensportler, etwa Kraftsportler, die sich große Mengen von Dopingmitteln beschafft hatten.

Doping-Staatsanwalt Markus Müller (Foto: DW/Stefan Nestler)
Markus Müller will auch Spitzensportler anklagen dürfenBild: DW/S. Nestler

Mit den bestehenden Gesetzen kämen die Ermittler nicht an die Hintermänner im Dopingnetzwerk, sagt der Staatsanwalt. Informationen von Spitzensportlern zu erhalten, sei so gut wie unmöglich: "Die schweigen wie ein Grab und sagen einem mitunter auch kalt lächelnd ins Gesicht: Ich bin nur Zeuge. Was wollen Sie? Wenn ich hier Angaben mache, gibt es nur Schwierigkeiten, und ich kriege in meinem Sportmetier keinen Fuß mehr in die Tür. Warum soll ich das tun?"

Positive Signale

Wie Baden-Württemberg hat auch das Bundesland Bayern einen Entwurf für ein Anti-Doping-Gesetz eingereicht, ebenso die SPD-Bundestagsfraktion. Das war allerdings vor der Wahl. Peter Häberle vom Justizministerium Baden-Württembergs sieht positive Signale. "Entscheiden muss das der Bundestag", sagt Häberle. "Aber wenn man die Entwicklung der vergangenen sechs Monate Revue passieren lässt, dann habe ich das Gefühl, dass in der Öffentlichkeit die Akzeptanz für ein solches Gesetz durchaus gestiegen ist."

Gesetz nur für Spitzensportler?

Der Athletensprecher im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), Christian Breuer, warnt vor Populismus. Den früheren Eisschnellläufer stört bei den Diskussionen, "dass man nur den sieht, der vorne im Rampenlicht steht". Da solle ein Gesetz für die Spitzensportler geschaffen werden, sagt der 36-Jährige. "Ich verteufele aber genauso den Amateursportler, der sich Dinge zuführt, die er nicht nehmen sollte." Auch den Begriff Berufssportler in den Gesetzentwürfen hält Breuer für "noch ein bisschen fragwürdig, weil wir im Sport eben alle Facetten abdecken, auch Personen, die damit keinen Gewinn erzielen und keine Gewinnabsichten haben. Das ist im olympischen Sport die ganz, ganz große Mehrheit."

DOSB-Athletensprecher Christian Breuer (Foto: DW/Stefan Nestler)
Christian Breuer sieht Gesetzesvorlagen kritischBild: DW/S. Nestler

Gotzmann: "Manchmal frustrierend"

Anspruch und Wirklichkeit klaffen im Anti-Doping-Kampf in Deutschland noch auseinander. Das beweist die Tatsache, dass der Jahresetat der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) von 4,6 Millionen Euro für 2014 immer noch nicht sichergestellt ist. Immerhin sieht NADA-Chefin Andrea Gotzmann "positive Signale", dass die ursprüngliche Finanzierungslücke von einer Million Euro bald geschlossen sei. Jahr für Jahr muss die NADA in Politik und Wirtschaft um Finanzmittel geradezu betteln. "Das ist manchmal schon frustrierend", räumt die frühere Basketball-Nationalspielerin ein. "Das Bekenntnis zum Leistungssport ist für mich untrennbar damit verbunden, auch zur Anti-Doping-Arbeit zu stehen. Es geht um die Glaubwürdigkeit des Sports. Wir wollen ja nicht nur Schlagzeilen produzieren, sondern wir möchten, dass der Sport sauber ist."