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Klassiker: der Filmregisseur Yasujirō Ozu

Jochen Kürten2. September 2014

Es gibt nur wenige Regisseure, die von anderen Filmemachern so verehrt werden wie Yasujirō Ozu. Der 1963 verstorbene Japaner wurde in den 50er Jahren vor allem mit seinen kontemplativen Familiengeschichten bekannt.

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Szene aus einem Yasujiro Ozu-Film aus der DVD-Box "Ozu" (Foto: Koch Media)
Bild: Koch Media

"Wenn es in unserem Jahrhundert noch Heiligtümer gäbe …, wenn es so etwas gäbe wie das Heiligtum des Kinos, müsste das für mich das Werk des japanischen Regisseurs Yasujirō Ozu sein." (Wim Wenders)

"Ich war tief bewegt von der einfachen und natürlichen Klarheit, mit der er seine Geschichten auf der Leinwand erzählte. Später habe ich bei Ingmar Bergman gelesen, wie dieser von Ozu beeinflusst war." (István Szabó)

"Ozu inszeniert ebenso wie die traditionellen Zen-Künstler die Stille und die Leere. Stille und Leere sind aktive Elemente in Ozus Filmen." (Paul Schrader)

Der Deutsche Wim Wenders, der ungarische Oscarpreisträger István Szabó ("Mephisto") und einer der wichtigsten Regisseure New-Hollywoods, Paul Schrader ("American Gigolo"). Die Liste der Lobgesänge auf Yasujirō Ozu ließe sich fortsetzen, über alle Landesgrenzen und Zeitenwenden hinweg.

Über den Zustand japanischer Familien

Ozus Filme behandeln Mittelstands-Familien in der Krise, das Verhältnis von Eltern zu ihren Kindern, deren Verhältnis untereinander, Väter und Söhne, Mütter und Töchter. Sie spielen meist in der Großstadt, oft in Tokio, manchmal auch in der japanischen Provinz. Schauplätze sind Wohn- und Schlafzimmer und fast immer Innenräume von Häusern. Es sind vordergründig unspektakuläre Handlungen und Szenerien, die Ozu seinen Zuschauern präsentiert.

Szene aus einem Yasujiro Ozu-Film aus der DVD-Box "Ozu" (Foto: Koch Media)
Typisches Szenario aus einem Ozu-Film: starre Kamera auf Augenhöhe, zwei Menschen, die sich unterhaltenBild: Koch Media

Als hervorstechendstes ästhetisches Merkmal beschrieb der Filmhistoriker Norbert Grob Ozus Stil einst so: Auffallend "in technischer Hinsicht" sei "die unbewegte Kamera, die etwa drei Fuß über dem Boden fixiert ist, und ohne zu blinzeln die Personen betrachtet, wobei auf technische Hilfsmittel, wie Blenden oder ähnliches, verzichtet wird." Extreme Kamerawinkel seien selten, Fahrten noch seltener und Schwenks fast nicht vorhanden.

In Europa von der Berlinale entdeckt

Ozu gehört zweifelsohne zu den Göttern der Kinogeschichte, wobei anzumerken ist, dass Ozu bei aller Zurückhaltung in Stil und Inhalt in Japan seine Zuschauer fand und kommerziell erfolgreich war.

Anfang der 1960er Jahre wurde ein Film Ozus ("Der Herbst der Familie") im Wettbewerb bei der Berlinale gezeigt. Seitdem wurde der Regisseur aus dem fernen Kontinent auch einem größeren Publikum in Deutschland zu einem Begriff. Als Ozu kurze Zeit darauf just an seinem 60. Geburtstag starb, begannen auch europäische Cineasten und Regisseure, sich mit dem Oeuvre des Japaners auseinanderzusetzen. Sein Ruhm mehrte sich fortan.

Szene aus einem Yasujiro Ozu-Film aus der DVD-Box "Ozu" (Foto: Koch Media)
Ozu war auch ein Regisseur, der die Situation von Frauen in den Blick nahmBild: Koch Media

Im Mittelpunkt des Interesses standen diejenigen Filme, die Ozu im reifen Alter in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg drehte. Sie waren in erster Linie der Grund für die enthusiastische Aufnahme seines Werks. "Später Frühling" oder "Die Reise nach Tokio" sind Filme, die Ozus Ruf als Meister des meditativen, kontemplativen Kinos kennzeichneten. Einige dieser Meisterwerke liegen auch in Deutschland auf DVD vor, wurden auf Retrospektiven gezeigt und im deutschen Fernsehen ausgestrahlt.

Auch ein Genreregisseur

Die nun erschienene DVD-Edition mit sieben Filmen des Meisters setzt hingegen einen anderen Akzent: "Heute ist das Schaffen von Yasujirō Ozu so derartig anerkannt und darin so sehr zu einem Klischee geronnen, dass man die Filme vor all der Verehrung kaum mehr zu sehen vermag", bemerkt der Filmpublizist Olaf Möller im Booklet der DVD-Edition. Diese konzentriert sich daher konsequenterweise auf frühe Filme des Regisseurs beziehungsweise auf weniger bekannte Werke. Ozu begann als Genreregisseur und drehte Komödien wie Gangsterfilme. Die sind hierzulande nur wenig bekannt.

Szene aus einem Yasujiro Ozu-Film aus der DVD-Box "Ozu" (Foto: Koch Media)
Ozu drehte über 50 Filme, in fast allen war sein Lieblingsdarsteller Ryu Chisu zu sehenBild: Koch Media

Der während des Zweiten Weltkriegs erschienene "Chichi ariki" ("Es war einmal ein Vater", 1942) zeigt dagegen schon deutliche Züge des "klassischen" Ozu. Erzählt wird die Geschichte eines Lehrers, der seinen Beruf aufgibt, nachdem einer seiner Eleven bei einem Klassenausflug ums Leben kommt. Diese Situation bildet den Ausgangspunkt für das eigentliche Thema des Films: das Verhältnis des verwitweten, alleinerziehenden Vaters zu seinem Sohn. Während der Vater immer wieder an das Pflichtbewusstsein des Sohnes appelliert und ihn bedrängt, das eigene Ego zurückzustellen, sehnt sich der nach väterlichem Beistand und räumlicher Nähe. Ein zartes menschliches Drama mit vielen Zwischentönen, zurückhaltend inszeniert, aber dadurch nicht weniger eindrücklich.

Trost von der Kinoleinwand

"Einer von Ozus Lieblingsfilmen, mit autobiografischen Anklängen und Ankoppelung an die Kriegssituation, makellos und erschütternd in seiner unausweichlichen Selbstverständlichkeit, kongenial herzzerreißend gespielt von seinem Herzensdarsteller Ryu Chisu. Eines von Ozus tragischsten Werken, darin auch eines einer tröstlichsten", schrieb Christoph Huber anlässlich einer Ozu-Retrospektive im Wiener Filmmuseum.

DVD-Box "Ozu" (Foto: Koch Media)
Bild: Koch Media

"Chichi ariki" ist mit den Filmen "Der Wanderschauspieler" (1934), "Eine Herberge in Tokio" (1935), "Der einzige Sohn" (1936), "Die Geschwister Toda" (1941), "Weizenherbst" (1951) und "Der Geschmack grünen Tee auf Eis" (1952) in der Yasujirō Ozu-Edition mit einem Beiheft und einem Text von Olaf Möller beim Anbieter Koch Media erschienen.

Yasujirō Ozu ist die "eingedeutsche" Schreibweise des Namens. In Japan wird üblicherweise der Nachname vor dem Vornamen genannt.