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Innovativ Heizen mit Geothermie aus der alten Kohlegrube

4. Januar 2024

Mit Wärme aus alten Kohleschächten will die Stadt Bochum künftig einen neuen Stadtteil heizen. Das Potential ist riesig: In Zukunft könnten Städte weltweit so effizient versorgt werden. Ein Besuch auf der Baustelle.

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Bohrtum auf einem Baugeländer im Jahr 2022 zwei tiefe Löcher gebohrt. Im Hintergrund das ehemalige Verwaltungsgebäude von Opel, und ein weiteres Gebäude im Bau. Vor dem Bohrturm wird der Boden für den Bau der Firmenzentrale des Ingenieurbüros Zetcon vorbereitet.
Bohrturm für die Rohre auf dem früheren Opelgelände in Bochum. Mit der Wärme aus den alten Kohleschächten in mehreren hundert Meter Tiefe wird der neue Stadtteil umweltfreundlich versorgt.Bild: Felix Jagert/Fraunhofer IEG

Ein paar Gebäude des Innovationsquartiers Mark 51°7 in Bochum stehen schon, doch der größte Teil des früheren Industriegelände ist noch eine große Baustelle.

"Wir stehen hier auf dem Geothermieplatz. Unter uns befindet sich ein altes Bergwerk und hier haben wir zwei Bohrungen runtergebracht", erklärt Jochen Raube von den Stadtwerken Bochum.

Die Bohrungen führen in mehreren hundert Meter Tiefe in zwei alte Kohleschächte, die inzwischen mit Wasser gefüllt sind.

Die alte Kohle-Zeche hier wurde 1958 stillgelegt, so wie viele Kohlegruben im Ruhrgebiet in den folgenden Jahren. Damals ein großer Schock, denn allein in Bochum hingen 40.000 Jobs an der Kohle. Viele Bergleute fanden neue Arbeit im Opelwerk, das in den 60er Jahren über dem alten Bergwerk Autos produzierte. Als dann die Autofabrik 2014 abgerissen wurde, erfand sich der Standort mit guter Verkehrsanbindung noch einmal ganz neu.

Bis 2027 soll hier auf einer Fläche von rund 100 Fußballfeldern Büros, Forschungseinrichtungen und ein innovativer Stadtteil mit rund 10.000 Arbeitsplätzen entstehen. 

"Das ist ein Vorzeigeprojekt, wo sich renommierte Unternehmen wie Bosch, VW oder Uni-Institute ansiedeln. Etwa um 2026/2027 wird das alles fertig sein", sagt Raube. Die alten Kohleschächten unter dem Gelände sollen genutzt werden, um die neuen Gebäude umweltfreundlich zu heizen und zu kühlen. 

Eines der beiden Rohre dafür führt in 820 Meter Tiefe, erklärt Raube. Das Grubenwasser ist dort das ganze Jahr über 28 Grad warm. Das Wasser im anderen Schacht, in 340 Meter Tiefe, ist immer etwa 16 Grad kühl.

Im Sommer hilft das kühle Wasser zum Abkühlen der Räume, im Winter das wärmere Wasser fürs Heizen. 

Jochen Raube, Projektleiter der Stadtwerke Bochum für Geothermie auf Mark 51°7. Vor einem Infoplakat am Geothermieplatz (ehemaligen Bohplatz) erklärt er wie die Wärme aus einem alten Kohleschacht nach oben gepumpt wird und damit den neuen Stadtteil mit Wärme versorgt. Im Sommer wird aus einem oberen Schacht vor allem kühles Wasser nach oben gepumpt wird zur Kühlung der Gebäude genutzt. Im Hintergrund das fertiggestellte Gebäude von Zetcon.
Jochen Raube vor der Infotafel am Geothermieplatz. Mit der Energie aus den Kohleschächten wird der neue Stadtteil mit klimafreundlich versorgt. Bild: Gero Rueter/DW

Wasser in alten Bergwerken für neue Gebäude nutzen

Ein paar Meter neben dem Bohrplatz wird in einem fertigen Bürogebäude schon gearbeitet. Das internationale Ingenieursbüro Zetcon ist im Juni 2023 hier eingezogen.  

Die Firma, die weltweit viele Umwelt- und Bauprojekte betreut, ist von der Technik begeistert.

"Ich fand die Idee toll. Einfach alte Stollen aufzubohren, die schon mit Wasser gefüllt sind, und das Wasser da rauszuholen und zu nutzen", sagt Marek Spisla, Geschäftsführer in der Firmenzentrale von Zetcon.

In der Energiezentrale im Erdgeschoss kommt das Wasser in zwei grünen Rohren an und wird in eine Wärmepumpe geleitet. Zum Heizen im Winter wird das Wasser auf 48 Grad Celsius erwärmt. Und im Sommer wird es auf 10 Grad abgekühlt, um die Büros zu kühlen.

Spisla zeigt auf dem Bildschirm der Haussteuerung, wie die Wärme und Kälteverteilung im Bürogebäude funktioniert. "Das Thema Nachhaltigkeit ist für uns wichtig. Wir haben beispielsweise auch eine Photovoltaikanlage hier über das ganze Dach". Die liefert Solarenergie für die Büros und Elektroautos der Mitarbeiter.

Marek Spisla, Geschäftsführer des Ingenieurbüros Zetcon steht in einem Technikraum vor einemkleinen Steuerungsgerät und mit Alufolie ummantelten Heizungsrohren.
Begeistert von der innovativen Heizung: Marek Spisla im Technikraum des BürogebäudesBild: Gero Rueter/DW

Fernwärme-Netze für die Städte der Zukunft

Einen halben Kilometer weiter wird derzeit die Energiezentrale für den östlichen Stadtteil gebaut. "Die versorgt dann das ganze Areal und alle Gebäude hier mit Wärme und Kälte", erklärt Jochen Raube von den Stadtwerken. 

"Wärmepumpen produzieren immer gleichzeitig Wärme und Kälte", erklärt Raube. Hier sei es zudem besonders effizient, dass je nach Bedarf kälteres oder wärmeres Grubenwasser genutzt wird.

"Wir wollen dieses Projekt als Blaupause nehmen und vervielfältigen", sagt Raube.

Bochum prüft derzeit, ob auch andere alte Kohleschächte der mehr als ein Dutzend stillgelegten Bergwerke im Stadtgebiet genutzt werden können. Pro Schacht können etwa zehn bis zwölf Megawatt erzeugt werden. Wenn genügend alte Zechen ans Fernwärmenetz der Stadt angeschlossen werden, könnten damit künftig viele der 370.000 Einwohner versorgt werden. 

Weitere Städte im Ruhrgebiet planen ähnliche Projekte für die Wärmeversorgung der Zukunft.

Doch Raube betont, dass zusätzlich weitere Technologien gebraucht werden, damit die klimaneutrale Wärmeversorgung bis 2045 gelingen kann. Weitere Potentiale für Fernwärmenetze sieht er in der Tiefengeothermie, der Solarthermie und beimgrünem Wasserstoff. Auch Holz sowie und die Abwärme aus Rechenzentren und Abwasserkanälen könnte künftig genutzt werden.  

Weltweit "riesiges Potential" für Geothermie 

Das Bochumer Projekt ist "das modernste Wärme- und Kälteerzeugungs- und Verteilsystem, das ich in Deutschland kenne", sagt Prof. Rolf Bracke, Leiter der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastruktur und Geothermie in Bochum.

Als zukunftsweisend sieht er, dass die Gebäude und Firmen nicht nur Energie verbrauchen, sondern auch selber Wärme produzieren und an die Stadtwerke verkaufen könnten. Rechenzentren seien dafür ein gutes Beispiel. Denn die haben einerseits einen hohen Kühlungsbedarf, erzeugen aber gleichzeitig sehr viel Abwärme und könnten diese ans städtische Wärmenetz abgeben. 

Weltweit sieht Bracke ein riesiges Potential dafür, alte Bergwerke geothermisch zu nutzen. Sie könnten eine "wichtige Säule für die Energieversorgung der Zukunft werden."

Neben der Kopplung mit Wärmepumpen seien wassergefüllte Kohleschächte auch ideal für das Speichern von Solarthermie, so der Geothermie-Experte. In großen Anlagen wird dabei im Sommer Wasser durch die Sonne erwärmt und in tiefe Kohleschächte gepumpt. Weil die kohlehaltigen Gesteinsschichten gut isolieren, kann die so gespeicherte Wärme im Winter fürs Fernwärme-Netz genutzt werden.

 "Ich empfehle auch anderen Regionen der Welt, Wasserreservoire unten den Füßen der Städte direkt nutzbar zu machen und sie in die strategische Planung von Wärmeversorgungssystem zu integrieren."

Redaktion: Anke Rasper

Geothermie – Heizungswärme aus der Erde

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Gero Rueter Redakteur in der Umweltredaktion